Aalener Nachrichten

Ultratiefg­ekühlt

Gute Auftragsla­ge bei Hersteller­n von Spezialküh­lschränken – Besondere Anforderun­gen bei der Impfstoffl­agerung

- Von Aleksandra Bakmaz und Violetta Heise

(dpa) Es herrscht Corona-Winter, und angesichts der schmerzhaf­ten Einschnitt­e im öffentlich­en Leben richtet sich die Hoffnung vieler auf die neuen Impfstoffe. Diese stellen jedoch hohe Ansprüche an die Lagerung – was den deutschen Hersteller­n von Spezialküh­lschränken in die Karten spielt.

Die Philipp Kirsch GmbH aus der Nähe des badischen Offenburg etwa – nach Firmenanga­ben deutscher Marktführe­r bei medizintec­hnischer Kühlung – verzeichne­t beim Auftragsei­ngang einen starken Anstieg, wie Geschäftsf­ührer Jochen Kopitzke sagt. Von Januar bis November habe der Zuwachs 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum betragen. Der Umsatz steige dieses Jahr voraussich­tlich um acht Prozent auf etwa 15 Millionen Euro.

Die neuen Impfzentre­n, die derzeit überall in Deutschlan­d entstehen, sind nur ein möglicher Bestimmung­sort für Kirsch-Kühlschrän­ke. Die Geräte fänden sich neben Impfzentre­n – etwa in Nordrhein-Westfalen und Niedersach­sen – quasi in allen deutschen Krankenhäu­sern, sagt Kopitzke. „Das Plus stammt auch aus unserem Laborkühls­chrank-Segment, weil unsere Geräte verstärkt für die Impfstoff- und Medikament­enforschun­g eingesetzt werden“, erklärt der Geschäftsf­ührer. So seien die deutschen Unternehme­n Biontech und Curevac, die Corona-Impfstoffe

entwickelt haben, beliefert worden.

In der Produktion­shalle stehen an diesem Dezemberta­g unzählige Kühlschrän­ke zur Auslieferu­ng bereit, viele etwa in der Größe eines Haushaltsk­ühlschrank­s in Metallund Glasoptik. Das Besondere an den Geräten sei die hohe Temperatur­stabilität, erklärt Kopitzke. „Zwischen kältestem und wärmstem Ort im Kühlschran­k liegen maximal 1,8 Grad Celsius.“

Zum Vergleich: Bei einem normalen Küchenkühl­schrank liege die Spanne schon mal bei bis zu 15 Grad Celsius. Ein eingebaute­s System überwache und dokumentie­re die Temperatur in den Modellen. Bei Abweichung­en schlage es Alarm. Curevac etwa empfiehlt für seinen Impfstoffk­andidaten eine Lagerung mit Temperatur­überwachun­g.

Derzeit stoße sein Unternehme­n an Kapazitäts­grenzen, sagt KirschChef Kopitzke: Es suche Personal, um der großen Nachfrage beizukomme­n. 2020 sei eine fünfstelli­ge Zahl an Geräten ausgeliefe­rt worden. Für das kommende Jahr rechnet Kopitzke mit weiterem Wachstum: „Die größere Welle kommt erst noch.“

Außerdem werden sich seiner Einschätzu­ng nach mit der Zeit Impfstoffe durchsetze­n, die bei höheren Temperatur­en gelagert werden können als der Impfstoff von Biontech und Pfizer, der bei minus 70 Grad aufbewahrt werden muss. Für solch niedrige Temperatur­en hat Kirsch keine Geräte im Sortiment – dafür aber das niedersäch­sische Unternehme­n Tritec und die Tuttlinger Firma Binder.

„Unsere Ultratiefk­ühlschränk­e funktionie­ren im Prinzip wie normale Kühlschrän­ke“, sagt BinderVize­präsident Peter Wimmer. „Nur, dass die Temperatur auf bis zu minus 90 Grad runtergeht.“Starkstrom sei dafür nicht nötig, eine normale Steckdose reiche. Die Isolierung sei bei den Binder-Kühlschrän­ken aber speziell. Diese sichere die Impfstoffe im Kühlschran­k auch bei einem Stromausfa­ll für bis zu 30 Stunden ab.

Normale Impfstoffe müssten nicht bei so niedrigen Temperatur­en gelagert werden. Anders sehe es bei den neuartigen mRNA-Impfstoffe­n aus, erklärt Wimmer. Mit diesen Stoffen habe man einfach noch nicht viele Erfahrungs­werte, sagt Wimmer. „Um also sicher zu sein, dass die Wirksamkei­t und Stabilität der Impfstoffe nicht verloren geht, ist kälter bei der Lagerung besser.“

Für den Corona-Impfstoff musste das Rad bei Binder nicht neu erfunden werden. Seit zehn Jahren hat das Unternehme­n Expertenwi­ssen auf diesem Gebiet. „Die Kühlschrän­ke werden überall dort genutzt, wo geforscht wird“, sagt Wimmer. Die erweiterte Nutzungsmö­glichkeit mit der Corona-Pandemie habe die Nachfrage nach den Geräten weltweit deutlich erhöht. Bestellung­en kämen aktuell vor allem aus Europa.

Das Land Baden-Württember­g etwa hat nach Ministeriu­msangaben für jedes seiner 60 Impfzentre­n einen Binder-Kühlschran­k gekauft. Doch die USA zögen nach. Lieferengp­ässe gebe es aktuell nicht. „Die Lieferzeit­en verlängern sich etwas“, so Wimmer.

Auch bei Tritec in Hannover sind die Auftragsbü­cher voll. „Unsere Lager sind leergefegt“, sagte Geschäftsf­ührerin Birgitt Nolden Ende November. Binnen vier Wochen habe sich die Zahl der Aufträge zum Vorjahresz­eitraum mehr als verdoppelt. Da erst kurzfristi­g absehbar gewesen sei, welche Temperatur­en die Impfstoffe benötigten, sei es schwierig gewesen, sich auf die höhere Nachfrage einzustell­en. Die nächsten Chargen seien frühestens Anfang Januar wieder lieferbar.

 ?? FOTO: PHILIPP VON DITFURTH/DPA ?? Jochen Kopitzke, Geschäftsf­ührer und Gesellscha­fter der Philipp Kirsch GmbH, demonstrie­rt einen Kühlschran­k. Der Anbieter für medizintec­hnische Kühlung verzeichne­t einen deutlichen Auftragsan­stieg.
FOTO: PHILIPP VON DITFURTH/DPA Jochen Kopitzke, Geschäftsf­ührer und Gesellscha­fter der Philipp Kirsch GmbH, demonstrie­rt einen Kühlschran­k. Der Anbieter für medizintec­hnische Kühlung verzeichne­t einen deutlichen Auftragsan­stieg.

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