Das vergessene Projekt
Warum das Land die Schrezheimer Bahnübergänge schließen will und warum es lange still um das Vorhaben war
- Die Freude in Röhlingen, Zöbingen und Eggenrot war groß, als Ende November bekannt wurde, dass das Land Umgehungsstraßen bauen wird. Bislang führt die Landesstraße 1060 mitten durch die drei Ortschaften. Und teilweise fahren hier mehr Lkw als auf der B29.
Die drei Ortsumfahrungen an der L1060 wurden wegen der hohen Verkehrsbelastung kurzfristig in den Generalverkehrsplan des Landes aufgenommen. Darin enthalten ist ein weiteres Projekt aus dem Ellwanger Raum. Die Rede ist von der L1075 zwischen Neuler und Schrezheim, einem zweiten Bauabschnitt und der Beseitigung eines Bahnübergangs.
Aber worum geht es konkret? Die „Ipf- und Jagst-Zeitung“hat nachgeforscht. Und herausgefunden, dass das Projekt viele Jahre in den Schubladen schlummerte. Außer dem Verkehrsministerium in Stuttgart scheint es niemand mehr auf dem Schirm zu haben.
Ortsvorsteher Albert Schiele kann sich noch gut erinnern, was seinerzeit diskutiert worden ist. Für den Bahnübergang Fayencestraße war vorgeschlagen worden, den Verkehr aus Richtung Neuler links am Gasthaus Lamm vorbeizuführen. Vor der Jagst sollte die Straße scharf nach rechts schwenken und unter der Bahnlinie hindurchführen. Bei der Sankt-Antonius-Kapelle käme der Verkehr dann wieder raus.
Für den Bahnübergang Jagststraße war vorgesehen, die L1075 zu verschwenken. Sie sollte vor Schrezheim im 90-Grad-Winkel rechts abknicken, die Bahnlinie über- oder unterqueren und in einem Kreisverkehr in die B290 münden – gegenüber dem Südtor der Kaserne. Die Idee, den Verkehr um Schrezheim herum zu leiten, wurde „Variante Grün“genannt.
Die Stadt bestätigt die Varianten. Auf Nachfrage der „Ipf- und JagstZeitung / Aalener Nachrichten“stellt Rathaussprecher Anselm Grupp aber klar, dass es keine aktuelle Planung seitens der Stadt gebe. Wenngleich das Thema mittelfristig wieder auf die Agenda kommen werde – auch im Hinblick auf die Konversion der benachbarten Kaserne.
Festzuhalten ist laut Grupp weiterhin, dass die Stadt bei diesem Projekt kein Baulastträger und damit auch kein Planungsträger sei. „Diese sind Land, Kreis und Bahn.“
Neu ist Grupp zufolge, dass sich nach der letzten Planungsphase im
Jahr 2008 die Finanzierungssituation geändert hat. Heißt: Nach einer Änderung des Eisenbahnkreuzungsgesetzes vom Januar 2020 wird der Kommune kein Pflichtanteil mehr zugemessen. In anderen Worten: Die Stadt geht offensichtlich davon aus, dass sie sich an dem Projekt finanziell nicht beteiligen muss.
Das Thema ist übrigens viel älter und, wie Grupp mitteilt, schon in den 1980er Jahren aufgepoppt, als eine Panzerverladerampe in der Jagstaue geplant war. „Damit sollte das ständige Durchfahren der Panzer von der Kaserne durch die Innenstadt zur damaligen Verladerampe beim Bahnhof verhindert werden. Weil die Panzertruppen aber aus Ellwangen abgezogen wurden, war diese Planung von heute auf morgen hinfällig.“
2008 kam die Diskussion neu auf. Grupp skizziert die zwei genannten
Planungsvarianten wie folgt: Die eine führte mit einer Brücke über die Jagstaue zur B290 – unter Umgehung Schrezheims –, die andere sah eine Unterführung der Bahn in der Nähe der Antonius-Kapelle vor.
Der Pressesprecher der Stadt erinnert sich: „Die Meinungen im Gemeinderat und Ortschaftsrat waren damals kontrovers. Es gab aber auch Bedenken seitens des Naturschutzes und Skepsis innerhalb der Ortschaft gegenüber der neuen innerörtlichen Verkehrsführung.“Das Land habe sich dann gegen „Variante Grün“in der Jagstaue ausgesprochen.
Doch auch der kommunalpolitische Prozess führte laut Grupp zu keiner Einigung. Am Ende gab es keine „finale Variante“, die umgesetzt werden sollte. Der Pressesprecher kündigt an, dass die Stadt ein informelles Gespräch mit den genannten
Baulastträgern führen will. „Im Moment und auf absehbare Zeit muss jedoch anderen Projekten in der Stadt Priorität eingeräumt werden.“
Übrigens: Die Stadt hat inzwischen ganz neue Pläne für die Jagstaue – und zwar für einen Radweg und nicht mehr für eine Straße. Hintergrund ist das neue Wohngebiet Ellwangen-Süd. Der technische Bereich der Kaserne samt LEA-Gelände wurde entsprechend überplant. Die Stadt will dort ein Quartier mit rund 600 Wohneinheiten für bis zu 1300 Einwohner schaffen.
Das neue Stadtviertel soll über einen Kreisel an der B290 verkehrlich erschlossen werden – auf Höhe des Südtors der Kaserne. An dem geplanten Kreisel soll ein Radweg zur Jagst abzweigen. Eine Straße über die Jagst und die Bahngleise ist in den Plänen der Stadt nicht eingezeichnet.