Unsinnig und gefährlich
Die Forderung ist deutlich: Es müsse mehr Impfstoff geben – der Staat sollte den Hersteller Biontech zwingen, das Rezept und die Rechte zu seiner Nutzung an andere Anbieter herauszugeben. Diese könnten die Substanz parallel herstellen. Diese Idee ist aber unsinnig und gefährlich.
Die erzwungene Rechteübertragung ist von HIV-Medikamenten bekannt. Erst die Vergabe von Lizenzen an preiswerte Massenproduzenten hat die Versorgung Afrikas ermöglicht. Das war sinnvoll. Doch in der Corona-Pandemie liegt der Fall völlig anders: Der Unterschied liegt in der Zeit, die bis zum Produktionsstart zur Verfügung steht. Die Generika-Hersteller hatten selbst im Fall der gut etablierten HIVBlocker monate- und jahrelang Zeit, sich mit den Wirkstoffen vertraut zu machen und neue Anlagen einzurichten. Die HIV-Epidemie flaut langsam ab. Es kam bei HIV nicht auf ein halbes Jahr mehr oder weniger an.
Im Falle der Corona-Pandemie ist die Ungeduld nun groß, jeder Tag zählt. Doch jeder andere Hersteller, der jetzt eine Lizenz von Biontech erhält, bräuchte mindestens ein Dreivierteljahr, um die Produktion vorzubereiten. Die Herstellung der neuartigen Impfungen hat nur wenig mit traditioneller Arzneimittelproduktion zu tun. Ab Sommer kommen ohnehin weitere Impfstoffe auf den Markt – fast alle Pharmahersteller sind an dem Rennen beteiligt.
Es spricht ethisch nichts dagegen, wenn der Staat eine PharmaFirma zwingt, Exklusivrechte aufzugeben, um Menschenleben zu retten. Im Fall des Corona-Impfstoffs würde es jedoch nicht das Geringste nützen. Der Schaden dieses Eingriffs für die Wirtschaft wäre immens. Die Botschaft an forschende Unternehmen lautet: Der finanzielle Aufwand und das hohe Risiko lohnen letztlich nicht. Der größte Ansporn etwas Neues zu schaffen, ist das Copyright. Es sollte heilig sein.