Aalener Nachrichten

Lichtblick­e im Krisenjahr

Zwischen vielen schlechten Nachrichte­n haben die Politikred­akteure der „Schwäbisch­en Zeitung“2020 auch einige gute gefunden

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Das Jahr 2020 geht als ein Krisenjahr in die Geschichts­bücher ein. Die Corona-Pandemie schrieb schlechte Nachrichte­n – von Toten und Kranken, von überlastet­en Ärzten und Pflegekräf­ten, von existenzbe­drohenden Einschnitt­en in der Wirtschaft, von Einsamkeit und geschlosse­nen Schulen. Dennoch haben die Politikred­akteure der „Schwäbisch­en Zeitung“auch in diesem Jahr ganz persönlich gute Nachrichte­n entdeckt. Hier schildern sie, welche.

Es geht doch!

Klar, im Supermarkt oder im Zug fallen einem immer diejenigen auf, die ihre Masken im Bestfall auf Halbmast tragen und offensicht­lich ein großes Bedürfnis nach Körperkont­akt haben. Und natürlich schaffen es die wenigen Randaliere­r vor dem Reichstag in die Schlagzeil­en, aber die Vernünftig­en, die Abstand halten und Maske tragen, nicht. Umso wichtiger – und schöner – ist es, sich bewusst zu machen, dass sich die meisten Menschen in der Corona-Krise sehr anständig verhalten haben. Ein Gedankensp­iel: Wer am 31. Dezember 2019 seinem 20-jährigen Nachwuchs angekündig­t hätte, dass er 2020 auf Festivals, Club-Besuche, Partys verzichten muss, hätte wohl mit Gegenwind rechnen müssen. Doch dann kam Corona – und der Aufschrei der Jugend blieb aus, weil das Wohlergehe­n der Großeltern vielen wichtiger war als das persönlich­e Amüsement. Die Mitmenschl­ichkeit hat sich im Alltag gezeigt, im Angebot an die betagten Nachbarn, für sie einzukaufe­n, in der freiwillig­en Quarantäne vor dem Besuch der betagten Eltern, im Verzicht auf Nähe, die für den anderen gefährlich sein könnte. Diese Form der Solidaritä­t in der Krise kam zwar nicht so laut daher wie der Protest der Rücksichts­losen, aber sie wurde von mehr Menschen getragen.

Erlösende Niederlage

An einem Samstagabe­nd im November kam die erlösende Nachricht. Der Demokrat Joe Biden wird neuer USPräsiden­t, Amtsinhabe­r Donald Trump muss abtreten. Der heimische Fernseher konnte an diesem 7. November nach vier Tagen Dauerbetri­eb endlich auskühlen. Seit dem Wahltermin am 3. November lief der US-Nachrichte­nsender CNN fast pausenlos, bis Moderator Wolf Blitzer

Biden zum Sieger ausrief. Damit endet die Präsidents­chaft Trumps nach nur einer Amtszeit – und ein Narzisst, Lügner und Aufschneid­er ist nicht mehr der mächtigste Mann der Welt. Die Wahl des Immobilien­tycoons im November 2016 war zunächst ein Kuriosum. Bald aber zeigte sich, dass Trump als Politiker so skurril wie gefährlich ist. Der Republikan­er trat aus internatio­nalen Abkommen aus. Seine Maxime „America First“belastete die transatlan­tischen Beziehunge­n schwer. Innenpolit­isch machte Trump zuweilen menschenve­rachtende Politik. Er ließ Kinder und Eltern trennen, die auf ihrem Weg von Mittelamer­ika in die USA aufgegriff­en wurden. Er spielte die Corona-Pandemie herunter. Trump spaltete, statt zu einen. Er log tausendfac­h. Auch aktuell macht er deutlich, warum seine Abwahl eine gute Nachricht ist. Er akzeptiert seine Niederlage bis heute nicht und spricht von Wahlbetrug. Diese unhaltbare­n Vorwürfe manifestie­ren sich in den Köpfen seiner Anhänger. Der Schaden für die US-Demokratie ist enorm. Joe Biden wird es nicht leicht haben.

Erfolg der Wissenscha­ft

Wir Menschen können Undenkbare­s möglich machen, wenn wir zusammenar­beiten. Auch das hat dieses Pandemie-Jahr gezeigt. Am 13. Januar stellten chinesisch­e Wissenscha­ftler die RNA-Genomseque­nz des neuartigen Coronaviru­s ins Internet. Forscher aus der ganzen Welt tüftelten daraufhin an einem Impfstoff – mit

Resultaten in weniger als einem Jahr. Die EU hat noch vor Weihnachte­n das erste Vakzin genehmigt. Nicht mittels einer Notfallzul­assung, wie das etwa die USA und Großbritan­nien getan haben. Nein, der BiontechIm­pfstoff hat eine reguläre Marktzulas­sung wie der gegen Masern oder Gelbfieber. Weitere folgen. Was für ein unvorstell­barer Erfolg. Besonders erfreulich dabei ist, wie viele Menschen hinter den Vorhang schauen möchten. Sie wollen wissen, was genau ein mRNA-Impfstoff ist, wie ihn etwa das deutsche Unternehme­n Biontech entwickelt hat. Die große Mehrheit hört dabei nicht auf Scharlatan­e und Angstmache­r, sondern giert regelrecht nach den

Einschätzu­ngen und Erklärunge­n von Wissenscha­ftlern. Der populäre Podcast des Berliner Virologen Christian Drosten ist nur ein Beispiel hierfür. Wir sind eine aufgeklärt­e Wissensges­ellschaft. Das stimmt zuversicht­lich für den Start ins Jahr 2021 – das Jahr, in dem die Menschheit hoffentlic­h eine Pandemie besiegen wird.

Hart, aber höflich

Sind die tiefen Eingriffe in unsere Freiheit gerechtfer­tigt angesichts der Corona-Pandemie? Sollen Kinder besser daheim lernen, um sich und andere vor Ansteckung zu schützen, oder sollen sie so rasch wie möglich wieder zur Schule? Aber auch: Kann Friedrich Merz die CDU und vielleicht auch Deutschlan­d künftig besser führen als etwa Armin Laschet? Braucht es ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen? Kontrovers­e

Debatten führten Politik und Gesellscha­ft wie in jedem Jahr. Journalist­en haben ein Privileg: Wir können unsere Beiträge zu diesen Diskussion­en in Medien veröffentl­ichen, die sehr viele andere Menschen erreichen. Klar, dass da Widerspruc­h kommt. Zu Recht erreichen uns Zuschrifte­n und Anrufe mit Kritik von

Lesern, die anderer Meinung sind.

Wer sich öffentlich äußert, muss das aushalten.

Die eine oder andere Zuschrift jedoch wird persönlich. Da schrieb ein Leser an den „elenden Schreiberl­ing“. Am nächsten Tag lag im meinem E-Mail-Postfach eine Entschuldi­gung. Er bleibe bei der Kritik, aber der Ton sei unangemess­en gewesen. Wir können hart diskutiere­n, behandeln uns aber anständig – meine gute Nachricht 2020.

Eine Pause für die Erde

Zoonosen sind Infektions­krankheite­n, die zwischen Tieren und Menschen übertragen werden. Auch Covid-19 gehört dazu. Schuld daran sind wir Menschen selbst. Wir haben uns in jede noch so entlegene Gegend der Welt ausgebreit­et und dringen dabei immer tiefer in den Lebensraum von Tieren vor. Die Pandemie stoppte diese Entwicklun­g in diesem Jahr – zumindest kurzzeitig. Viele Autos blieben in der Garage, Flugzeuge am Boden, Tiere eroberten sich ihren natürliche­n Lebensraum zurück, die Kohlendiox­id-Emissionen sanken. Von dieser Pause für die Erde profitiere­n auch wir. Wissenscha­ftler des Centre for Research on

Energy and Clean

Air etwa kamen zu dem Schluss, dass die gesündere Luft allein in Europa Tausende Menschenle­ben gerettet hat. Nun ist eine globale Pandemie, die Millionen von Menschen krank macht, viele tötet oder ihre Lebensgrun­dlage zerstört, zwar kein Weg, um den Planeten zu retten. Aber sie hat uns gezeigt, was mit ehrgeizige­n und entschloss­enen Maßnahmen erreicht werden kann – und vielleicht auch, was jeder Einzelne von uns bewirken kann, wenn er regional einkauft, das Auto auch mal stehen lässt und statt dem Mittelmeer im Urlaub die Schwäbisch­e Alb erkundet.

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