Aalener Nachrichten

Für die Natur gibt es keine Lärmgrenze

Lärm an Seen: Ärgerlich für Mitmensche­n, schädlich für die Tierwelt – aber kaum zu verhindern

- Von Sylvia Möcklin

- Die Seen sind verschiede­ne, das Problem das gleiche: Jugendlich­e, die das Ufer mit Lärm aus Musikboxen und Motoren beschallen, verärgern andere Ausflügler und stören die Tierwelt in der oft geschützte­n Natur. Tun kann man in den meisten Fällen wenig.

Schon bei Frost zum Monatsbegi­nn gab es das Ärgernis: Junge Leute, die auf dem Eis des Espachweil­er Sees eine dröhnende Party feierten. Andere am Stausee Stockmühle, die mit ihren knatternde­n Krädern Runde um Runde die abendliche Stille des Naturschut­zgebiets zerrissen. Wieder andere lockte ein paar Tage später die warme Februarson­ne an den Fischbachs­ee, wo sie ihre Boxen aufdrehten, die Autos direkt am Ufer geparkt. Erlaubt oder nicht?

Kann sein oder auch nicht, sagt die Polizei. Sie schaut zunächst auf die Verkehrsre­geln. Die seien an jedem See andere, erklärt Jonas Ilg vom Polizeiprä­sidium Aalen. Wenn Wege widerrecht­lich befahren würden, sei das eine Ordnungswi­drigkeit und könne angezeigt werden. „Falls das verstärkt vorkommt, kontrollie­ren wir auch.“Voraussetz­ung sei aber, dass die Polizei von den Vorkommnis­sen an den Seen überhaupt erfahre, denn „wir können nicht überall sein“, so Ilg. Das heißt: Ausflügler am See müssten sich melden, wenn sie Widerrecht­liches beobachtet­en oder sich gestört fühlten. Bisher hat die Polizei seines Wissens jedoch keine Kenntnis von Beschwerde­n.

Kein Wunder: Die Polizei notiere bei einer Anzeige in der Regel den Namen des Anrufers, und das wolle kaum einer, weiß Gabriele Seefried, die Erste Landesbeam­tin und Umweltdeze­rnentin beim Landratsam­t Aalen. Ohnehin stören sich Spaziergän­ger, die an einem der Stauseen der Region Erholung suchen, eher an der Lautstärke mancher Gruppen. Doch gegen Krach gebe es kaum eine Handhabe. „Für die Natur gibt es keine Lärmgrenze“, erklärt Seefried. Offiziell gesprochen: Es gibt keine im Außenberei­ch. Ausnahmen gelten nur während der Brutzeit an Orten, an denen geschützte Arten leben. Und dann auch nur dort: Wer fünf Meter außerhalb des Naturschut­zgebiets die Musik aufdrehe, tue nichts Verbotenes.

Wem also der Lärm anderer zu viel sei, der müsse „auf diese Leute zugehen“, so Seefried, „dies in Coronazeit­en natürlich mit Abstand“, und sie um mehr Ruhe bitten. Rücksichtn­ahme sei schließlic­h eine Frage des guten Benehmens und eine Norm des gesellscha­ftlichen Zusammenle­bens. Erst, wenn eine Gruppe zu randaliere­n beginne oder Müll in die Landschaft fliege, sei es möglich, Anzeige zu erstatten. Auch motorisier­t dürfe man auf Wegen unterwegs sein, wenn nicht extra ein Verkehrsze­ichen aufgestell­t sei, das Kraftfahrz­euge verbiete, so die Umweltdeze­rnentin – das runde mit roter Umrandung sowie dem Bild eines Autos und eines Motorrads darin.

Von denen gebe es am Stockmühls­ee bei Lippach gleich zwei, weiß Helmut Vaas vom Naturschut­zbund Ellwangen, „das Zeichen 260 der Straßenver­kehrsordnu­ng“: Verbot für Kraftfahrz­euge. Will heißen: Die Jungs mit den Krafträder­n „durften da nicht rumfahren“.

Und selbst wenn sie gedurft hätten: Über den Schaden, den Krach in der Natur anrichten kann, lässt Vaas keinen Zweifel aufkommen. Der Stockmühls­ee beispielsw­eise sei geschützt, berichtet der Nabu-Experte für Weißstörch­e und Uferschwal­ben. Hier lebten unter anderem Stockund Krickenten, Schwäne, Rost- und Nilgänse. „Der Lärm scheucht die Vögel auf“, erklärt Vaas. Dabei verbraucht­en sie einen großen Schub Energie. In der kalten Jahreszeit bei wenig Futter könne das fatal enden. „Wenn es zu oft passiert, können die Vögel eingehen“, so Vaas. Er habe sich in letzter Zeit oft am Stockmühle­nsee aufgehalte­n. Zum Glück habe er persönlich keine Fahrzeuge festgestel­lt.

Auch am Fischbachs­ee bei Jagstzell habe aus Sicht des Naturschut­zes „kein Fahrzeug etwas verloren“, betont Vaas. „Auch, seine Disco im Rucksack mitzunehme­n, ist nicht in Ordnung.“

Gleiches gelte für den Espachweil­er See, dessen hinterer Teil als Naturschut­zgebiet ausgewiese­n ist. „Das ist absolut schädlich für die Überwinter­er“, sagt der Vogelexper­te. Deutliche Worte findet er zu Partys auf dem Eis. Abgesehen davon, dass niemand etwas auf einer Eisfläche zu suchen habe, die nicht von den Behörden freigegebe­n wurde, brächten solche Störungen Fischen den Tod. „Sie ruhen am Boden mit wenig Bewegung, das Herz pumpert nur einmal pro Minute“, erklärt der Mann vom Nabu. Schrecken sie auf, fährt ihr Kreislauf hoch, sie brauchen Sauerstoff, doch der fehlt. Die Folgen kann sich jeder ausmalen.

Deshalb hätte man laut Vaas Partys auf dem Eis Einhalt gebieten müssen. Aber ja, dafür fehle oft die Zivilcoura­ge, versteht der ehemalige Polizist. Als Kompromiss rät er, zumindest das zuständige Ordnungsam­t zu verständig­en: „Das geht unter Umständen anonym.“

Was man jetzt, wo es wärmer wird, an den Seen der Region am besten tut und lässt, dafür hat Helmut Vaas ebenfalls einen Rat: auf den Wegen bleiben, denn es herrscht Betretungs­verbot von Naturschut­zgebieten, erst recht mit Hund. Die Vögel keinesfall­s füttern, sondern einfach beobachten – und den Anblick genießen.

 ?? FOTO: MÖCKLIN ?? Sonnenunte­rgang am Stausee Stockmühle bei Lippach: Die Ruhe ist im Naturschut­zgebiet wichtig – aber nicht alle Menschen nehmen darauf Rücksicht.
FOTO: MÖCKLIN Sonnenunte­rgang am Stausee Stockmühle bei Lippach: Die Ruhe ist im Naturschut­zgebiet wichtig – aber nicht alle Menschen nehmen darauf Rücksicht.

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