Autark im Grünen
Warum dem schwäbischen Fertighaushersteller Kampa gerade die Türen eingerannt werden
- Unbedingt in die Großstadt ziehen wollen? Das war einmal. Die Corona-Pandemie hat die Wohnwünsche der Deutschen neu justiert. Möglichst viel Wohnfläche, am besten mit Garten und unbedingt mit Breitbandinternetanschluss – das sind heute die Prioritäten auf dem Immobilienmarkt. Eigenheime sind gefragter denn je – und verteuern sich entsprechend kräftig. Im Schnitt um 8,2 Prozent sind die Preise für Ein- und Zweifamilienhäuser im vierten Quartal 2020 gegenüber dem Vorjahreszeitraum gestiegen.
Davon profitieren auch die Hersteller von Fertighäusern wie die Kampa GmbH mit Sitz in Aalen auf der Ostalb. „Wir erleben in unseren Internetanfragen schon länger eine Stadtflucht“, sagt Josef Haas, geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens, dessen Wurzeln bis ins Jahr 1900 zurückreichen. Und das nicht erst seit der Corona-Krise. Die aber hat dem Trend zweifellos noch einmal einen Schub gegeben. Die mit der verstärkten Nutzung von Homeoffice einhergehende Flexibilität bei der Wahl des Arbeitsorts dürfte bleiben. Und damit auch die Bereitschaft, wieder weiter zum Arbeitsplatz zu fahren. Dessen ist sich Haas sicher.
Kampa stellt Fertighäuser her, die der 49-Jährige Geschäftsführer Plusenergiehäuser nennt. Das heißt, sie produzieren mit den eingebauten Systemen in der Regel mehr Energie, als sie selbst verbrauchen.
Ein Werk hat Kampa unter anderem auch im oberschwäbischen Bad Saulgau. Dort werden Wandelemente für Österreich und Italien produziert, wie Haas erläutert. Knapp über 100 Mitarbeiter seien dort tätig. Zugleich ist hier der Verkaufsschwerpunkt für Ein-, Zwei- und Mehrfamilienhäuser. „Der Standort des Werkes Bad Saulgau und die somit gewährleisteten kurzen Weg zu den Baustellen ist ein enormer Logistikvorteil bei der Abwicklung unserer Bauvorhaben.“Es gehe nicht darum, billig zu bauen. Die Wegstrecke des Lebenszyklus müsse mitberücksichtigt werden, sagt er. Alle Häuser seien autark und unabhängig von den Energiekosten. Die Energieerzeugung erfolge konsequent mit regenerativer Sonnenenergie. Öl und Gas gibt es bei dem Unternehmen nicht. So etwas wird dem Kunden auch nicht empfohlen, wenn er danach fragt.
Damit die Wärme nicht verloren geht, ist das Thema Dämmung von besonderer Bedeutung. Früher ist Styropor zum Einsatz gekommen. Doch spätestens seit dem Brand im Grenfell Tower in London mit über 70 Toten ist die Fassadendämmung ins Gerede gekommen. „Die Anfragen sind damals durch die Decke gegangen.“Das ist die Initialzündung bei Kampa gewesen, sich mit dem Thema intensiver zu befassen und mit Partnern eine spezielle Fassade zu entwickeln, mit der auf Stypopor, der aus Erdöl hergestellt wird, verzichtet werden kann. Diese Vorhangfassade kann später normal verputzt, oder mit anderen Materialien veredelt werden.
Fertighäuser werden traditionell aus Holz gebaut, einem nachwachsenden und klimafreundlichen Baustoff. „Die Holzmenge, die für ein Haus benötigt wird, wächst in 23 Sekunden nach“, sagt Haas. Holz behält seine Eigenschaft als Kohlendioxidspeicher auch noch nach dem Fällen des Baumes so lange, bis es verbrannt wird. Der Marktanteil der Holzfertighäuser hat in den vergangenen Jahren kontinuierlich zugenommen: Bei den Ein- und Zweifamilienhäusern von rund 13 Prozent um die Jahrtausendwende auf nun deutlich über 20 Prozent, wie der Bundesverband Deutscher Fertigbau berichtet. Die rund 14 700 Beschäftigten der Branche mit ihren knapp 50 Mitgliedsunternehmen dürften im vergangenen Jahr voraussichtlich über 3,2 Milliarden Euro umgesetzt haben.
Der Fertigbau ist besonders stark im Süden der Republik. Baden-Württemberg und Hessen liegen bei über 30 Prozent. Bayern und RheinlandPfalz bei rund 25 Prozent. Das hängt auch mit der Struktur der Branche zusammen. Denn die Mehrheit der Fertighaushersteller ist im Süden Deutschlands angesiedelt. Namen wie Fertighaus Weiss aus Oberrot, Luxhaus aus Georgensgmünd, Schwörerhaus aus Hohenstein-Oberstetten und eben Kampa aus Aalen sind wichtige Branchenvertreter.
Neben der anziehenden Nachfrage profitiert Kampa von einem weiteren Trend: Die verkauften Häuser des Familienunternehmens werden immer wertiger. Im Jahr 2009 habe der Durchschnittsumsatz noch 167 000 Euro betragen. Zehn Jahre später seien es im Schnitt schon 400 000 Euro gewesen, sagt Haas. Und auch in punkto Ausstattung habe es Verschiebungen gegeben. So habe die Küche in den vergangenen Jahren sehr stark an Bedeutung gewonnen. Im Schnitt würden die Kunden nun 20 000 Euro dafür ausgeben. „Dafür haben Schlaf- und Wohnzimmer in den vergangenen Jahren an Bedeutung verloren.“
Sorgen macht Haas hingegen die Preisentwicklung des Rohstoffes Holz. „Die Begehrlichkeiten nach europäischem Holz sind hoch.“Die Exporte nach China und Amerika nehmen zu. Dies führe zu höheren Kosten bei der Beschaffung. Koste der Kubikmeter veredeltes Nadelholz aktuell rund 330 Euro, habe der Preis vor einem Jahr noch bei 250 Euro gelegen. Früher seien Lieferverträge mit einer Laufzeit von einem Jahr abgeschlossen worden, heute laufe ein Kontrakt in der Regel nur noch sechs Monate. Damit der Baustoff weiter seinen Beitrag zum Schutz des Klimas leisten könne, müsse der Preis für den Werkstoff bezahlbar bleiben, fordert der Unternehmer.
Und Sorgen macht Haas auch die politische Debatte rund um das Einfamilienhaus. Äußerst platzraubend und schlecht für das Klima – mit diesen Attributen hatte der Chef der Grünen-Bundestagsfraktion Anton Hofreiter das Einfamilienhaus jüngst bedacht und mit seinen Aussagen zur Wohnungspolitik und den Rahmenbedingungen für das Eigenheim im Grünen einigen Wirbel ausgelöst. Äußerungen, die Haas gar nicht verstehen kann, zumal der Holzbau „Vorreiter beim nachhaltigen, klimaschonenden Bauen“sei. Er gesteht jedoch ein, bei der Schaffung von günstigem Wohnraum „der falsche Ansprechpartner“zu sein.
Deshalb sei es wichtig, dass die Holzindustrie das Thema Aufstockungen noch stärker ins Visier nimmt. „Das ist sicherlich auch für uns Holzbauer ein Markt der Zukunft. Insbesondere in den Innenstädten und Ballungszentren werden wir nicht umhinkommen, durch Aufstockungen und Nachverdichtung, neuen Wohnraum zu schaffen.“Der Holzbau habe da heute schon Lösungen und werde sicherlich an der Spitze der Bewegung sein, glaubt Haas.
Zum einen, weil das geringere Gewicht den Baustoff Holz für Aufstockungen prädestiniere. „Zum anderen, weil vorgefertigte Bauelemente aus Holz die Bauzeit vor Ort verkürzen und damit Einschränkungen am Bestandsgebäude auf ein Minimum reduzieren.“Nicht nur auf Wohngebäuden kann somit zusätzlicher Wohnraum geschaffen werden, sondern gleichfalls auf Büros, Parkhäusern oder Supermärkten. Die oftmals nur einstöckigen Einzelhandelsgebäude bieten einer Studie zufolge Platz für Hunderttausende Wohnungen. Laut einer Untersuchung der TU Darmstadt und des Pestel-Instituts könnten allein durch die Dachaufstockung von Bürokomplexen und Verwaltungsgebäuden in Deutschland 560 000 Wohneinheiten errichtet werden. Das gesamte Potential durch Nachverdichtung wie Aufstocken, Umnutzung und Bebauung von Fehlflächen (zum Beispiel Brachflächen) bezifferten die Forscher auf 2,3 bis 2,7 Millionen Wohnungen.
Kampa hat auch ohne diese Möglichkeiten viel zu tun. Haas spricht von einem Auftragsbestand in Höhe von 308 Millionen Euro, der über ein Jahr Auslastung garantiere. Dieser verhindere, dass man sich stärker im Objekt- und Gewerbebau engagieren könne. Diesen Bereich, der zuletzt sieben Millionen Euro zum Umsatz beisteuerte, verstärkt auszubauen, kann sich der geschäftsführende Gesellschafter durchaus vorstellen, der mit seiner achtstöckigen Firmenzentrale ganz aus Holz mitten in der schwäbischen Provinz unweit der Autobahn gezeigt hat, was mit Holz alles möglich ist.
Das K8 genannte Gebäude ist ein Musterhaus für den mehrstöckigen Fertigbau. Beton und Stahl sucht man dort vergebens, die klassischen Baustoffe sind nur im Keller zum Einsatz gekommen. Die tragende Konstruktion ist aus Massivholz. Und selbst das Treppenhaus und der Aufzugsschacht sind komplett aus Holz gefertigt. Der Kampa-Eigentümer verweist darauf, dass Holzhochhäuser normalerweise Hybridbauten sind, in denen der Aufzugsschacht aus Beton und Stahl besteht. Zugleich versucht er mit Vorurteilen aufzuräumen mit Blick auf den Brandschutz. „Holz brennt nicht schneller.“Wenn etwas zuerst brenne, dann seien dies meist Möbel oder andere Teile der Inneneinrichtung, aber nicht die Gebäudehülle.