Click and Meet contra Märkte
Aalener Händler schreiben einen Brandbrief an Kretschmann.
- Ein großer Büchertisch im Eingangsbereich eines Supermarkts, eine Aktionswand mit Haushaltsreinigern in einem Baumarkt – während der klassische Einzelhandel in der Aalener Innenstadt nach seiner kompletten Wiederöffnung am 8. März wegen der gestiegenen Corona-Zahlen im Ostalbkreis seit Montag beim System von Click and Meet, also der Kundenbedienung nur auf Terminvereinbarung, angelangt ist, scheinen die großen Märkte und Handelsketten auf der grünen Wiese mit ihren Sortimenten genau auf das Auf und Ab für ihre stationären Mitbewerber in der City zu reagieren. Nicht umsonst haben 24 Akteure aus der Aalener City schon zwei Tage vor der Landtagswahl, als sich wieder steigende Inzidenzzahlen für den Kreis bereits abzeichneten, einen Brandbrief an Ministerpräsident Winfried Kretschmann geschickt.
„Sie (...) schlossen willkürlich und im Gießkannenprinzip unsere Türen, nehmen uns unsere Existenzgrundlage und unsere wirtschaftliche Solidität und sorgen gleichzeitig dafür, dass beliebig ausgewählte Mitbewerber ,unsere Umsätze’, ,unsere Kundschaft’ und damit ,unsere Zukunft’ übernehmen. Sie zerstören mit ihren, nicht mehr nachvollziehbaren Verordnungen und ihrem Missmanagement die Vielfältigkeit und die Herzen unserer Städte, welche aus einer Vielzahl an leidenschaftlichen und vielfältigen Einzelhandelsbetrieben, einladender Gastronomie und Hotellerie und vielen innovativen mittelständischen Unternehmen und Branchen bestehen“, schreiben die 24 Unterzeichner, darunter auch Vertreter aus der Gastronomie, an den Wahlsieger vom vergangenen Sonntag. Und rechnen Kretschmann vor, dass hinter ihrem Anliegen, dem Einzelhandel wieder dauerhafte Perspektiven zu geben, 500 Mitarbeitende sowie zahlreiche familiäre und private Existenzen steckten. „Öffnen Sie bitte endlich die Branchen und Betriebe, die kein Pandemierisiko sind und auch keines waren, und halten sie diese offen. Durch deren weitere Schließung werden sie nichts erreichen, außer einer weiteren Schwächung unserer Wirtschaft und des Mittelstandes“, heißt es in dem Brandbrief weiter.
Wer dieser Tage mit offenen Augen in Aalener Supermärkten unterwegs ist, dem fällt durchaus auf, was und wie viel da inzwischen aus dem sogenannten Non-food-Bereich alles auf den Kassenbändern liegt: Blumensträuße und Büstenhalter, Socken und Schüsseln, Shorts und Shirts aus der Verkaufsecke des Kaffeekonzerns, die dieser in seiner Innenstadt-Filiale derzeit nur via Click and Meet verkaufen darf, und, und, und. Alles völlig legal, wohl gemerkt. Denn die Corona-Verordnung des Landes besagt, dass Verbrauchermärkte ihr Non-food-Sortiment dann völlig ungehindert verkaufen dürfen, wenn es die als systemrelevant eingestuften Sortimente an Lebensmitteln
und Dingen des täglichen Bedarfs nicht übersteigt. Gemessen am Anteil an der Verkaufsfläche. Mit der aktuellen Corona-Verordnung des Landes sei der erlaubte Sortimentsanteil von 50 auf 60 Prozent angehoben worden, erklärt dazu der Landtagsabgeordnete Winfried Mack (CDU) auf Nachfrage. Anbieter von Waren des täglichen Bedarfs dürften also jetzt noch ein weiteres Sortiment im Umfang von 40 Prozent führen. Nach der allerersten CoronaVerordnung im vergangenen Jahr musste laut Mack das weitere Sortiment bei Mischsortimenten abgedeckt oder abgesperrt werden. Dies habe sich aber als wenig praktikabel erwiesen. Aalens Citymanager Reinhard Skusa sagt auf Nachfrage, diese
Sortimentsverhältnisse dürften denn auch nicht geändert werden. Was wohl auch nicht geschehe, wie Skusa positiv unterstellt.
Dennoch spricht der Citymanager von „eklatanten Ungerechtigkeiten“, die nach Monaten der Ladenschließung und dem jetzt schon wieder vollzogenen Schwenk auf Click and Meet auch kein Mensch mehr begreife. Und welche die „dramatischen Entwicklungen“, die es zumindest in bestimmten Einzehlhandelsbranchen gebe, durchaus noch beschleunigten.
Das System Click and Meet, das seit Montag für den Einzelhandel im Ostalbkreis und damit auch in Aalen gilt, hält der Citymanager für „besser als nichts“. Den Kunden müsse dabei bewusst sein, dass sie, um einkaufen zu können, nicht aufwendig telefonieren oder mailen müssten. „Die Händler sind da, sind vorbereitet, man kann direkt hingehen und, wenn man Glück hat, sogar sofort seinen Einkaufstermin bekommen“, sagt Skusa. Zulässig ist bei Click and Meet ein Kunde pro 40 Quadratmeter Verkaufsfläche. „Niemand muss da einen Kaufzwang verspüren“, so Skusa weiter. Die Händler freuten sich auch, wenn jemand komme, der sich nur umschauen und informieren wolle.
Mack hält Click and Meet für eine sichere Lösung, die bei steigender Inzidenz der Situation angemessen sei. Denn eigentliches Ziel aller Regelungen für den Einzelhandel sei ja nicht, die Menschen komplett aus den Geschäften zu verbannen, sondern es gehe in erster Linie darum, die Bewegung größerer Menschenmassen
sagt der Landtagsabgeordnete Winfried Mack (CDU).
in den Fußgängerzonen und Einkaufsstraßen zu verhindern. Das gelinge auch mit Click and Meet, weshalb für Mack dieses System auch bei einem Inzidenzwert von über 100 denkbar wäre. Und die Händler könnten damit nicht nur den Zugang der Kunden steuern, sondern könnten damit etwa auch ihren Personaleinsatz besser einteilen. „Ein totaler Lockdown ist angebracht, wenn einem gar nichts mehr einfällt“, sagt Mack. Viel besser sei es, tagtäglich und je nach Situation um praktikable und sichere Lösungen zu ringen. „Wenn ich mit Click and Meet 80 Prozent der Händler erreiche, ist doch schon viel gewonnen“, sagt Mack.
Bleibt zum Schluss dennoch die Frage, wer auf den Verkauf in den Super-, Bau- und Lebensmittelmärkten auf der grünen Wiese ein kontrollierendes Auge hat. Dabei ist zu beachten, dass für Geschäfte mit mehr als 800 Quadratmetern Verkaufsfläche ab dem 801. Quadratmeter zwar eine
Beschränkung auf einen Kunden pro 20 Quadratmeter Verkaufsfläche vorgeschrieben ist. Diese Beschränkung gilt aber nicht für den Lebensmitteleinzelhandel (also auch Supermärkte), da dieser eine Grundversorgung darstellt. Will heißen: Im Gegensatz etwa zu Baumärkten muss vor Supermärkten also niemand zählen, wie viele Kunden sich gerade im Geschäft aufhalten. Grundsätzlich ist die Kontrolle der Einhaltung der Corona-Vorschriften Aufgabe der Ordnungsämter der Städte und Gemeinden. „Wir kontrollieren im Rahmen unserer personellen Kapazitäten und unserer Möglichkeiten“, sagt die Pressesprecherin der Stadt Aalen, Karin Haisch, auf Nachfrage. Und ergänzt, grundsätzlich seien die Betreiber und die Verantwortlichen in den Geschäften für die Einhaltung der Corona-Regeln verantwortlich. Dabei gehe sie davon aus, dass die Vorgaben für den Verkauf von den Märkten eingehalten würden.
„Wenn ich mit Click and Meet 80 Prozent der Händler erreiche, ist doch schon viel gewonnen“,