„Als sie den Stern sahen, wurden sie von großer Freude erfüllt“
Trotz Corona hohe Verkaufszahlen – Klimawandel kann Nordmanntannen wenig anhaben
STUTTGART - Wenn sich an Heiligabend Familien in Deutschland am Christbaum versammeln, sitzen sie wahrscheinlich vor einer Nordmanntanne. Dabei ist diese kein heimischer Baum, sondern kommt aus dem Kaukasus. Und während der Wald unter dem Klimawandel leidet, werden allein für den deutschen Bedarf jedes Jahr an die 30 Millionen Christbäume gefällt. Bedroht der Klimawandel eine der beliebtesten Weihnachtstraditionen? Welche Alternativen gibt es? Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Wie ist der Christbaumverkauf im Corona-Jahr gelaufen?
Die meisten Deutschen wollen einen echten Christbaum. Dicht bewachsen soll er sein und bloß nicht schief. Daran hat auch die Pandemie nichts geändert. Nach Angaben des Christbaumverbands BadenWürttemberg sind die Verkaufszahlen in diesem Jahr ähnlich hoch wie im Vorjahr – trotz Verkaufsverbot etwa in Baumärkten. „Wir haben festgestellt, dass die Leute die Entscheidung einen Baum zu kaufen, in diesem Jahr relativ früh getroffen haben“, sagt Martin Rometsch, Geschäftsführer des Christbaumverbands. „Wegen der Hygienemaßnahmen war der Aufwand für die Verkäufer zwar größer, trotzdem sind die Produzenten insgesamt zufrieden mit dem Ergebnis.“In Baden-Württemberg wurden in Summe rund 2,5 Millionen Bäume verkauft, deutschlandweit waren es bis zu 30 Millionen. Mehr als drei Viertel der verkauften Christbäume sind Nordmanntannen, 15 Prozent sind Blaufichten. Rotfichten, Bergkiefern oder Douglasien gehören zu den Exoten.
Wo wachsen die Bäume?
In Baden-Württemberg werden auf etwa 2400 Hektar landwirtschaftlicher Fläche Christbäume angebaut. Damit kann ungefähr die Hälfte des heimischen Bedarfs gedeckt werden. Der Rest kommt zum Großteil aus anderen Teilen Deutschlands. Ungefähr zehn Prozent der Weihnachtsbäume werden nach Angaben des Christbaumverbands aus dem Ausland importiert, etwa aus Dänemark. „Nachgefragt wird aber vor allem der Baum vom Bauern um die Ecke“, sagt Rometsch. Dafür wirbt Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU). „Wer gezielt auf einen heimischen Baum zurückgreift, unterstützt unsere bäuerlichen Familienbetriebe im Land und schont durch die Vermeidung langer Transportwege Klima und Umwelt. Auch mit Blick auf die Frische ist ein Baum aus Baden-Württemberg der weitgereisten Importware überlegen“, sagte Hauk.
Können wir es uns überhaupt leisten, jedes Jahr so viele Bäume zu fällen, während die heimischen Wälder unter dem Klimawandel leiden?
Christoph Rullmann, Bundesgeschäftsführer der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, gibt Entwarnung. „Der Großteil der Weihnachtsbäume wächst ja nicht im Wald, sondern auf landwirtschaftlichen Flächen und hat dort keinen Einfluss auf den Wald“, erklärt er. „So gesehen ist ein Weihnachtsbaum nichts anderes als ein Kohlkopf.“Dem Wald gehe damit kein Baum verloren.
Wirkt sich der Klimawandel auf die Christbäume aus?
Anders als in den Wäldern spielt der Klimawandel für die Christbaumproduktion kaum eine Rolle. Ein Grund: Christbäume werden schon nach acht bis zehn Jahren geschlagen. „In so jungem Alter nehmen ja auch die Bäume im Wald kaum Schäden“, erklärt ein Sprecher des baden-württembergischen Forstministeriums. Außerdem halten Christbäume einiges aus. Gerade die Nordmanntanne sei sehr robust und anspruchslos, sagt der Sprecher. „Trockenheit, Borkenkäfer, Sturm – dieses komplexe Geschehen, das es in Nadelholzwäldern gibt, spielt in Weihnachtsbaumkulturen keine Rolle.“Eine Ausnahme könnte der Spätfrost sein. Der gilt auch als Folge des Klimawandels, seine Auswirkungen auf Christbäume sind jedoch nur optischer Natur: „Wenn die Bäume schon ausgetrieben haben und es dann noch mal Frost gibt, kann es einen optischen Schaden geben“, erklärt der Sprecher. „Das heißt, der Baum stirbt zwar nicht, aber es gibt vielleicht braune Spitzen oder Fehlstellungen.“
Wie umweltschädlich ist der Christbaum?
Die Zeiten, als Christbäume noch als Abfallprodukt heimischer Forstwirtschaft anfielen, sind schon seit den 1950er-Jahren vorbei. „Mehr als 80 Prozent der verkauften Gehölze stammen heute aus Weihnachtsbaumplantagen, in denen kräftig gespritzt und gedüngt wird. Eingesetzt werden Insektizide gegen Rüsselkäfer und Läuse, Herbizide gegen konkurrierendes Gewächs und Mineraldünger für einen gleichmäßigen Wuchs und eine intensive Grün- und Blaufärbung der Nadeln“, gibt Johannes Enssle, Chef des Naturschutzbundes Baden-Württemberg (Nabu), zu bedenken. Ist das Fest ohne Christbaum undenkbar, empfiehlt der Nabu deshalb unter anderem den Kauf von Bäumen aus Christbaumkulturen, die nach ökologischen Kriterien bewirtschaftet werden. Christoph Rullmann von der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald verweist auf die Herkunftssiegel: „Wichtig ist, darauf zu achten, dass der Baum keinen großen ökologischen Fußabdruck mit sich rumträgt, weil er über weite Strecken transportiert werden musste“, sagt er. „Es gibt auch Biosiegel für Weihnachtsbäume. So kann man auch Bäume erstehen, die besonders ökologisch bewirtschaftet sind.“
Sind Bäume im Topf die bessere Alternative?
Zehn bis zwölf Prozent der Christbäume werden in Deutschland im Topf gekauft. Für den Naturschutzbund sind sie eine echte Alternative. Die Bäume können über die Feiertage im Wohnzimmer stehen, anschließend kommen sie auf die Terrasse oder in den Garten. Christoph Rullmann von der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald ist jedoch skeptisch:
„Das Problem ist vor allem: Es gibt Hersteller, die roden ihre Weihnachtsbaumkulturen. Es wird also ein Baum, dessen Wurzeln eigentlich viel zu groß sind, in diesen Topf reingestopft. Dann ist die Frage, ob der Baum überhaupt angeht.“Außerdem seien die Temperaturen ein Problem. „So ein Baum im Topf darf nur ganz kurz in der Wohnung stehen. „Wenn er mal zwei Wochen im Warmen steht, denkt er natürlich, es ist Sommer und treibt aus. Wenn er dann nach draußen gepflanzt wird, kriegt er einen Schock.“
Welche Möglichkeiten gibt es noch?
Ein Baum aus Plastik nadelt nicht und nach den Feiertagen kann er, zusammen mit Kugeln und Lichterkette, für das nächste Jahr im Keller verstaut werden. Von diesen Plastikversionen rät der Nabu aber entschieden ab: „Mit Plastikmüll haben wir ja wirklich genug Sorgen“, sagt Enssle. „Muss es da auch noch ein Baum aus Plastik sein?“Meist haben die Plastikbäume einen langen Transportweg hinter sich, der Energieverbrauch bei der Produktion fällt ins Gewicht und nicht zuletzt können sie Schadstoffe freisetzen. Studien gehen davon aus, dass eine Plastiktanne zehn bis 20 Jahre genutzt werden muss, bis sie die echte Tanne in der Ökobilanz überholt. Neben der Plastiktanne gibt es inzwischen auch baumähnliche Konstrukte aus Holz oder Metall zu kaufen, an die zuerst Zweige, dann Kugeln und sonstiger Schmuck gehängt werden.
Woher kommt die Tradition des Christbaums überhaupt?
Der Brauch, einen geschmückten Nadelbaum aufzustellen ist – verglichen mit der über 2000 Jahre zurückliegenden Geburt Christi – noch recht jung. Doch selbst für Spezialisten ist die Entstehungsgeschichte dieser Tradition nicht einfach zu rekonstruieren. Gut möglich, dass der uns heute geläufige Weihnachtsbaum seinen Ursprung in der heidnischen Tradition hat. Zur Zeit der Wintersonnenwende holte man sich sogenannte Wintermaien ins Haus. Diese grünen Zweige waren ein Zeichen des Lebens, sollten Wintergeister vertreiben und versprachen Schutz und Fruchtbarkeit. Die katholische Kirche setzte sich lange gegen den Brauch zur Wehr. Erst im 20. Jahrhundert wurden Christbäume in katholischen Kirchen erlaubt. Papst Johannes Paul II. führte das Brauchtum 1982 im Vatikan ein, als der erste Christbaum auf dem Petersplatz in Rom aufgestellt wurde.
Wie sieht der Christbaum der Zukunft aus?
Einiges spricht dafür, dass viele Menschen auch in 20 oder 30 Jahren noch mit einer Nordmanntanne Weihnachten feiern werden. Denn die ist nicht nur robust und anspruchslos und damit gut zu züchten, sie ist auch wenig anfällig für Schäden durch den Klimawandel. „Die Nachfrage nach Nordmanntannen ist auf hohem Niveau konstant“, sagt Martin Rometsch vom Christbaumverband. Weil auch immer mehr regional angebaute Christbäume nachgefragt werden, prognostiziert er, dass das deutsche Angebot die Importe in Zukunft weiter zurückdrängt. Wie im gesamten Onlinehandel hat die Corona-Pandemie auch den Verkauf von Bäumen im Internet beflügelt. Der Baum wird angeliefert – auf Wunsch sogar bereits geschmückt. Das ist praktisch, aber selten regional und klimaschonend. Inzwischen kann man einen Christbaum aber auch mieten: Er wird im Topf geliefert, nach Weihnachten wieder abgeholt, eingepflanzt und kann weiterwachsen – wenn er die Feiertage überlebt hat.