Biontech liefert der EU mehr Impfstoff
Kritik am Start der Kampagne – Unternehmenschef Sahin wundert sich über Brüssel
(dpa/AFP) - In Deutschland sind nach Angaben des RobertKoch-Instituts inzwischen mehr als 165 000 Menschen gegen eine Infektion mit dem Coronavirus geimpft worden. Doch weiterhin gibt es Kritik am Start der Impfkamapgne, da die Hotlines überlastet sind und nicht genügend Impfstoff für alle zur Verfügung steht. Die Bundesregierung verteidigte sich am Freitag auf Twitter und erklärte, dass sie bis Anfang Februar noch 2,68 Millionen Dosen des Impfstoffs der Mainzer
Firma Biontech erwarte. Die nächste Lieferung an die Länder sei weiterhin für den 8. Januar geplant. Im Verlauf des Monats könnte zudem weiterer Impfstoff des Herstellers Moderna dazukommen. Das Gesundheitsministerium rechnet damit, dass dieser am 6. Januar zugelassen wird. Noch im ersten Quartal seien weitere Zulassungen denkbar.
Biontech kündigte derweil an, mehr Impfstoff als geplant an die Europäische Union zu liefern. Das Unternehmen befinde sich „in fortgeschrittenen Diskussionen, ob und wie wir weitere Impfstoffdosen aus Europa für Europa in diesem Jahr zur Verfügung stellen können“, sagte Unternehmenschef Ugur Sahin am Freitag. Zuvor hatte er im „Spiegel“Kritik an der EU-Einkaufsstrategie geübt: „Es gab die Annahme, dass noch viele andere Firmen mit Impfstoffen kommen. Offenbar herrschte der Eindruck: Wir kriegen genug, es wird alles nicht so schlimm, und wir haben das unter Kontrolle. Mich hat das gewundert.“
AVIV/BERLIN (dpa/AFP) - Im Kampf gegen die weltweite CoronaPandemie spielen Impfungen eine wichtige Rolle. Doch während in Israel bereits eine Million Menschen geimpft wurden, scheinen die Länder in Europa langsamer voranzukommen. Fragen und Antworten zum Stand der Dinge.
Wie kommt die Impfaktion in Deutschland voran?
Bundesweit wurden bis Freitagmittag nach Angaben des Robert KochInstituts gut 165 000 Menschen mit dem Biontech-Impfstoff geimpft, darunter 71 590 Bewohner von Pflegeheimen. Allerdings hinken die Meldungen an das RKI der Zahl realer Impfungen teils hinterher.
Woran entzündet sich die Kritik hierzulande?
Die SPD-Fraktion drängt Gesundheitsminister Spahn, sich stärker für mehr Impfstoff einzusetzen. Ein Gipfel mit allen in Deutschland produzierenden Pharmaunternehmen müsse klären, „welche Produktionsstätten bestehen und kurzfristig nutzbar gemacht werden können“, sagte der Parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider. Spahn müsse „das Chaos um die Lieferung und Verteilung des Impfstoffes“schnell beenden. „Wir haben in Deutschland auch durch die staatliche Unterstützung einen Impfstoff gegen das Virus entwickelt. Es ist nicht akzeptabel, dass dieser Impfstoff nach dem Impfbeginn nicht mal in der angekündigten Menge zur Verfügung steht.“Das Gesundheitsministerium bekräftigte jedoch auf Twitter, dass bis Anfang Februar 2,68 Millionen Dosen des BiontechImpfstoffs erwartet würden. Die nächste Lieferung an die Länder sei weiter für den 8. Januar geplant. Inklusive der Lieferungen aus dem alten Jahr wären es dann insgesamt 3,98 Millionen Dosen, so viel wie auch bisher schon angekündigt.
Kann Biontech einfach mehr Impfstoff produzieren?
Das Mainzer Unternehmen Biontech arbeitet nach eigenen Angaben unter Hochdruck am Aufbau neuer Produktionskapazitäten für den Corona-Impfstoff. „Momentan sieht es nicht rosig aus, es entsteht ein Loch, weil weitere zugelassene Impfstoffe fehlen und wir mit unserem Impfstoff diese Lücke füllen müssen“, sagte Biontech-Chef Ugur Sahin dem „Spiegel“, wie das Magazin am Freitag mitteilte. Deutschland werde aber „genug Impfstoff bekommen“. Der Mangel an Impfstoff hänge auch mit der Einkaufspolitik der EU zusammen, erklärte Sahin. Die Idee der EU und anderer Regierungen, sich einen Korb aus verschiedenen Anbietern zusammenzustellen, sei eigentlich durchaus sinnvoll, erklärte Biontech-Chefmedizinerin Özlem Türeci. „Irgendwann stellte sich aber heraus: Viele können gar nicht zeitig liefern. Dann war es erst mal zu spät, woanders umfänglich nachzuordern.“Die USA hatten sich laut „Spiegel“im Juli 600 Millionen Dosen von Biontech gesichert, doppelt so viele wie die EU, die erst im November den Auftrag vergab. Die Produktion nun kurzfristig zu erhöhen sei „alles andere als trivial“: „Es ist ja nicht so, als stünden überall in der Welt spezialisierte Fabriken ungenutzt herum, die von heute auf morgen Impfstoff in der nötigen Qualität herstellen könnten.“
Wie kommen andere europäische Länder voran?
Großbritannien ist Vorreiter bei der Impfung gegen das Coronavirus. Dort haben bis Sonntag 944 539 Bürger eine erste Dosis des Impfstoffs des Mainzer Unternehmens Biontech und seines US-Partners Pfizer erhalten, wie die Regierung in London mitteilte. Als erstes westliches Land hatte das Land Anfang Dezember eine Notfallzulassung für das Präparat erteilt. Am Mittwoch erhielt auch der Impfstoff des britischschwedischen Pharmakonzerns AstraZeneca die Zulassung in Großbritannien.
Wo läuft es weniger gut?
Frankreich beschleunigt derweil seine Impfkampagne derzeit. Mitarbeiter im Gesundheitswesen, die älTEL ter als 50 Jahre sind, können sich ab Montag impfen lassen, wie Gesundheitsminister Olivier Véran am Donnerstag ankündigte. Damit wird diese Altersgruppe früher als bislang geplant geimpft. Politiker und Ärzte hatten zuvor den langsamen Start der Impfkampagne kritisiert. Seit Sonntag wurden in Frankreich weniger als 200 Menschen gegen Corona geimpft. In den Niederlanden herrscht Chaos. Auch am Neujahrstag war nicht deutlich, wer, wann und wo geimpft werden soll. Seit Weihnachten liefert der Hersteller Pfizer, und inzwischen liegen rund 175 000 Impfdosen in einer Lagerhalle in Oss im Südosten des Landes bereit. Doch erst am 8. Januar sollen die ersten Menschen geimpft werden. Am 18. Januar geht es dann nach der Planung richtig los – gut drei Wochen später als der Rest Europas.
Wo gibt es die meisten Impfungen?
Mit einer Million ist die Zahl der bislang in Israel gegen Corona Geimpften bereits mehr als doppelt so hoch wie die Zahl der Menschen, die sich seit Beginn der Pandemie infiziert haben (mehr als 428 000). Allein am Donnerstag wurden rund 153 400 Menschen geimpft. Schon seit 19. Dezember läuft in Israel eine massive Impfkampagne. Auf anfängliche Skepsis vieler folgte ein enormer Ansturm auf die Impfstationen. In keinem anderen Land wird nach Informationen von Oxford-Forschern so schnell gegen Corona geimpft wie in Israel. Mehr als zehn Prozent der Bevölkerung, darunter mehr als 40 Prozent der über 60-Jährigen, haben bereits die erste Impfdosis erhalten.
Wie kommt das?
Millionen Impfdosen sind nach Medienberichten schon im Land – die genaue Zahl wird geheim gehalten. Nach Medienberichten zahlt Israel für den Biontech-Pfizer-Impfstoff einen 40 Prozent höheren Preis als die USA, gegenüber Europa sei die Differenz sogar noch größer. Demnach zahlt Israel umgerechnet fast 23 Euro für eine Dosis, nach einer versehentlich von der belgischen Finanzstaatssekretärin Eva De Bleeker veröffentlichten Liste kostet eine Dosis in Europa nur 12 Euro.
Israel will seine Risikogruppen so schnell wie möglich impfen, um dann Corona-Einschränkungen zu lockern und die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Zweimal Geimpfte sollen schon von Mitte Januar an einen „grünen Pass“erhalten, der ihnen verschiedene Freiheiten gewährt. Wie etwa die Befreiung von der Quarantänepflicht für Staatsbürger bei der Einreise nach Israel oder bei Kontakt mit einem Corona-Infizierten.