Wie sich Corona auf das Leben im Kloster auswirkt
Pater Albert Knebel berichtet über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Kloster Neresheim
- Auch im Kloster Neresheim war es in diesem Jahr stiller als sonst. Die Mönche haben ihre Zurückgezogenheit noch konsequenter gelebt. Das dürfte dazu beigetragen haben, dass es auf dem Ulrichsberg keinen einzigen Corona-Fall gegeben hat, berichtet der Klosterobere, Pater Albert Knebel. Ihm hat Viktor Turad Fragen gestellt.
Seit Mitte März haben Ihre Mitbrüder und Sie sich sehr stark ins Kloster zurückgezogen. Wie haben Sie, wie hat der Konvent dieses so ganz andere Jahr erlebt?
Wir leben seit Beginn der CoronaPandemie unsere klösterliche Zurückgezogenheit, die sogenannte Klausur, noch konsequenter. Das heißt, wir lassen nur den herein, der notwendig etwas in unserem Haus zu arbeiten hat, und verlassen das Haus nur, wenn und solange es wirklich erforderlich ist. Das dürfte unter anderem dazu beigetragen haben, dass wir bisher keinen Corona-Infekt hatten. Im Februar 2020 haben wir mit Schutzmaßnahmen begonnen. Im Refektorium, dem 200 Quadratmeter großen Speisesaal, sitzt seither an jedem Tisch nur eine Person.
In den Gottesdiensten in der Klosterkirche waren Sie nur noch unter sich.
In unserer großen Abteikirche können wir beim Gottesdienst die vorgeschriebenen Abstände gut einhalten. Mit dem Beginn des ersten Lockdowns Mitte März wurden öffentliche Gottesdienste in Deutschland behördlich verboten. Wie andere klösterliche Hausgemeinschaften durften auch wir streng intern die Gottesdienste weiterhin abhalten und verstehen sie besonders als stellvertretendes Gebet für alle Menschen in Not. Abends sprechen wir ein spezielles Gebet in der Corona-Pandemie. Weil wir auch Nichtpriester als Mitglieder unserer Mönchsgemeinschaft haben, stellen unsere Gottesdienste zwar keine reine Klerusliturgie dar; dennoch sollte auch aus theologischen Gründen das stellvertretende Gebet unter Ausschluss der Gläubigen von außerhalb kein Dauerzustand sein. Die Eucharistiefeier und das Stundengebet nur im Rahmen des Konvents zu feiern, war und ist für uns vor allem an den Sonn- und Feiertagen vom Gefühl her unvollständig und sehr bedauerlich. Aber ich meine, wir müssen solche Emotionen derzeit zu2022 rückstellen und uns daran orientieren, wie wir die uns anvertrauten Menschen am besten vor einer Infektion schützen können. Ich kenne keine Bibelstelle oder kirchliche Lehraussage, die besagen würde, dass es in einem gemeinsamen Gottesdienst nicht zur Übertragung von ansteckenden Krankheiten kommen könne. Auch den Sommer über haben wir Mönche an unseren Schutzmaßnahmen festgehalten. Für mich als Oberer des Klosters war und ist Kriterium meiner Überlegungen und Entscheidungen nicht so sehr, was man schon wieder alles tun darf, sondern was der beste Infektionsschutz ist. Um mehr Hintergrundwissen über die Pandemie zu bekommen, haben wir beim gemeinsamen Essen als Tischlesung im Juni kurz nach seinem Erscheinen, das Buch der chinesischen Schriftstellerin Fang Fang gehört: Wuhan Diary: Tagebuch aus einer gesperrten Stadt.
Sie mussten in diesem Jahr zwei Mitbrüder zu Grabe tragen.
Im April und Juni ist je ein hochbetagter Mönch verstorben, beide nach medizinischer Auskunft nicht mit einem Corona-Infekt.
Haben Sie auf die Not, die die Pandemie bei manchen Menschen verursacht hat, zu reagieren versucht? Wir als Abtei Neresheim haben einem Tafelladen für Bedürftige in der näheren Umgebung mittels einer regionalen gemeinnützigen Institution zweimal finanzielle Unterstützung zukommen lassen, ebenso je einem Frauenkloster unseres Ordens in Deutschland beziehungsweise auf den Philippinen, die beide wegen Corona zeitweise keine Einnahmen mehr hatten.
Welche Einschränkungen hat es sonst gegeben, was musste abgesagt oder verschoben werden? Seit Mitte März durfte unser Knabenchor wegen des Infektionsschutzes leider keine Chorproben und Auftritte durchführen. Wegen der Rolle der Aerosole bei Infektionen müssen wir aus Verantwortung für alle Beteiligten den sichersten Weg suchen. Unser Stimmbildner aus Leipzig hat sehr kontinuierlich Stimmbildungsunterricht per Skype oder Whatsapp durchgeführt. Wie alle Chöre, die ich kenne, brauchen wir noch sehr viel Geduld, bis wir wieder gemeinsam singen können. Fast alle angemeldeten Trauungen und Taufen mussten auf 2021 oder verschoben werden. Alle Kirchenkonzerte entfielen und wurden zum Großteil auf 2021 verlegt. Von 28. September bis 6. November wurde unsere berühmte Holzhay-Orgel durch die schweizerische Orgelbaufirma, die schon 1979 die Restauration der Orgel vorgenommen hatte, gereinigt und revidiert. Das war längst überfällig und bereits 2019 vereinbart worden. Die hierfür geplante Werbeaktion um Spenden schien mir, angesichts der coronabedingten schlechten finanzieller Lage vieler Menschen und etlicher Unternehmen, nicht angebracht. Bei günstigerer wirtschaftlicher Gesamtlage würden wir für die sehr notwendige Erneuerung unserer maroden Chororgel die Öffentlichkeit um Unterstützung bitten.
Wie muss man sich als Außenstehender das Leben im Kloster in Zeiten einer Pandemie vorstellen? Es ist zurzeit im Konvent noch stiller als sonst. Ich persönlich nutze diese Zeit unter anderem zu einer mehrmonatigen theologisch-kulturellen Fortbildung, die von der Benediktinerinnenabtei Monestir Sant Benet de Montserrat mit einem internationalen Professoren-Kollegium in englischer Sprache durchgeführt wird. Vom Kloster Neresheim aus kann ich per Video-Schaltung daran teilnehmen beziehungsweise die Inhalte
nachholen. Auch habe ich wieder sehr regelmäßig Unterricht in Gesang und Kirchenmusik, wobei zwischen meinem Lehrer und mir eine zwei Meter hohe und drei Meter breite Wand aus dicker Klarsichtfolie steht.
Wie hat sich die Feier des Weihnachtsfestes im Kloster von den Festen der früheren Jahre unterschieden?
Im Rahmen der behördlichen und bischöflichen Anordnungen haben wir an Weihnachten zwei Gottesdienste öffentlich gehalten: am 24. Dezember die Christmette, wegen der Ausgangsbeschränkung bereits um 18 Uhr statt wie bisher um 24 Uhr, und am 25. Dezember die Messe am Weihnachtstag. Es hatten sich 41 beziehungsweise 15 Teilnehmer telefonisch angemeldet. Alle anderen Weihnachtsgottesdienste hielten wir innerhalb der Mönchsgemeinschaft.
Es gab und gibt von Ihrer Seite das Angebot der schriftlichen Seelsorge. Wie ist dieses angenommen worden und können Sie uns gegebenenfalls berichten, mit welchen Anliegen sich Menschen an Sie gewandt haben?
Da die Beichte im Beichtstuhl wegen der räumlichen Enge nach wie vor untersagt ist und unsere Sprechzimmer nicht sehr groß sind, bieten wir seit Mitte März täglich Telefonseelsorge und schriftliche Seelsorge an. Auf beiden Wegen ist von der Kirche eine sakramentale Beichte nicht gestattet. Aber es kann schon erleichternd sein, sich aussprechen zu können. Diese Formen der Seelsorge unterliegen ebenfalls dem Beichtgeheimnis, also der strengen Schweigepflicht. Deshalb kann und will ich dazu nichts weiter sagen.
Ihr Ordensgründer, der Heilige Benedikt, schreibt in den Ordensregeln: „Alle Gäste, die kommen, sollen wie Christus aufgenommen werden, denn er wird sagen: ’Ich war fremd, und ihr habt mich aufgenommen’“. In diesem Jahr konnten Sie sich nicht gastfreundlich zeigen. Wie sehr schmerzt Sie das? In der Regel des heiligen Benedikt steht eben auch der Satz, dass man den Kranken besonders dienen muss, weil man in ihnen Christus dient. Das hat für uns in der CoronaPandemie deutlichen Vorrang. Ich denke, die Vergleiche mit Christus sollten auch nicht überhöht werden.
Sie dienen der Motivation, dürfen aber nicht zur Ideologie werden. Der heilige Benedikt spricht in seiner Regel immer wieder davon, dass im Kloster alles aus vernünftiger Überlegung und vorausschauend geordnet sein muss. Weitaus die meisten Gäste hier im Kloster Neresheim fanden auch in einem normalen Jahr sehr gute Aufnahme im Tagungshaus, also im Klosterhospiz und im Martin-Knoller-Haus. Die Hausleitung hatte in der Pandemie schlüssige Hygienekonzepte entwickelt. Dennoch sind deutlich weniger Gäste gekommen. Wegen des coronabedingten unverschuldeten totalen beziehungsweise weitgehenden Verdienstausfalls dieses Pachtbetriebes haben wir als Verpächter zweimal für je zwei Monate auf die Hälfte der Pachteinnahme verzichtet. Im Konventgebäude nehmen wir einzelne männliche Gäste auf, die Stille und mehr Nähe zur Mönchsgemeinschaft suchen. Weil diese Gäste ohne großen Abstand an unseren Gottesdiensten teilnehmen und gemeinsam mit uns essen, mussten wir diese Gästeaufnahme wegen der Corona-Pandemie auf unbestimmte Zeit aussetzen. Das ist bedauerlich, aber unausweichlich.
Es besteht die Hoffnung, dass schon bald gegen Corona geimpft werden kann. Sie und Ihre Mitbrüder gehören zur Risikogruppe. Werden Sie also aller Voraussicht nach auch bald geimpft werden? Meine Mitbrüder werden persönlich mit ihrer Ärztin beziehungsweise ihrem Arzt über die Corona-Impfung sprechen. Wir gehören vier Altersgruppen an, werden uns also teilweise sehr gedulden müssen. Ich selber lasse mir seit vielen Jahren jeden Herbst die Grippeschutzimpfung geben und möchte mich, sobald meine Altersgruppe an der Reihe ist, auch gegen das Corona-Virus impfen lassen.
Was ist Ihr und des Konvents größter Wunsch, wenn im kommenden Jahr die coronabedingten Einschränkungen fallen sollten?
Vor allem hoffe ich, dass möglichst viele Menschen überall in der Welt – hier in meinem Verantwortungsbereich meine Mitmönche und die Menschen, die sich unserem Kloster verbunden wissen - die Corona-Naturkatastrophe einigermaßen unbeschadet überleben und Hilfen finden für einen Weg in eine wahrscheinlich veränderte neue Normalität.