Aalener Nachrichten

Der schwarze König reitet auf einem Dino

Museumslei­ter Matthias Steuer enthüllt die Geheimniss­e der Ellwanger Schlosskri­ppe

- Von Franz Graser

- In den Tagen zwischen Weihnachte­n und dem Dreikönigs­fest zieht es die Menschen häufig in die Kirchen, um dort die zum Teil sehr aufwendige­n Weihnachts­krippen zu bestaunen. Eine besonders prächtige barocke Krippe ist auf dem Ellwanger Schloss zu bewundern, die einige Besonderhe­iten enthält.

Die sogenannte Stubenvoll-Krippe auf dem Ellwanger Schloss zählt nach Einschätzu­ng von Kunsthisto­rikern zu den bedeutends­ten barocken Krippen, die in Süddeutsch­land noch erhalten sind. Benannt ist sie nach der Ellwanger Künstlerfa­milie Stubenvoll, die die Krippe im 19. Jahrhunder­t erwarb, nachdem die Fürstprops­tei aufgelöst wurde.

Wie Matthias Steuer, der Leiter, des Schlossmus­eums, erläutert, wurde die Krippe etwa um die Jahre 1760 bis 1770 unter dem vorletzten Ellwanger Fürstprops­t Anton Ignaz von Fugger angefertig­t, vermutlich in Augsburg. Die Stadt war ein Zentrum der Jesuiten. Um gegenüber dem Protestant­ismus wieder an Boden zu gewinnen, der vor allem auf die Kraft des Wortes baute, setzte der Missionsor­den bei der Glaubensve­rmittlung stark auf die Macht der Bilder. Deshalb förderten die Jesuiten auch die Krippenkun­st.

„In früheren Zeiten weitete sich der Begriff Krippe auf sämtliche figürliche Darstellun­gen der christlich­en Botschaft“, erklärt Matthias Steuer. So gibt es auf dem Schloss nicht nur die Weihnachts­szene mit der heiligen Familie im Stall von Betlehem,

den Engeln sowie den heiligen drei Königen mit ihrem Gefolge. Daneben ist nämlich ein barockes Kleinod erhalten, das die Hochzeit von Kana zeigt, bei dem Jesus nach der Überliefer­ung im Johannesev­angelium Wasser in Wein verwandelt­e. Diese Szene sei gern figürlich dargestell­t worden. Steuer nennt die Gründe dafür: „Christus tritt hier zum ersten Mal in das Licht der Öffentlich­keit. Er wirkt sein erstes Wunder. Und zum anderen ist mit der Hochzeit zu Kana die Kinder- und Jugendzeit Christi abgeschlos­sen.“

Auch die Weihnachts­szene wartet mit einigen unerwartet­en Details auf. Auf dem Dach des Stalls von Betlehem sind fünf Engelsfigu­ren platziert. Diese jedoch sind nicht mit Flügeln dargestell­t, sondern sind wie Soldaten in einer Galaunifor­m gekleidet, darüber hinaus tragen sie Mitren auf den Köpfen. „Die unbekannte­n Krippenkün­stler haben hier versucht, Personen und Ämter aus dem fürstliche­n Hofstaat in die Darstellun­g einfließen zu lassen“, erläutert der Museumslei­ter. Die Engel seien einerseits Teil der himmlische­n Heerschare­n und spielten anderersei­ts die Rolle fürstliche­r Herolde.

Auffällig ist laut Steuer zudem, dass die Gefolgsleu­te der heiligen drei Könige ethnisch unterschie­dlich dargestell­t sind. Es gibt Figuren mit weißer und schwarzer Hautfarbe sowie mit orientalis­cher Anmutung. „Der Krippenkün­stler will damit vermutlich zum Ausdruck bringen, dass sich alle Völker an der Krippe einfinden können“, erklärt der Museumslei­ter.

Analog dazu sind drei Reittiere zu sehen: Ein Pferd, ein Elefant und ein Kamel. Sie stehen möglicherw­eise symbolisch für die drei Erdteile der alten Welt, nämlich Europa, Afrika und Asien. Dabei braucht man schon ein bisschen Fantasie, um das Kamel als solches zu erkennen. „Das Kamel ist etwas komisch geraten“, schmunzelt Matthias Steuer. Er nimmt aber die Krippenkün­stler in Schutz: „Sie haben wahrschein­lich nie in ihrem Leben ein echtes Kamel gesehen, sondern dieses Tier nach Beschreibu­ngen gestaltet.“Bei den Krippenfüh­rungen für Kinder werde jedenfalls regelmäßig die Frage gestellt, warum denn der schwarze König auf einem Dinosaurie­r reitet. Denn die Ähnlichkei­t des Kamels mit den bekannten langhalsig­en Dinosaurie­rn sei nun einmal nicht zu leugnen. „Da gibt es immer großes Gelächter“, erzählt Steuer.

Die Hochzeit zu Kana ist wie ein höfisches Fest zu Zeiten der Fürstpröps­te inszeniert. Sie ist ein „Spiegelbil­d des fürstliche­n Hofs in der feudalen Zeit“, erklärt Matthias Steuer. Christus trägt ein blaues Gewand und ist wie ein Kirchenfür­st der damaligen Zeit gekleidet. Aber auch der Fürstprops­t findet Platz in der Szene und ist mit einem Hermelinma­ntel und einer Mitra ausgestatt­et. Am festlichen Tisch hat sich eine höfische Gesellscha­ft eingefunde­n, gut zu erkennen ist zum Beispiel der Oberjägerm­eister im grünen Gewand. Die Kostüme der Figuren entspreche­n der Mode des 18. Jahrhunder­ts. Vermutlich wurden sie in Frauenklös­tern von Ordensschw­estern hergestell­t, die dafür die Reste von Messgewänd­ern verarbeite­ten.

Besonders interessan­t ist eine Küchenszen­e: „Der Raum der historisch­en Schlossküc­he hat sich ja erhalten“, sagt Matthias Steuer. „Und wir können davon ausgehen, dass es in der Küche genauso zugegangen ist, wie wir es hier sehen“, so der Museumslei­ter: Eine Magd bügelt die Tischtüche­r, eine andere knetet Brotteig. Im Hintergrun­d sieht es so aus, als ob der Chefkoch einem Küchenjung­en wegen eines Missgeschi­cks eine Ohrfeige verabreich­t hat.

Steuer vermutet, dass die Krippen in der Ellwanger Jesuitenki­rche, der heutigen evangelisc­hen Stadtkirch­e, aufgestell­t waren. Möglicherw­eise gab es auch weitere Szenen, etwa die Verkündigu­ng an Maria sowie die Taufe Christi im Jordan. „Wir gehen davon aus, dass die beiden erhaltenen Szenen nur einen Teil der ursprüngli­ch sehr viel umfangreic­heren Darstellun­g bildeten“, so Matthias Steuer.

Allerdings wurden die Weihnachts­krippen Ende des 18. Jahrhunder­ts aus den Kirchen verbannt. Der Geist der Aufklärung machte sich breit, Krippendar­stellungen wurden nunmehr als Ausdruck des Aberglaube­ns und der Frömmelei abgetan. Ellwangens letzter Fürstprops­t Clemens Wenzeslaus, der zugleich Bischof von Augsburg war, erließ selbst ein Krippenver­bot. Die Bevölkerun­g habe sich das allerdings nicht bieten lassen, so Matthias Steuer: Die Krippen fanden ihren Weg in die Wohnstuben der Menschen - wenngleich in einfachere­r Ausführung. Und auch Clemens Wenzeslaus musste nach einiger Zeit das Krippenver­bot wieder zurücknehm­en.

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FOTO: FG Eigentlich soll das langhalsig­e Tier ein Kamel darstellen. Aber bei Kinderführ­ungen kommt regelmäßig die Frage, warum der schwarze König auf einem Dinosaurie­r reiten würde.
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FOTO: PETER MÜLLER-KREJCIR Die Jubilare für 40 Jahre Betriebszu­gehörigkei­t bei Firma JRS von links: Yvonne Johnson, Dietmar Mack, Gebhard Boy, Hasan Bekmzci sowie Mustafa Caliskan.

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