Heidenheim befasst sich mit Legenden
Der „Club“kommt: Beim Zweitligisten geht der Blick zurück, aber vor allem voraus
- Die Vergleiche mit dem großen schwäbischen Nachbarn gab es in der Vorsaison. Zwei Mal kreuzten der trubelige Traditionsverein und der ruhige Emporkömmling die Wege, zwei Mal vor der Corona-Pandemie, also mit allerhand Zuschauern. Der Theaterreife Krach im Führungspersonal beim Fußball-Bundesligisten VfB Stuttgart um den Vorstandschef Thomas Hitzlsperger (will zudem Präsident werden) und Präsident Claus Vogt (will Präsident bleiben) hätte fast schon was fürs zahlende Publikum, durch die soziale Medien huschte schon der Titel „House of Cannstatt“in Anlehnung an die US-Serie „House of Cards“, die in die Genres Politthriller und Drama eingeordnet wird. Hitzlsperger veröffentlichte an diesem Mittwoch einen Aufsehen erregenden offenen Brief, Vogt konterte an Silvester.
Während zum Jahreswechsel hin wieder einmal Turbulenzen rund um den Wasen herrschten, ging es beim Zweitligisten 1. FC Heidenheim verhältnismäßig entspannt zu. An diesem kalten letzten Tag des Jahres (auf dem Schlossberg ist es allerdings gefühlt immer kälter als anderswo auf der Ostalb) rollten die Spieler des Morgens an der VoithArena vor, ein letztes Training in 2020.
Ein Jahr, das ziemlich wirr war, aber eben auch deshalb schon an diesem Samstag (13 Uhr) den nächsten Zweitliga-Leckerbissen in Heidenheim parat hält. Im Pandemie-bedingten Sonderspielbetrieb kommt der ebenso wie der VfB traditionelle wie manchmal turbulente „Club“, also der 1. FC Nürnberg. Für Heidenheims Trainer Frank Schmidt (46), der vor der letzten Übungseinheit noch einmal vor die Medien trat, wieder ein Duell auf „Augenhöhe“, auf 555 Meter über Normalnull treffen sich kurz nach Neujahr schließlich der Tabellensiebte (Nürnberg) und der Achte (Heidenheim).
Wenn das Spiel Zuschauer hätte, weil sie wahrscheinlich ein krachendes Zweitliga-Spiel sehen wollten, würden jene Anhänger des Clubs wieder etwas von „Die Legende lebt“singen. Beim Schmidtschen Jahresrevue kurz vor dem Neustart ging er auf Legendäres ein, die Pandemie hat alles verändert, „da geht es dann fast schon unter, dass wir am Ende des Tages fast in die 1. Bundesliga aufgestiegen wären.“Eben der legendäre Vereinshöhepunkt Anfang Juli, das denkbar knappe Scheitern in der Bundesliga-Relegation gegen Werder Bremen ohne Niederlage, nachdem sich die Heidenheimer knapp hinter dem sportlich eigentlich aufstrebenden VfB auf dem dritten Tabellenplatz postierten.
Jedoch: Wer die Heidenheimer kennt weiß, dass das kein Zufall war. Nach dem Umbruch im Sommer haben „wieder zu unserer DNA und unserem leidenschaftlichen Spiel gefunden“, sagte Schmidt. Auch wenn nach zuvor sechs ungeschlagenen Spielen eine 0:3-Niederlage in Bochum folgte. So auch die Nürnberger, nach ihrem Umbruch vor allem im Führungspersonal, der von Schmidt geschätzte einstige Trainerkollege
Dieter Hecking wurde als Sportvorstand installiert, die vermeintlich Unbekannte Robert Klauß (36) als Profi-Chef-Trainer-Novize, ein Mann der „Leipziger Schule“wie Schmidt feststellte. „Ich persönlich kenne ihn überhaupt noch nicht, unsere Wege haben sich noch nicht gekreuzt. Ich hoffe dass er sagen wird: Mein erstes Spiel gegen Frank Schmidt habe ich verloren. Das ist unser Ziel“, erklärte Schmidt.
Im Nürnberger Spiel könnte es also zügig nach vorne gehen a la RB Leipzig, wo Klauß in der U 17, U 19 und als Co unter Ralf Rangnick und Julian Nagelsmann arbeitete. „Wir wissen über die Spielweise des Gegners, die teilweise aus diesem 4-22-2-System und einem Mittelfeldpressing heraus balljagend agiert. Sie gehen immer wieder ins Gegenpressing, schalten schnell um, schlagen viele lange Bälle, gehen auf den zweiten Ball und spielen mit einer hohen Intensität. Das ist auch das, was uns Spaß macht und jetzt können wir zeigen, dass wir unsere Heimbilanz ausbauen können“, befand Schmidt, der den „Schlüsselspieler“und „Zielspieler“Manuel Schäffler nannte. „Ich würde mich als Innenverteidiger darauf freuen, gegen ihn zu arbeiten“, so Schmidt zum Duell mit dem gefährlichen Stürmer.
Zwischen den Jahren, wo normalerweise nur in England nicht der Ball ruht, bereiteten sich die Heidenheimer auf den ersten Gegner 2021 vor. Drei Männer werden gegen Nürnberg fehlen: Kapitän Marc Schnatterer zog sich eine Knieblessur zu, „was aber nichts Dramatisches ist und in ein, zwei Wochen wieder gehen sollte“; Stürmer Patrick Schmidt einen kleine Muskelfaserriss. Schwerwiegender ist wohl die Verletzung von Gianni Mollo, der sich am Knie verletzte, aber er spielte bisher ohnehin keine Rolle, sprich stand noch nie im Spieltagskader. Bevor Schmidt seine erste Aufstellung im neuen Jahr bekannt gibt, schickte er noch etwas voraus: „Wir sind froh, dass wir jetzt dieses Jahr in der vorderen Tabellenhälfte beenden. Wir wissen aber, wenn man die Situation in der 2. Liga beleuchtet, dass es weiterhin extrem eng und umkämpft zugehen wird und es für uns keinen Grund gibt, an unserer Marschroute irgendwas zu ändern, sondern wir mit einem großen Zusammenhalt weiter fleißig punkten müssen.“Zusammenhalt könnte auch dem großen Nachbarn nicht schaden.