Per Do-it-yourself zum wohnlichen Camper
Nicht jeder kann sich ein Wohnmobil von der Stange leisten – So baut man selbst eines aus
Corona ist für viele Branchen eine Katastrophe. Einige wenige aber, so zum Beispiel die Fahrradindustrie, haben profitiert. Auch die Campingbranche und insbesondere der Wohnmobilmarkt haben einen wahren Boom erlebt.
Nicht jeder aber verfügt über die finanziellen Möglichkeiten, selbst „nur“ein gebrauchtes Fahrzeug zu erwerben. „Und doch kann der Traum von der Freiheit auf vier Rädern in Erfüllung gehen“, sagt Constantin Hack. „DIY“, „Do it yourself“hieße das Zauberwort, das diesen Traum für verhältnismäßig wenig Geld möglich machen kann, verrät der Technikredakteur und Wohnmobilexperte des Auto Club Europa (ACE).
Am Anfang steht dabei die Suche nach einer geeigneten Basis für den Ausbau. Der Klassiker ist der klassische Bulli von VW, egal ob nun aus der Baureihe T2, T3 oder T4. „In der Tat sind diese Modelle sehr gefragt, damit aber auch sehr teuer, sodass sie für viele ausscheiden“, bestätigt Hack. Er rät, in der Suchfunktion einer der großen Automobil-Börsen keine bestimmte Marke oder kein bestimmtes Modell einzugeben, sondern das verfügbare Budget und die Fahrzeugklasse. Meistens firmiere die dann unter Transporter.
Allerdings hat die Corona-Krise allgemein zu einem deutlichen Preisanstieg geführt. „Echte Schnäppchen sind deshalb im Augenblick kaum zu finden, vielmehr werden immer wieder ziemlich grottige Fahrzeuge zu überhöhten Preisen angeboten.“Und ein hoher Preis sei auch keine Garantie, dass man dem potenziellen Käufer nicht doch ein Groschengrab andrehen wolle. „Deshalb sollte man zum Besichtigungstermin unbedingt jemand mitnehmen, der sich mit der Materie auskennt“, so der Fachmann.
Fündig werden kann man auch bei einer Zoll-Auktion, wo unter anderem ehemalige Behördenfahrzeuge versteigert werden, oder bei Firmen wie DHL: Durch Erneuerung der
Flotte gelangen nach einer gewissen Zeit Modelle in den Verkauf oder zur Versteigerung.
Modelle, die grundsätzlich als Basis infrage kommen können, sind laut Hack zum Beispiel Mercedes Sprinter, Ford Transit und der günstige Fiat Ducato. Wenn es eine Nummer kleiner sein soll, eignen sich Modelle wie VW Caddy, Renault Kangoo oder Ford Tourneo als Mikrocamper. Wer allerdings auch mal abseits befestigter Straßen unterwegs sein möchte, benötigt zwingend Allradantrieb. „Da kann dann zum Beispiel ein Unimog das passende Fahrzeug sein oder auch ein kleinerer Laster von Mercedes, wie er normalerweise bei der Bundeswehr eingesetzt wird“, sagt Hack.
Allerdings müsse man berücksichtigen, dass viele Behördenfahrzeuge häufig komplett verglast seien, was den Innenausbau schwierig bis unmöglich mache. Zudem heizen sich diese Fahrzeuge extrem auf – was bei Campingurlaub im Süden zum Problem werden kann. Klassische Lieferfahrzeuge ohne oder mit kleinen respektive wenigen Scheiben eignen sich zum Ausbau deutlich besser. Möchte man Scheiben nachträglich einbauen, finden sich diese – wenn auch nicht ganz günstig – bei vielen Campingbedarf-Anbietern.
Was den Ausbau nach eigenen Vorstellungen grundsätzlich etwas kompliziert macht: Bei TÜV und Co. existiert keine einheitliche Definition eines Wohnmobils, bemängelt Hack. Da könne es dann passieren, dass die eine Prüfstelle keine Küche verlange, während die andere sage „Wohnen ist nicht nur schlafen und sitzen, sondern dazu bedarf es auch einer Küche“.
Und auch wenn eine Küche vorhanden sei, gebe es möglicherweise wieder unterschiedliche Regelungen. „Während hier ein fester Einbau der Kochstelle gefordert wird, reicht dort möglicherweise ein mobiler Gas- oder Spirituskocher“, so der Experte.
Grundsätzlich sei es daher dringend anzuraten, vor dem Beginn des Ausbaus mit der Prüfstelle zu sprechen, bei der man später auch die Abnahme machen lassen wolle. „Ansonsten kann es ein böses Erwachen geben – dann, wenn man mir die Zulassung als Wohnmobil verweigert“, erläutert Hack. Viele der Basisfahrzeuge verfügen über einen Dieselmotor mit großem Hubraum. Das wiederum bedeutet eine hohe KfzSteuer.
„Für ein als Wohnmobil zugelassenes Fahrzeug dagegen fällt diese Steuer deutlich günstiger aus“, weiß Hack.
Der Experte warnt auch davor, an der falschen Stelle zu sparen: „Viele versuchen, ihre Vorstellungen mit möglichst simplen Mitteln umzusetzen und verzichten auf teurere Bauteile aus dem Fachhandel.“Dabei werde aber vergessen, dass ein Wohnmobil gewissen Erschütterungen ausgesetzt ist, was entsprechende Lösungen verlange. Der Kühlschrank etwa, den man zu Hause habe, gehöre auf keinen Fall in ein Wohnmobil. Schließlich kann er, je nach Stellplatz, auch schon mal in Schräglage geraten. Dafür braucht es dann ein Modell aus dem Zubehörhandel.
Hack schätzt, dass man mit einem Budget von knapp 5000 Euro für die Basis sowie 2000 Euro für den Ausbau bereits ein wohnliches Wohnmobil bekommen kann – einige Abstriche beim Komfort und eine gewisse handwerkliche Geschicklichkeit immer vorausgesetzt. „Das Gros der DIY-Bauer dürfte aber zwischen 10 000 bis 20 000 Euro in die Basis und noch einmal 5000 bis 10 000 Euro in den Ausbau investieren.“Nach oben seien keine Grenzen gesetzt. Er habe auch schon Umbauten für sechsstellige Beträge gesehen.
Wie man auf vier Rädern wohnen will, davon hat jeder andere Vorstellungen. Dem einen reiche eine Dreizimmerwohnung, der andere mache es nicht unter einer Villa, sagt Hack. „Weil zum Beispiel Toilette und Bad von keiner Prüfstelle verlangt werden, verzichtet manch einer auf die sanitären Anlagen.“
Das allerdings kann Folgen haben. „Wegen Corona waren im Sommer in Deutschland und Europa auf vielen Campingplätzen die Sanitäranlagen gesperrt, und Wohnmobilen ohne Sanitärausstattung wurde kein Einlass gewährt.“Dieses Klientel habe es im Internet schon zu fragwürdiger Berühmtheit gebracht, sagt Hack: „Als, Pardon, ich zitiere: ,Wald- und Wiesenscheißer.‘“(dpa)