Tourneeauftakt mit elf Deutschen
Pius Paschke ist 30 und Skispringer – einer, der erst mit den Jahren richtig gut wurde
(dpa) - Der Österreicher Philipp Aschenwald hat die Qualifikation zum Auftakt-Skispringen der 69. Vierschanzentournee gewonnen. Der 25-Jährige setzte sich in Oberstdorf bei sehr schwierigen Bedingungen mit starkem Schneefall vor dem Norweger Halvor Egner Granerud und dem Slowenen Cene Prevc durch. Karl Geiger, der nach einer Corona-Infektion gerade noch rechtzeitig aus der Quarantäne zurückgekehrt war, belegte als bester von elf qualifizierten Deutschen den 14. Platz; Markus Eisenbichler wurde 25.
- Pius Paschke? Pius wer?? Die Frage stellt im SkisprungWinter 2020/21 längst niemand mehr, nachdem der Mann vom WSV Kiefersfelden die sieben bisherigen Weltcup-Springen auf den Rängen zwölf, acht, 21, fünf, 14, sechs und fünf beendet hat. Zur Vierschanzentournee – seiner sechsten – kommt Pius Paschke als Sechster der aktuellen Weltcup-Hierarchie, als Team-Silbermedaillengewinner und Elfter der FlugWM in Planica – und als ziemlich pragmatischer 30-Jähriger. Die Form seines Lebens habe ihn ungewöhnlich spät ereilt? Stimmt, ist so. Deshalb jedoch lamentieren? „So hat sich das halt irgendwie bei mir entwickelt. Ich hätt’s gern anders g’habt – aber lieber jetzt, mit 30, als gar nicht.“
Die Form seines Lebens hat sich Pius Paschke erarbeitet. Über Jahre. „Stetig bissl weiterentwickelt“habe er sich, „Schritt für Schritt“, Rückschritte zumindest in den frühen Jahren inklusive. Das Weltcup-Debüt des gebürtigen Münchners ist für den 21. Dezember 2013 in Engelberg notiert, in Oberstdorf wird Pius Paschke seinen 68. Einzel-Wettbewerb im Kreis der Besten springen. Zahl und Zeitspanne deuten an, dass da Karrierephasen waren, in denen es nicht reibungslos rund lief. „Ich hab’ so meine Schwierigkeiten g’habt, als ich noch jünger war. Da war ich einfach technisch weit weg. Da war dann schon mal zwischendrin die Kluft zum Weltcup relativ groß.“Und Pius Paschke Continental-Cup-Springer. Fixe Größe zwar in der nachgeordneten Wettkampfserie, „oft auf dem Sprung“auch, „ja, schon mal im Weltcup dabei“– und „dann wieder raus“.
Leicht ist das nicht, auch Lehrgangsgruppenzugehörigkeit und Förderung sind da unter Umständen betroffen. Landeskader-Athlet war Pius Paschke etwa, als er 2017 bei den Sommer-Continental-Cups in Trondheim und Rasnov mit drei Siegen binnen neun Tagen einen zusätzlichen Weltcup-Startplatz
für den Deutschen Skiverband ersprang. Nutzen durfte er selbst ihn. Tat er – vollends etabliert im Weltcup-Team allerdings hat er sich erst vergangenen Winter. Da sprang Pius Paschke die komplette Saison durch, platzierte sich als Gesamtweltcup-21. prominent zwischen Gregor Schlierenzauer und Michael Hayböck. Und stand vor einem wegweisenden Sommer.
Corona nahm die Grands Prix auf Matte, vielleicht schärfte genau das die Sinne fürs Training zu Hause, auf den Bakken von Oberstdorf und Partenkirchen. Pius Paschke jedenfalls
„Ich tät’ mich generell als bissl ruhigeren, eher introvertierten Menschen einschätzen.“Pius Paschke
bilanzierte vor den ersten Schneesprüngen: „Ich hab’ auch in diesem Sommer gemerkt, dass noch mal was vorwärtsgegangen ist.“Nach einem „schon recht konstanten Winter auf einem ganz guten Niveau“heißt das: konstant stabiles Springen – „nur vielleicht bissl besser als letztes Jahr“.
Das „vielleicht“hat sich spätestens in Engelberg erledigt. „Pius ist es gelungen, sich von Station zu Station in den Vordergrund zu springen“, sagte Bundestrainer Stefan Horngacher, schon von Amts wegen nicht des Überschwangs verdächtig, nach Platz sechs und fünf kurz vor Weihnachten. An Erklärungen dafür fehlt es nicht. Die erste, vom Bundestrainer: „Der Pius hat alle Voraussetzungen, die ein Springer haben muss.“Die zweite, vom Athleten: „Die Abstimmung im gesamten Trainerteam funktioniert ohne Reibungsverluste, die Philosophie ist klar erkennbar, und mit dem ,Steff‘ komme ich sehr gut klar.“Die dritte: „Wir haben ein bisschen etwas umgestellt. Das hat so weit gut funktioniert.“Mehr dazu nicht. Dafür, viertens, noch was Konkretes: „Ich bin einer, der bissl mehr über den Absprung kommt, und bin dann in der Luft manchmal bissl fest. Das ist mir jetzt den Sommer über deutlich besser gelungen.“Wie, fünftens, Pius Paschke in besagtem Sommer überhaupt „wenig Ausfälle nach unten gehabt“hat. „Das ist das, was mir jetzt in die Karten spielt: Wenn ich mal Fehler hab’, dann funktioniert das Grundsystem eigentlich noch ganz gut.“
Die Gegenwart. Über Jahre erarbeitet. Pius Paschke kam dabei zupass, dass Aufgeben nicht sein Ding ist. Ungeduld auch nicht (mehr). „Das hab’ ich lernen müssen.“Severin Freunds Akribie stand da Pate, „ich kann mich auch sehr in Sachen so reinfuchsen“. Ganz frustfrei, wenn’s mal dauert bis zur Lösung. „Ich hab’ jetzt beim Skispringen eigentlich nie das Gefühl gehabt, dass es mir irgendwie zu viel wär’ oder dass ich sag’: ,Okay, jetzt reicht’s.‘ Ich hab’ immer das machen dürfen, was mir Spaß macht, aber immer versucht, besser zu werden.“
Wo das hinführen könnte, hinführen sollte, hat Stefan Horngacher seinem Sportler längst klargemacht. Ein Podestplatz, eventuell ein WeltcupSieg – „das ist das abgesprochene Ziel“, gesetzt schon im Frühjahr. „Er hat die Fähigkeiten, die Voraussetzungen – dann sollt’ er sie auch nutzen.“
Elf deutsche Skispringer haben sich bei dichtem Schneetreiben und schwierigen Windverhältnissen für das Auftaktspringen der 69. Vierschanzentournee qualifiziert. Am Dienstag (16.30 Uhr/ZDF und Eurosport) treten sie in K.o.-Duellen an. Es springen: Aalto (Platz 6 Qualifikation/Finnland) – Paschke (45), Johannsson (7/Norwegen) – Baer (44), K. Sato (12/Japan) – Roth (39), Kytosaho (12/Finnland) – Siegel (38), Geiger (14) – Foubert (37/Frankreich), Freund (17) – Wellinger (34), Freitag (18) – Zografski (33/Bulgarien), Schmid (19) – Ammann (32/Schweiz), Hörl (22/Österreich) – Hamann (29), Eisenbichler (25) – D. Prevc (26/Slowenien).