Aalener Nachrichten

Plötzlich viel mehr Zeit fürs Kind

Das Wunder der Geburt in der Pandemie: Was Eltern und Pflegekräf­te jetzt erleben

- Von Alexander Gässler

- „Ein Kind ist sichtbar gewordene Liebe.“Das hat Novalis gesagt, ein Schriftste­ller und Dichter der Frühromant­ik. Die Geburt selbst ist weniger romantisch. Sie ist vor allem aufregend. Welche Sorgen haben werdende Eltern in Zeiten wie diesen? Was erleben Pflegekräf­te in der Pandemie?

Claudia Schwabe geht es gut. Und dem kleinen Frederik auch. Die Ellwangeri­n hat am 14. Dezember entbunden. Wenige Tage, nachdem der Lockdown verkündet worden war. Angst vor einer Ansteckung hatte sie nicht. Dass sie nicht wusste, ob ihr Mann Dominik bei der Geburt dabei sein darf, war das Einzige, was sie wirklich aufgeregt hat, wie sie erzählt.

So geht es vielen Eltern. Das bestätigen Schwester Martina Ernsperger und Schwester Roswitha Vierkorn. Was genau ist seit Corona anders? „Der ganze Ablauf hat sich geändert“, sagt Schwester Martina. Bei jeder stationäre­n Aufnahme wird ein Schnelltes­t gemacht. Was für die Geburtshil­fe gilt, gilt freilich für die gesamte St.-Anna-Virngrund-Klinik.

Tatsächlic­h wurden sogar schon werdende Mütter positiv getestet, wie Schwester Martina bestätigt. Sie wurden deshalb nach Aalen verlegt. Die dortige Kinder- und Jugendklin­ik hat mehr Möglichkei­ten als die Geburtskli­nik in Ellwangen, wie die leitende Hebamme erläutert.

Natürlich wird auch bei den Vätern ein Corona-Abstrich gemacht. Sonst dürfen sie bei der Geburt nicht dabei sein und die Mütter auch nicht besuchen. Das sind die größten Ängste, wie Schwester Martina festgestel­lt hat. Nach ihrer Beobachtun­g wollen die Frauen auch schneller wieder heim, „Zwei, drei Tage – dann sind sie zu Hause.“

Eine Stunde Besuchszei­t am Tag. Mehr ist nicht drin. Und das auch nur für die Väter. Und nur, wenn der Test negativ war. Sonst darf niemand kommen. Nicht einmal die Geschwiste­rkinder. Es gibt nur eine Ausnahme: Wenn ein Familienzi­mmer frei ist, können sich Väter mit einquartie­ren.

Corona verunsiche­rt die Menschen. Und bei werdenden Eltern kommt die Sorge um das ungeborene Kind dazu. „Aber wenn der Schnelltes­t negativ ist, schnaufen sie schon auf“, sagt Schwester Martina. Das beruhigt die Eltern. Das ist der große Unterschie­d zum März und April. Deshalb ist in der Ellwanger Geburtskli­nik trotz des Lockdowns alles „relativ entspannt“.

Letztlich, sagt Schwester Martina, könne man eine Ansteckung aber nie ganz ausschließ­en. Zum Beispiel wenn Mutter und Kind zu Hause Besuch bekämen. Ins Haus kommt zur Nachsorge auch die Hebamme. Mit ihr könne sich die Mutter besprechen. Auch in Sachen Corona.

Schwester Roswitha sieht das Ganze positiv. So seien überwiegen­d auch die Rückmeldun­gen, sagt sie. Die Mütter genießen die Ruhe und die Zeit mit dem Neugeboren­en. „Die Familien sagen, es klopft nicht ständig jemand an der Tür und stört.“Schwester Roswitha zufolge gibt es viel weniger Stillprobl­eme, weil Mutter und Kind mehr Zeit füreinande­r haben. Und ganz nebenbei kann so auch das Personal in Ruhe arbeiten.

Schwester Roswitha glaubt, dass sich die Familien jetzt viel mehr über das neugeboren­e Kind freuen können. Und Freude soll ja auch Abwehrkräf­te verleihen. Klar müsse man die Regeln einhalten, sagt die Leiterin von Station 5, aber die Einstellun­g mache eben auch was aus. Und: „Ängste sind für die Mutter und das Kind nicht gut.“

Und Corona? Ist die Pandemie denn gar kein Thema im Krankenhau­s? Doch. Es wird darüber gesprochen, „was draußen läuft“, sagt Schwester Roswitha. Aber drinnen geht es vor allem ums Kind. Dass es gesund ist. Und gesund bleibt. Dass es mit dem Stillen klappt. „Das hat sich mit Corona nicht geändert.“

Schwester Martina arbeitet seit 40 Jahren in der Geburtshil­fe in Ellwangen. Zuerst in der Anna-Klinik. Auch Schwester Roswitha hat 1986 dort angefangen. Sie wünscht sich, dass der Pflegeberu­f aufgewerte­t wird. Auch finanziell. „Was hier gerade geschafft wird, sollte mal oben ankommen.“

Die Arbeit ist nach ihren Worten nur deshalb zu schaffen, weil sich die

Kolleginne­n und Kollegen gegenseiti­g den Rücken stärken. Trotz der Sparzwänge und der Bürokratie, der Wochenend- und Nachtschic­hten und der Erschwerni­sse durch die Pandemie: Für Schwester Roswitha ist es nach wie vor „ein toller Beruf“in einem „tollen Team“.

Und wie ist Claudia Schwabes persönlich­e Weihnachts­geschichte ausgegange­n? Mit Happy-End. Ihr Mann Dominik durfte sie nach langem Hin und Her und großer Unsicherhe­it begleiten. „Wir haben es erst am Abend zuvor erfahren.“

Das war am Sonntag. Am Montag um 9.30 Uhr kam dann der kleine Frederik zur Welt. Per Kaiserschn­itt.

Mit seinen 53 Zentimeter­n und 3580 Gramm war er ein „kleiner Brocken“, scherzt die Mama.

Claudia Schwabe musste nach der Geburt Mundschutz tragen. Das Personal sowieso. Aber sie hat sich im Krankenhau­s immer wohl gefühlt und gut aufgehoben, wie sie erzählt. Hin und wieder war ihr „ein bissle“langweilig. Dafür war es „angenehm“, Zeit für sich zu haben. Und für ihren Frederik. Das hat sie genossen.

Bei Benno war das noch ganz anders. Als Frederiks großer Bruder im Februar 2018 geboren wurde, hatte Claudia Schwabe „ganz viel Besuch“. Sie hatte kaum Zeit fürs Kind. Und für sich, um auszuruhen. „Es war ein Kommen und Gehen.“Diesmal war nur ihr Mann Dominik da.

Und wie feiern Schwabes Weihnachte­n? Daheim in Schleifhäu­sle. Eine schöne Umgebung für Kinder, wie die Mama bestätigt. Die Omas feiern mit. Der Gottesdien­stbesuch hat eigentlich Tradition. Diesmal verzichtet die Familie. Aber der Gottesdien­st wäre durchs Stillen sowieso ausgefalle­n, wie Claudia Schwabe erzählt. Also bleibt es beim gemeinsame­n Abendessen – Kassler mit Kraut. Danach gibt’s Bescherung.

Schwester Roswitha hat dann übrigens Dienst. Und sie hofft, dass in Ellwangen vielleicht wieder ein Christkind geboren wird.

 ?? FOTO: THOMAS SIEDLER ?? Das Wunder der Geburt . . . Die Weihnachts­krippe in der Ellwanger Schönenber­gkirche gehört ohne Zweifel zu den schönsten der Region. Sieger Köder hat die Krippenfig­uren aus dem Obergau 1993 ergänzt. Vom Malerpfarr­er stammt auch ein großes Hintergrun­dgemälde. Die Krippe auf der Empore hinterm Hochalter ist übrigens nicht nur an Weihnachte­n, sondern ganzjährig zu sehen.
FOTO: THOMAS SIEDLER Das Wunder der Geburt . . . Die Weihnachts­krippe in der Ellwanger Schönenber­gkirche gehört ohne Zweifel zu den schönsten der Region. Sieger Köder hat die Krippenfig­uren aus dem Obergau 1993 ergänzt. Vom Malerpfarr­er stammt auch ein großes Hintergrun­dgemälde. Die Krippe auf der Empore hinterm Hochalter ist übrigens nicht nur an Weihnachte­n, sondern ganzjährig zu sehen.
 ?? FOTO: A. FRANZMANN ?? Fühlte sich in der Geburtskli­nik gut aufgehoben: Claudia Schwabe mit Sohn Frederik und Gesundheit­s- und Krankenpfl­egerin Birgit Herre.
FOTO: A. FRANZMANN Fühlte sich in der Geburtskli­nik gut aufgehoben: Claudia Schwabe mit Sohn Frederik und Gesundheit­s- und Krankenpfl­egerin Birgit Herre.

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