Aalener Nachrichten

Heidenheim befasst sich mit Legenden

Der „Club“kommt: Beim Zweitligis­ten geht der Blick zurück, aber vor allem voraus

- Von Benjamin Post

- Die Vergleiche mit dem großen schwäbisch­en Nachbarn gab es in der Vorsaison. Zwei Mal kreuzten der trubelige Traditions­verein und der ruhige Emporkömml­ing die Wege, zwei Mal vor der Corona-Pandemie, also mit allerhand Zuschauern. Der Theaterrei­fe Krach im Führungspe­rsonal beim Fußball-Bundesligi­sten VfB Stuttgart um den Vorstandsc­hef Thomas Hitzlsperg­er (will zudem Präsident werden) und Präsident Claus Vogt (will Präsident bleiben) hätte fast schon was fürs zahlende Publikum, durch die soziale Medien huschte schon der Titel „House of Cannstatt“in Anlehnung an die US-Serie „House of Cards“, die in die Genres Politthril­ler und Drama eingeordne­t wird. Hitzlsperg­er veröffentl­ichte an diesem Mittwoch einen Aufsehen erregenden offenen Brief, Vogt konterte an Silvester.

Während zum Jahreswech­sel hin wieder einmal Turbulenze­n rund um den Wasen herrschten, ging es beim Zweitligis­ten 1. FC Heidenheim verhältnis­mäßig entspannt zu. An diesem kalten letzten Tag des Jahres (auf dem Schlossber­g ist es allerdings gefühlt immer kälter als anderswo auf der Ostalb) rollten die Spieler des Morgens an der VoithArena vor, ein letztes Training in 2020.

Ein Jahr, das ziemlich wirr war, aber eben auch deshalb schon an diesem Samstag (13 Uhr) den nächsten Zweitliga-Leckerbiss­en in Heidenheim parat hält. Im Pandemie-bedingten Sonderspie­lbetrieb kommt der ebenso wie der VfB traditione­lle wie manchmal turbulente „Club“, also der 1. FC Nürnberg. Für Heidenheim­s Trainer Frank Schmidt (46), der vor der letzten Übungseinh­eit noch einmal vor die Medien trat, wieder ein Duell auf „Augenhöhe“, auf 555 Meter über Normalnull treffen sich kurz nach Neujahr schließlic­h der Tabellensi­ebte (Nürnberg) und der Achte (Heidenheim).

Wenn das Spiel Zuschauer hätte, weil sie wahrschein­lich ein krachendes Zweitliga-Spiel sehen wollten, würden jene Anhänger des Clubs wieder etwas von „Die Legende lebt“singen. Beim Schmidtsch­en Jahresrevu­e kurz vor dem Neustart ging er auf Legendäres ein, die Pandemie hat alles verändert, „da geht es dann fast schon unter, dass wir am Ende des Tages fast in die 1. Bundesliga aufgestieg­en wären.“Eben der legendäre Vereinshöh­epunkt Anfang Juli, das denkbar knappe Scheitern in der Bundesliga-Relegation gegen Werder Bremen ohne Niederlage, nachdem sich die Heidenheim­er knapp hinter dem sportlich eigentlich aufstreben­den VfB auf dem dritten Tabellenpl­atz postierten.

Jedoch: Wer die Heidenheim­er kennt weiß, dass das kein Zufall war. Nach dem Umbruch im Sommer haben „wieder zu unserer DNA und unserem leidenscha­ftlichen Spiel gefunden“, sagte Schmidt. Auch wenn nach zuvor sechs ungeschlag­enen Spielen eine 0:3-Niederlage in Bochum folgte. So auch die Nürnberger, nach ihrem Umbruch vor allem im Führungspe­rsonal, der von Schmidt geschätzte einstige Trainerkol­lege

Dieter Hecking wurde als Sportvorst­and installier­t, die vermeintli­ch Unbekannte Robert Klauß (36) als Profi-Chef-Trainer-Novize, ein Mann der „Leipziger Schule“wie Schmidt feststellt­e. „Ich persönlich kenne ihn überhaupt noch nicht, unsere Wege haben sich noch nicht gekreuzt. Ich hoffe dass er sagen wird: Mein erstes Spiel gegen Frank Schmidt habe ich verloren. Das ist unser Ziel“, erklärte Schmidt.

Im Nürnberger Spiel könnte es also zügig nach vorne gehen a la RB Leipzig, wo Klauß in der U 17, U 19 und als Co unter Ralf Rangnick und Julian Nagelsmann arbeitete. „Wir wissen über die Spielweise des Gegners, die teilweise aus diesem 4-22-2-System und einem Mittelfeld­pressing heraus balljagend agiert. Sie gehen immer wieder ins Gegenpress­ing, schalten schnell um, schlagen viele lange Bälle, gehen auf den zweiten Ball und spielen mit einer hohen Intensität. Das ist auch das, was uns Spaß macht und jetzt können wir zeigen, dass wir unsere Heimbilanz ausbauen können“, befand Schmidt, der den „Schlüssels­pieler“und „Zielspiele­r“Manuel Schäffler nannte. „Ich würde mich als Innenverte­idiger darauf freuen, gegen ihn zu arbeiten“, so Schmidt zum Duell mit dem gefährlich­en Stürmer.

Zwischen den Jahren, wo normalerwe­ise nur in England nicht der Ball ruht, bereiteten sich die Heidenheim­er auf den ersten Gegner 2021 vor. Drei Männer werden gegen Nürnberg fehlen: Kapitän Marc Schnattere­r zog sich eine Knieblessu­r zu, „was aber nichts Dramatisch­es ist und in ein, zwei Wochen wieder gehen sollte“; Stürmer Patrick Schmidt einen kleine Muskelfase­rriss. Schwerwieg­ender ist wohl die Verletzung von Gianni Mollo, der sich am Knie verletzte, aber er spielte bisher ohnehin keine Rolle, sprich stand noch nie im Spieltagsk­ader. Bevor Schmidt seine erste Aufstellun­g im neuen Jahr bekannt gibt, schickte er noch etwas voraus: „Wir sind froh, dass wir jetzt dieses Jahr in der vorderen Tabellenhä­lfte beenden. Wir wissen aber, wenn man die Situation in der 2. Liga beleuchtet, dass es weiterhin extrem eng und umkämpft zugehen wird und es für uns keinen Grund gibt, an unserer Marschrout­e irgendwas zu ändern, sondern wir mit einem großen Zusammenha­lt weiter fleißig punkten müssen.“Zusammenha­lt könnte auch dem großen Nachbarn nicht schaden.

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FOTO: STEFAN PUCHNER/DPA

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