Für die Natur gibt es keine Lärmgrenze
Lärm an Seen: Ärgerlich für Mitmenschen, schädlich für die Tierwelt – aber kaum zu verhindern
- Die Seen sind verschiedene, das Problem das gleiche: Jugendliche, die das Ufer mit Lärm aus Musikboxen und Motoren beschallen, verärgern andere Ausflügler und stören die Tierwelt in der oft geschützten Natur. Tun kann man in den meisten Fällen wenig.
Schon bei Frost zum Monatsbeginn gab es das Ärgernis: Junge Leute, die auf dem Eis des Espachweiler Sees eine dröhnende Party feierten. Andere am Stausee Stockmühle, die mit ihren knatternden Krädern Runde um Runde die abendliche Stille des Naturschutzgebiets zerrissen. Wieder andere lockte ein paar Tage später die warme Februarsonne an den Fischbachsee, wo sie ihre Boxen aufdrehten, die Autos direkt am Ufer geparkt. Erlaubt oder nicht?
Kann sein oder auch nicht, sagt die Polizei. Sie schaut zunächst auf die Verkehrsregeln. Die seien an jedem See andere, erklärt Jonas Ilg vom Polizeipräsidium Aalen. Wenn Wege widerrechtlich befahren würden, sei das eine Ordnungswidrigkeit und könne angezeigt werden. „Falls das verstärkt vorkommt, kontrollieren wir auch.“Voraussetzung sei aber, dass die Polizei von den Vorkommnissen an den Seen überhaupt erfahre, denn „wir können nicht überall sein“, so Ilg. Das heißt: Ausflügler am See müssten sich melden, wenn sie Widerrechtliches beobachteten oder sich gestört fühlten. Bisher hat die Polizei seines Wissens jedoch keine Kenntnis von Beschwerden.
Kein Wunder: Die Polizei notiere bei einer Anzeige in der Regel den Namen des Anrufers, und das wolle kaum einer, weiß Gabriele Seefried, die Erste Landesbeamtin und Umweltdezernentin beim Landratsamt Aalen. Ohnehin stören sich Spaziergänger, die an einem der Stauseen der Region Erholung suchen, eher an der Lautstärke mancher Gruppen. Doch gegen Krach gebe es kaum eine Handhabe. „Für die Natur gibt es keine Lärmgrenze“, erklärt Seefried. Offiziell gesprochen: Es gibt keine im Außenbereich. Ausnahmen gelten nur während der Brutzeit an Orten, an denen geschützte Arten leben. Und dann auch nur dort: Wer fünf Meter außerhalb des Naturschutzgebiets die Musik aufdrehe, tue nichts Verbotenes.
Wem also der Lärm anderer zu viel sei, der müsse „auf diese Leute zugehen“, so Seefried, „dies in Coronazeiten natürlich mit Abstand“, und sie um mehr Ruhe bitten. Rücksichtnahme sei schließlich eine Frage des guten Benehmens und eine Norm des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Erst, wenn eine Gruppe zu randalieren beginne oder Müll in die Landschaft fliege, sei es möglich, Anzeige zu erstatten. Auch motorisiert dürfe man auf Wegen unterwegs sein, wenn nicht extra ein Verkehrszeichen aufgestellt sei, das Kraftfahrzeuge verbiete, so die Umweltdezernentin – das runde mit roter Umrandung sowie dem Bild eines Autos und eines Motorrads darin.
Von denen gebe es am Stockmühlsee bei Lippach gleich zwei, weiß Helmut Vaas vom Naturschutzbund Ellwangen, „das Zeichen 260 der Straßenverkehrsordnung“: Verbot für Kraftfahrzeuge. Will heißen: Die Jungs mit den Krafträdern „durften da nicht rumfahren“.
Und selbst wenn sie gedurft hätten: Über den Schaden, den Krach in der Natur anrichten kann, lässt Vaas keinen Zweifel aufkommen. Der Stockmühlsee beispielsweise sei geschützt, berichtet der Nabu-Experte für Weißstörche und Uferschwalben. Hier lebten unter anderem Stockund Krickenten, Schwäne, Rost- und Nilgänse. „Der Lärm scheucht die Vögel auf“, erklärt Vaas. Dabei verbrauchten sie einen großen Schub Energie. In der kalten Jahreszeit bei wenig Futter könne das fatal enden. „Wenn es zu oft passiert, können die Vögel eingehen“, so Vaas. Er habe sich in letzter Zeit oft am Stockmühlensee aufgehalten. Zum Glück habe er persönlich keine Fahrzeuge festgestellt.
Auch am Fischbachsee bei Jagstzell habe aus Sicht des Naturschutzes „kein Fahrzeug etwas verloren“, betont Vaas. „Auch, seine Disco im Rucksack mitzunehmen, ist nicht in Ordnung.“
Gleiches gelte für den Espachweiler See, dessen hinterer Teil als Naturschutzgebiet ausgewiesen ist. „Das ist absolut schädlich für die Überwinterer“, sagt der Vogelexperte. Deutliche Worte findet er zu Partys auf dem Eis. Abgesehen davon, dass niemand etwas auf einer Eisfläche zu suchen habe, die nicht von den Behörden freigegeben wurde, brächten solche Störungen Fischen den Tod. „Sie ruhen am Boden mit wenig Bewegung, das Herz pumpert nur einmal pro Minute“, erklärt der Mann vom Nabu. Schrecken sie auf, fährt ihr Kreislauf hoch, sie brauchen Sauerstoff, doch der fehlt. Die Folgen kann sich jeder ausmalen.
Deshalb hätte man laut Vaas Partys auf dem Eis Einhalt gebieten müssen. Aber ja, dafür fehle oft die Zivilcourage, versteht der ehemalige Polizist. Als Kompromiss rät er, zumindest das zuständige Ordnungsamt zu verständigen: „Das geht unter Umständen anonym.“
Was man jetzt, wo es wärmer wird, an den Seen der Region am besten tut und lässt, dafür hat Helmut Vaas ebenfalls einen Rat: auf den Wegen bleiben, denn es herrscht Betretungsverbot von Naturschutzgebieten, erst recht mit Hund. Die Vögel keinesfalls füttern, sondern einfach beobachten – und den Anblick genießen.