Der schwarze König reitet auf einem Dino
Museumsleiter Matthias Steuer enthüllt die Geheimnisse der Ellwanger Schlosskrippe
- In den Tagen zwischen Weihnachten und dem Dreikönigsfest zieht es die Menschen häufig in die Kirchen, um dort die zum Teil sehr aufwendigen Weihnachtskrippen zu bestaunen. Eine besonders prächtige barocke Krippe ist auf dem Ellwanger Schloss zu bewundern, die einige Besonderheiten enthält.
Die sogenannte Stubenvoll-Krippe auf dem Ellwanger Schloss zählt nach Einschätzung von Kunsthistorikern zu den bedeutendsten barocken Krippen, die in Süddeutschland noch erhalten sind. Benannt ist sie nach der Ellwanger Künstlerfamilie Stubenvoll, die die Krippe im 19. Jahrhundert erwarb, nachdem die Fürstpropstei aufgelöst wurde.
Wie Matthias Steuer, der Leiter, des Schlossmuseums, erläutert, wurde die Krippe etwa um die Jahre 1760 bis 1770 unter dem vorletzten Ellwanger Fürstpropst Anton Ignaz von Fugger angefertigt, vermutlich in Augsburg. Die Stadt war ein Zentrum der Jesuiten. Um gegenüber dem Protestantismus wieder an Boden zu gewinnen, der vor allem auf die Kraft des Wortes baute, setzte der Missionsorden bei der Glaubensvermittlung stark auf die Macht der Bilder. Deshalb förderten die Jesuiten auch die Krippenkunst.
„In früheren Zeiten weitete sich der Begriff Krippe auf sämtliche figürliche Darstellungen der christlichen Botschaft“, erklärt Matthias Steuer. So gibt es auf dem Schloss nicht nur die Weihnachtsszene mit der heiligen Familie im Stall von Betlehem,
den Engeln sowie den heiligen drei Königen mit ihrem Gefolge. Daneben ist nämlich ein barockes Kleinod erhalten, das die Hochzeit von Kana zeigt, bei dem Jesus nach der Überlieferung im Johannesevangelium Wasser in Wein verwandelte. Diese Szene sei gern figürlich dargestellt worden. Steuer nennt die Gründe dafür: „Christus tritt hier zum ersten Mal in das Licht der Öffentlichkeit. Er wirkt sein erstes Wunder. Und zum anderen ist mit der Hochzeit zu Kana die Kinder- und Jugendzeit Christi abgeschlossen.“
Auch die Weihnachtsszene wartet mit einigen unerwarteten Details auf. Auf dem Dach des Stalls von Betlehem sind fünf Engelsfiguren platziert. Diese jedoch sind nicht mit Flügeln dargestellt, sondern sind wie Soldaten in einer Galauniform gekleidet, darüber hinaus tragen sie Mitren auf den Köpfen. „Die unbekannten Krippenkünstler haben hier versucht, Personen und Ämter aus dem fürstlichen Hofstaat in die Darstellung einfließen zu lassen“, erläutert der Museumsleiter. Die Engel seien einerseits Teil der himmlischen Heerscharen und spielten andererseits die Rolle fürstlicher Herolde.
Auffällig ist laut Steuer zudem, dass die Gefolgsleute der heiligen drei Könige ethnisch unterschiedlich dargestellt sind. Es gibt Figuren mit weißer und schwarzer Hautfarbe sowie mit orientalischer Anmutung. „Der Krippenkünstler will damit vermutlich zum Ausdruck bringen, dass sich alle Völker an der Krippe einfinden können“, erklärt der Museumsleiter.
Analog dazu sind drei Reittiere zu sehen: Ein Pferd, ein Elefant und ein Kamel. Sie stehen möglicherweise symbolisch für die drei Erdteile der alten Welt, nämlich Europa, Afrika und Asien. Dabei braucht man schon ein bisschen Fantasie, um das Kamel als solches zu erkennen. „Das Kamel ist etwas komisch geraten“, schmunzelt Matthias Steuer. Er nimmt aber die Krippenkünstler in Schutz: „Sie haben wahrscheinlich nie in ihrem Leben ein echtes Kamel gesehen, sondern dieses Tier nach Beschreibungen gestaltet.“Bei den Krippenführungen für Kinder werde jedenfalls regelmäßig die Frage gestellt, warum denn der schwarze König auf einem Dinosaurier reitet. Denn die Ähnlichkeit des Kamels mit den bekannten langhalsigen Dinosauriern sei nun einmal nicht zu leugnen. „Da gibt es immer großes Gelächter“, erzählt Steuer.
Die Hochzeit zu Kana ist wie ein höfisches Fest zu Zeiten der Fürstpröpste inszeniert. Sie ist ein „Spiegelbild des fürstlichen Hofs in der feudalen Zeit“, erklärt Matthias Steuer. Christus trägt ein blaues Gewand und ist wie ein Kirchenfürst der damaligen Zeit gekleidet. Aber auch der Fürstpropst findet Platz in der Szene und ist mit einem Hermelinmantel und einer Mitra ausgestattet. Am festlichen Tisch hat sich eine höfische Gesellschaft eingefunden, gut zu erkennen ist zum Beispiel der Oberjägermeister im grünen Gewand. Die Kostüme der Figuren entsprechen der Mode des 18. Jahrhunderts. Vermutlich wurden sie in Frauenklöstern von Ordensschwestern hergestellt, die dafür die Reste von Messgewändern verarbeiteten.
Besonders interessant ist eine Küchenszene: „Der Raum der historischen Schlossküche hat sich ja erhalten“, sagt Matthias Steuer. „Und wir können davon ausgehen, dass es in der Küche genauso zugegangen ist, wie wir es hier sehen“, so der Museumsleiter: Eine Magd bügelt die Tischtücher, eine andere knetet Brotteig. Im Hintergrund sieht es so aus, als ob der Chefkoch einem Küchenjungen wegen eines Missgeschicks eine Ohrfeige verabreicht hat.
Steuer vermutet, dass die Krippen in der Ellwanger Jesuitenkirche, der heutigen evangelischen Stadtkirche, aufgestellt waren. Möglicherweise gab es auch weitere Szenen, etwa die Verkündigung an Maria sowie die Taufe Christi im Jordan. „Wir gehen davon aus, dass die beiden erhaltenen Szenen nur einen Teil der ursprünglich sehr viel umfangreicheren Darstellung bildeten“, so Matthias Steuer.
Allerdings wurden die Weihnachtskrippen Ende des 18. Jahrhunderts aus den Kirchen verbannt. Der Geist der Aufklärung machte sich breit, Krippendarstellungen wurden nunmehr als Ausdruck des Aberglaubens und der Frömmelei abgetan. Ellwangens letzter Fürstpropst Clemens Wenzeslaus, der zugleich Bischof von Augsburg war, erließ selbst ein Krippenverbot. Die Bevölkerung habe sich das allerdings nicht bieten lassen, so Matthias Steuer: Die Krippen fanden ihren Weg in die Wohnstuben der Menschen - wenngleich in einfacherer Ausführung. Und auch Clemens Wenzeslaus musste nach einiger Zeit das Krippenverbot wieder zurücknehmen.