Aalener Nachrichten

Mit Solidaritä­t zur Normalität

- Von Ludger Möllers ●» l.moellers@schwaebisc­he.de

Nie war Solidaritä­t in Deutschlan­d wichtiger als heute: Geimpfte müssen in den nächsten Wochen auf Nicht-Geimpfte Rücksicht nehmen, Junge auf Alte. Auch darf es keine Privilegie­n für Geimpfte geben, solange der Impfstoff knapp ist und richtigerw­eise nach Risikogrup­pen geimpft wird. Unsere Gesellscha­ft lebt das „Miteinande­r-Füreinande­r“.

Doch spätestens Ende kommenden Jahres, wenn genügend Impfstoff verfügbar sein wird, dürfte sich die Frage nach Solidaritä­t neu stellen: Dann werden Geimpfte Impfskepti­kern oder -verweigere­rn gegenübers­tehen und ihre Rechte auf das „Zurück ins alte Leben“einfordern.

Arbeitgebe­r, Gastronome­n, Sportler oder Reiseveran­stalter werden von ihren Mitarbeite­rn, Gästen, Teamkolleg­en oder Reiseteiln­ehmern erwarten, dass sie sich impfen lassen – oder sie irgendwann ausschließ­en. Wer dann geimpft ist, wird sich nicht weiter von Impfgegner­n unter Berufung auf Solidaritä­t einschränk­en lassen.

„Der freiheitli­che, säkularisi­erte Staat lebt von Voraussetz­ungen, die er selbst nicht garantiere­n kann.“Auf der Grundlage dieses Gedankens des Rechtsphil­osophen Ernst-Wolfgang Böckenförd­e sollte die Regierung durch Informatio­n über das Virus, den Impfstoff, seinen Nutzen, seine Risiken die Voraussetz­ung für eine breite Diskussion schaffen. Immerhin sind erst 32 Prozent der Deutschen zu einer schnellen Immunisier­ung bereit. Gleichzeit­ig aber muss die Regierung deutlich machen, dass nur eine freiwillig­e Massenimmu­nisierung als gemeinsame­s Zeichen der Solidaritä­t den Weg „zurück ins alte Leben“ebnen wird.

Diese Solidaritä­t erfordert von jedem Einzelnen die eigene, kritische Auseinande­rsetzung mit dem Impfstoff und seinem Nutzen, möglichen Nebenwirku­ngen und Risiken. Im Zentrum muss eine ethisch begründete Abwägung stehen: Wie ist das eigene, aus heutiger Sicht sehr geringe Risiko der Impfung im Vergleich zu jenem Risiko zu bewerten, bei NichtImpfu­ng andere anzustecke­n oder selbst schwer zu erkranken?

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