Aalener Nachrichten

Zwei Autoren halten Smalltalk

Stuckrad-Barre und Suter reden sich in „Alle sind so ernst geworden“um Kopf und Kragen

- Von Welf Grombacher

(sz) - Die Schriftste­ller Martin Suter (72) und Benjamin von Stuckrad-Barre (45) haben aus ihren Gesprächen ein Buch gemacht. In „Alle sind so ernst geworden“geht es um Mode, Essen, Geld, Ibiza, Liebe und Drogen. Die meiste Zeit labern die beiden nur so dahin, als wollten sie sich fürs Frühstücks­fernsehen empfehlen. Damit treffen die Autoren sicher den Zeitgeist. Wohlüberle­gte Texte sehen aber anders aus.

Beide haben nur eine Badehose an als sie sich im Grandhotel Heiligenda­mm an der Ostsee zum ersten Mal begegnen. Martin Suter (72) eine in Orange. Benjamin von Stuckrad-Barre (45) eine mit bunten Palmen und Flamingos drauf. Befangenhe­it? Ein „Kennenlern­handicap“? Ach, was! Wenn wir einander schon so entblößt über den Weg laufen, sagen sie sich, können wir uns auch gleich ganz nackig machen. Also verabreden sie sich zum Gespräch und reden sich um Kopf und Kragen.

Der Band „Alle sind so ernst geworden“zeigt zwei Schriftste­ller beim Smalltalk. Suter klärt auf, dass es bei Badehosen ja nicht um die Farbe, sondern „um den Sitz“gehe. Räumt ein, schon als kleiner Junge Anzug und Krawatte getragen zu haben. Echauffier­t sich, was für eine Beleidigun­g es doch wäre, wenn die Kinder „Bordo“statt „Bordeaux“schreiben würden. Und gesteht, es sei eine „Schwachste­lle“in seiner Biografie, nie LSD probiert zu haben. Trotzdem habe der Erfinder der Droge Albert Hofmann ihn für den LSD-Trip gelobt, den er in „Die dunkle Seite des Mondes“(2000) beschriebe­n hat. Beim Reden über Drogen wird Benjamin von StuckradBa­rre immer stiller, obwohl er doch eigentlich viel mehr darüber zu erzählen hätte. Es ist das einzige Mal, dass er sich vornehm zurückhält.

Einmal mehr übt sich der „ehemalige Popautor“darin, einfach loszureden und seinem „Labern hinterherz­ulauschen und es wieder einzufange­n“, wie er es selbst auf den Punkt bringt. Im Grund war das schon bei seinem „Soloalbum“(1998) so. Er spricht ohne Punkt und Komma, um die Leere zu füllen, die in ihm ist. Gibt zum Besten wie er von einem Kreuzfahrt­schiff flog, weil er nicht aufhören wollte, „heimlich“zu rauchen. Findet es toll, dass seine neue Freundin am Pool Nietzsche liest. Und will wissen, warum Suter, als er ihn in der Schweiz besuchte, Handschuhe trug, als er einen Black Cod zubereitet­e, diesen von Gourmets geschätzte­n Tiefseefis­ch, der im Nordpazifi­k in 2700 Metern Tiefe lebt. Ein bisschen Protzen, viel Belanglose­s. Es geht um Mode, Essen, Geld, Ibiza. Oft um Privates, mitunter Intimes. Zynismus und Klamauk dominieren. Irgendwie hat es den Anschein, als wollten die beiden sich fürs Frühstücks­fernsehen empfehlen.

Ob von der Hochzeit des GZSZCharak­terdarstel­lers die Rede ist, bei der den Gästen das Fotografie­ren untersagt ist, weil die Bildrechte an die Bunte verkauft wurden. Oder davon, wie Martin Suter mit der AfrobeatLe­gende Fela Kuti mal einen Joint rauchte. Promiklats­ch, der sich im

Fernsehen oder als Podcast sendet, in Buchform aber leidlich komisch ist. Aber Gesprächsb­ände sind eben gerade angesagt und treffen den Zeitgeist. Dabei zeichnet sich das geschriebe­ne Wort eigentlich dadurch aus, wohl überlegt und nicht einfach herausgequ­atscht zu werden, und vielleicht gar die (Qualitäts-)kontrolle eines Lektors passieren zu müssen. Alles andere ist Internet.

Nur einmal kurz horcht man auf, wenn der Pastorenso­hn StuckradBa­rre berichtet, wie es gewesen sei, wenn er seinen Vater im Unterhemd durch den Hausflur habe rennen sehen und ihn kurz darauf salbungsvo­ll im Talar von der Kanzel predigen hörte. Von „Traumatisi­erung“ist sogar die Rede.

Ein wenig widerlich ist auch, wie das Buch beworben wird. Von Christian Kracht, Stuckrad-Barres altem Kumpel aus dem Popliterar­ischen Quintett, bis zu Klaas Heufer-Umlauf. Man kennt sich. Aber der ehemalige Werber Suter weiß eben wie das Geschäft läuft. Anders ist der Erfolg seiner Krimis auch nicht zu erklären, die nach Achtungser­folgen wie „Small World“(1997) oder „Montecrist­o“(2015) in den vergangene­n Jahren mit der Allmen-Reihe systematis­ch auszuloten suchen, wie trivial ein Bestseller gestrickt sein darf.

Am Nullpunkt kommt das Gespräch an, wenn die beiden diskutiere­n, ob ein „Äähm“bewusst eine „Denkpause“verstopfe, „damit niemand reinspring­t“, oder nur „Silbengeko­tze“sei. Irgendwie fragt man sich das beim ganzen Buch. Stille ist etwas Schönes. Als Stuckrad-Barre und Suter versuchen, eine Minute zu schweigen, schaffen sie es gerade mal 15 Sekunden lang.

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In dem neuen Buch „Alle sind so ernst geworden“halten die Schriftste­ller Benjamin von Stuckrad-Barre (links) und Martin Suter Smalltalk. Es geht um Privates, bisweilen Intimes.
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FOTOS: MAURICE HAAS/URS JAUDAS/DIOGENES VERLAG
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