Stimmen aus der Praxis
Als Familienunternehmer, aber ebenso als deutscher Staatsbürger, wünsche ich mir von der baden-württembergischen Wirtschaftspolitik einen noch engeren Schulterschluss mit unserer heimischen Industrie. Denn ihr Anteil an der gesamten Bruttowertschöpfung unseres Bundeslandes beträgt immer noch mehr als ein Drittel. Damit wir nicht nur die Corona-Krise meistern, sondern auch die Transformationen, allen voran in der Automobilbranche, erfolgreich gestalten und weiterhin überdurchschnittlich gut bezahlte Arbeitsplätze im Land halten, muss die Politik korrigierend auf viele Rahmenbedingungen einwirken: So brauchen unsere Unternehmen mehr Flexibilität, um langfristig am Standort Baden-Württemberg international wettbewerbsfähig zu bleiben. Überregulierungen wie der Anspruch auf mobiles Arbeiten helfen uns nicht weiter. Unsere Wirtschaftsministerin hat sich klar dagegen positioniert – dies ist der richtige Weg! Auch ist die Steuerlast für Unternehmen gerade im internationalen Vergleich – und damit wettbewerbsbeeinflussend – auf ein Rekordhoch gestiegen; andere Industriestaaten locken dagegen mit attraktiven Investitionsanreizen deutsche Unternehmen in ihr Land. Die engen Verteilungsspielräume sollte die Landesregierung vor allem für Investitionen nutzen, besonders in Bildung und Qualifizierung, in Forschung und Entwicklung, in die Digitalisierung und Infrastruktur.“
Harald Marquardt, Chef des Autozulieferers Marquardt
Baden-Württemberg steht vor großen Herausforderungen: Die wirtschaftlichen Umbrüche müssen aktiv gestaltet, die gesellschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie gerecht bewältigt und der gesellschaftliche Zusammenhalt nachhaltig gestärkt werden. Die CoronaPandemie hat maßgeblich zur schwersten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit beigetragen und beschleunigt den tiefgreifenden Strukturwandel der Industrie. Die Verunsicherung in den Belegschaften ist hoch. Die Angst vor dem Arbeitsplatzverlust reicht bis tief in die Kernbelegschaften großer Betriebe. Von der nächsten Landesregierung wünsche ich mir, dass sie in engem Schulterschluss mit den Beschäftigten, den Betriebsräten und Gewerkschaften die Aufgaben anpackt und durch eine beschäftigungsorientierte Industrie- und Strukturpolitik den Standort Baden-Württemberg sichert. Die Transformation der Industrie muss mit guter Arbeit wie Tarifbindung und Mitbestimmung einhergehen. Von der Landespolitik erwarten wir klare Kante. Dies gelingt mit einer Ausrichtung auf ,Sicherheit im Wandel’ für die Beschäftigten.“Roman Zitzelsberger, IG-Metall-Chef Baden-Württemberg
Als Unternehmen mit Hauptsitz in Weingarten fühlen wir uns Baden-Württemberg sehr verbunden. Gleichzeitig sind wir in 27 Ländern rund um den Globus aktiv. Um erfolgreich agieren zu können, sind wir mehr denn je auf geeignete Rahmenbedingungen angewiesen. Dazu gehört es – und nicht nur aufgrund der CoronaPandemie -, Digitalisierung und IT-Infrastruktur konsequent voranzutreiben, um insbesondere Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen von Unternehmen und Behörden einen ,Zugang zur Technologie’ zu ermöglichen. Nur so lassen sich Homeoffice-Konzepte wirklich umsetzen. Zudem sind auch mehr Investitionen in (digitale) Bildung für die Zukunft unserer Kinder nötig. Die aktuelle Situation hat die Lücken aufgezeigt, jetzt gilt es mit ganzheitlichen Konzepten die technologischen Möglichkeiten in die Klassenzimmer zu bringen. Wir erwarten auch, dass für den Bereich Klimaschutz, der uns alle am Herzen liegt, innovative Geschäftsmodelle, die auf Prinzipien der Kreislaufwirtschaft und der Sharing Economy basieren, durch den Gesetzgeber gefördert und stärker in den Mittelpunkt gestellt werden. Der unternehmerische Erfolg ist stark mit unserer Innovationskraft verbunden. Um diese zu fördern, ist es unabdingbar, bürokratische Prozesse und Regularien kritisch zu hinterfragen, verhältnismäßig zu gestalten und im Idealfall sogar abzubauen.“
Mathias Wagner, Chef des Technologiedienstleisters CHG