Wahlkampf im Klassenzimmer
Wer in den vergangenen Tagen mit Eltern darüber gesprochen hat, wie ihr Corona-Jahr denn so gelaufen ist, hat vor allem eine Antwort erhalten. Von all den anstrengenden und frustrierenden Phasen war die Zeit der geschlossenen Schulen am anstrengendsten und am frustrierendsten. Manches deutet darauf hin, dass das neue Corona-Jahr gleich mit einer neuen Homeschooling-Phase starten wird. Es häufen sich jedenfalls die Forderungen, den generellen Shutdown zu verlängern. Schließlich seien die Infektionszahlen weiterhin hoch und die Krankenhäuser nahe an ihrer Belastungsgrenze.
Dass in dieser Lage die Schulen wieder aufmachen werden, scheint nur sehr schwer vorstellbar. Zumal die Erkenntnisse auseinandergehen in der Frage, ob Kinder ebenso ansteckend sind wie Erwachsene oder nicht. Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann ist offenbar gewillt, den logischen Widerspruch – Wirtschaft zu/Schulen offen – hinzunehmen. Die CDU-Politikerin hat dabei gewiss auch die Folgen im Sinn, die ein langer Unterrichtsausfall für die Kinder bedeutet. Schon jetzt ist klar, dass der fehlende Stoff des vergangenen Jahres kaum mehr aufgeholt werden kann.
Doch bislang steht Eisenmann mit ihrer Forderung nach einer schnellen Öffnung der Schulen weitgehend alleine da. Sie wird aber vom Kandidaten für den CDU-Parteivorsitz, Friedrich Merz, unterstützt. Lässt den Wirtschaftsexperten Merz der oben genannte Widerspruch kalt? Schwer zu sagen. Um neuer Chef zu werden, ist Merz jedenfalls auf die Stimmen des Landesverbandes Baden-Württemberg angewiesen.
Auch bei Eisenmann dürfte im Jahr der Landtagswahl nicht alleine das Wohl der Schulkinder eine Rolle spielen. In einer neuen Phase des Homeschoolings zeigte sich nämlich, ob sie das Land ausreichend vorbereitet hat. Davon hängt sehr viel ab, nicht nur im Land. Kommt es wieder zum Chaos wie im Frühjahr, dürfte die Bereitschaft deutlich sinken, der Regierung weiterhin so geduldig auf dem Corona-Kurs zu folgen. Einmal kann etwas völlig schiefgehen, das versteht und akzeptiert jeder – ein zweites Mal aber nicht.