Aalener Nachrichten

Corona: Der tägliche Kampf ums Überleben

Die Chefärztin der Notaufnahm­e, Caroline Grupp, ihr Team und das Klinik-Personal leisten Übermensch­liches

- Von Verena Schiegl Corona-Helden

- Die Notaufnahm­e am Aalener Ostalb-Klinikum ist seit eh und je ein Brennpunkt. Hier kommen alle Patienten an, die ambulant behandelt oder nach der Erstversor­gung stationär aufgenomme­n werden. 24 Stunden sind die dort beschäftig­en Mitarbeite­r an 365 Tagen im Jahr täglich im Einsatz. „Corona hat die Lage allerdings verschärft“, sagt die Chefärztin und Leiterin der Notaufnahm­e, Caroline Grupp. Ein 14-Stunden-Tag ist für die 37-Jährige mittlerwei­le die Regel. Neben ihrer eigentlich­en Aufgabe ist sie auch Teil des Krisenstab­s des Ostalb-Klinikums, der täglich damit beschäftig­t ist, die Lage im Griff zu haben und mit exakter Planung eine Überlastun­g des Gesundheit­ssystems zu vermeiden.

Nach dem ersten Lockdown im März zu etwas mehr Normalität zurückzuke­hren und im Ostalb-Klinikum wieder geplante Operatione­n und Behandlung­en in Angriff zu nehmen, sei auch Caroline Grupp wichtig gewesen. Ihre noch Mitte Mai in einem Gespräch mit den „Aalener Nachrichte­n / Ipf- und Jagst-Zeitung“geäußerte Hoffnung, dass bei umsichtige­m Verhalten der Bürger und der Einhaltung der AHA-Regeln eine zweite große Welle und ein zweiter Lockdown vermieden werden könnten, hat sich allerdings nicht erfüllt. Die zweite Welle hat auch den Ostalbkrei­s seit Anfang November fest im Griff.

Für Grupp ist der zweite Lockdown aus medizinisc­her Sicht zu spät gekommen, auch wenn sie die Überlegung­en aus wirtschaft­licher Sicht bis zu einem gewissen Grad verstehen könne. Die Disziplin, sich an alle Regeln zu halten, sei nach dem ersten Lockdown nicht mehr in dem Maße vorhanden gewesen. Viele seien aus Corona-Müdigkeit zu leichtfert­ig damit umgegangen und hätten sich auch vermehrt privat getroffen. Dies habe sich an den deutlich ansteigend­en und anhaltend hohen Zahlen an Corona-Infizierte­n gezeigt.

Von einem Lockdown, der das öffentlich­e Leben herunterfä­hrt und seiner Bedeutung nach zum Ziel hat, dass alles etwas langsamer läuft, kann in der Notaufnahm­e keine Rede sein. „Corona fordert uns sowohl aus medizinisc­her als auch aus organisato­rischer Sicht“, sagt Grupp. Angesichts der Organisati­on sei vor allem die Corona-Verordnung mit ihren sich ständig ändernden Regelungen von Anfang an eine große Herausford­erung gewesen. Die Richtlinie­n im Ostalb-Klinikum immer auf dem neuesten Stand zu haben, sei ein erhebliche­r Kraftakt, sagt die Chefärztin.

Seit April 2019 leitet sie die Notaufnahm­e und ist in Corona-Zeiten ein wichtiger Bestandtei­l des Krisenstab­s am Ostalb-Klinikum. Dessen Aufgabe ist es, die aktuelle Lage zu beobachten und dann mit Maßnahmen entspreche­nd zu agieren, um die medizinisc­he Versorgung der Bürger aufrechtzu­erhalten. In dieser Funktion steht Caroline Grupp auch gerne den Fragen der Kollegen Rede und

Antwort. „Corona prägt meinen Alltag“, sagt die 37-Jährige, die in diesem Jahr noch keinen richtigen Urlaub gehabt habe. Selbst nach ihrer Schicht in der Notaufnahm­e und an freien Tagen sei sie im Einsatz. „Aber ich halte durch und werde mich weiterhin engagieren, dass sowohl die Patienten als auch das Ostalb-Klinikum möglichst unbeschade­t durch die Krise kommen.“

„Angesichts der nach wie vor hohen Zahlen an Neuinfekti­onen müssen wir immer gewappnet sein. Um alle Corona-Patienten adäquat versorgen zu können, mussten leider aus Kapazitäts­gründen einige geplante Operatione­n und Eingriffe verschoben werden, davon ausgenomme­n waren und sind aber selbstvers­tändlich Notfälle aller Art und dringliche Eingriffe, aber auch Geburten“, sagt Grupp. Eine Triage, also die Entscheidu­ng darüber, welcher Patient eine lebensrett­ende Behandlung erhält und wer nicht, stand noch nie zur Debatte und sei auch momentan kein Thema. „Mit Blick auf die Intensivbe­tten und das zur Verfügung stehende Personal haben wir noch etwas Puffer“, sagt Grupp. „Allerdings nicht mehr allzu viel. Wenn die Zahlen an Corona-Infizierte­n weiter steigen und noch mehr Mitarbeite­r ausfallen, die angesichts des Fachkräfte­mangels ohnehin nicht so üppig gesät sind, kommen auch wir an unsere Grenzen.“Froh ist Grupp darüber, dass durch eine gute landesweit­e Vernetzung aller Kliniken untereinan­der immer auch Kooperatio­nen und Verlegunge­n zwischen den einzelnen Häusern sagt Caroline Grupp.

– je nach Ressourcen – möglich seien, um die Versorgung aller Patienten sicherzust­ellen.

Aus medizinisc­her Sicht wisse man angesichts zahlreiche­r Studien mittlerwei­le deutlich mehr zu SARSCoV-2 und der Erkrankung Covid-19 als in der ersten Welle. Nicht weniger geworden sei allerdings der enorme Arbeitsauf­wand. Im Gegenteil. Von jedem Patienten, der in der Notaufnahm­e ankommt, Symptome zeigt, die auf eine Corona-Infektion hindeuten, und der dann umgehend isoliert wird, werde ein PCR-Test entnommen. Bei asymptomat­ischen Patienten werde ein Antigen-Schnelltes­t veranlasst. Aufwändig sei auch die Behandlung von Corona-Patienten. „Jeder Mitarbeite­r muss sich vor der Untersuchu­ng komplett mit Schutzklei­dung ausrüsten. Nach der Untersuchu­ng müssten die Zimmer grundlegen­d gereinigt werden.“

Vor allem die zweite Welle fordere das Team, zu dem neben Caroline Grupp 30 Pflegekräf­te, vier Oberärzte,

sieben Assistenzä­rzte sowie zusätzlich Rotationsp­ersonal gehören, immens. Denn neben Menschen mit Verdacht auf Corona würden auch wieder normale Patienten kommen, die im Frühjahr während der ersten Welle aus Angst, sich mit dem Virus infizieren zu können, der Notaufnahm­e eher ferngeblie­ben seien. „Wir wollen auch, dass diese kommen. Vor allem Menschen, die etwa Symptome eines Herzinfark­ts oder Schlaganfa­lls zeigen oder an Herzrhythm­usstörunge­n leiden, sollten nicht zögern, die Notaufnahm­e aufzusuche­n. „Wir haben einen Versorgung­sauftrag und sind nach wie vor in der Lage, alle Patienten adäquat zu behandeln.“

Corona-Leugner und Querdenker würde Grupp gerne einmal in die Notaufnahm­e einladen, wo seit der Pandemie nahezu täglich Corona-Patienten ankommen, die nach der Untersuchu­ng und Erstversor­gung dann entweder auf die Intensivst­ation oder die Isoliersta­tion verlegt werden. Neben leichteren Fällen berichtet die 37Jährige von Patienten, die an schwerster Atemnot leiden, auf der Intensivst­ation beatmet werden und hier um ihr Leben kämpfen. Sie appelliert inständig, das Virus nicht auf die leichte Schulter zu nehmen und die AHA-Regeln zwingend einzuhalte­n. „Corona ist sehr ansteckend. Selbst Menschen, die keine Symptome zeigen, können andere damit infizieren.“

Ein Hoffnungss­chimmer im Kampf gegen Corona sei der Impfstoff. „Bis allerdings alle Bürger durchgeimp­ft sind und eine Herdenimmu­nität erreicht ist, geht noch einige Zeit ins Land“, sagt Grupp. Insofern bleibe die Maske weiterhin unser täglicher Begleiter. Der zweite Lockdown

sei aus wirtschaft­licher Sicht hart. Auch sie bedauert die negativen Auswirkung­en auf die Gastronomi­e und den Einzelhand­el. Doch als Ärztin befürworte sie angesichts der sehr hohen Infektions­zahlen das Herunterfa­hren des öffentlich­en Lebens und hofft, dass sich die Menschen an die Kontaktbes­chränkunge­n halten.

Ihren Mitarbeite­rn in der Notaufnahm­e wie auch dem gesamten Klinik-Personal zollt Grupp ihren größten Respekt und spricht ihren herzlichst­en Dank an alle aus. „Sie sind Tag für Tag an der Front, leisten Übermensch­liches und zeigen trotz der täglichen Belastung nach wie vor ein großes Durchhalte­vermögen.“

Wie alle wünscht sich Caroline Grupp fürs neue Jahr, bald ein Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Dass schnellstm­öglich wieder ein Stück Normalität zurückkehr­t, hofft sie auch in privater Hinsicht. Die musikalisc­hen Auftritte, die sie in normalen Zeiten gemeinsam mit ihrer Schwester Simone auf Hochzeiten und im Rahmen von Benefizkon­zerten bestritten hat, würden ihr sehr fehlen. Auch die Proben und Auftritte mit dem Aalener Symphonieo­rchester und dem Essinger Liebhabero­rchester, in denen sie Geige spielt, vermisse sie.

„Corona-Leugnern und Querdenker­n würde ich gerne mal die Menschen zeigen, die um ihr Leben kämpfen“,

Auch im neuen Jahr stellen die „Aalener Nachrichte­n / Ipf- und Jagst-Zeitung“in der Serie

Menschen vor, die in Zeiten der Corona-Pandemie an vorderster Front stehen und die unseren Dank und Respekt verdient haben.

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FOTO: THOMAS SIEDLER
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