Villa Rot eröffnet schillernde „Anderswelten“
Der moderne Anbau des Museums ist ganz David Czupryn gewidmet – Besichtigung nach vorheriger Anmeldung
- Eigentlich hätte die Ausstellung „Anderswelten“in der Villa Rot bei Burgrieden bei Laupheim bereits am 1. November 2020 eröffnen sollen. Nun ist es – wohl bis zum 6. Juni 2021 – möglich, in die „Anderswelten“abzutauchen. Außerdem ist aktuell die Ausstellung mit Werken des Düsseldorfer Künstlers David Czupryn, die in den vergangenen Jahren entstandenen sind, zu besichtigen. Der 37-jährige Czupryn ist Schreiner, Bildhauer und Maler – und all die Fähigkeiten dieser Ausbildungen und Studien gehen in seine Werke ein.
Der moderne Anbau der Villa Rot ist ganz David Czupryn gewidmet. Der blickt von einem etwas erhöhten Selbstbildnis herab auf die Ausstellung. Am liebsten sei es ihm, so erzählt der Künstler, wenn Ausstellungsbesucher seine Werke ohne Vorinformationen betrachten – hat Czupryn doch die Eigenschaft, gesellschaftliche Diskussionspunkte und schwierige Ereignisse in „schönen“Bildern mit tiefer Symbolik darzustellen. 2020 beispielsweise entstand sein Werk „Neophyten“, das eine Bronzearbeit von Max Ernst aufgreift, ohne sie zu imitieren. Neophyten sind Pflanzen, die durch direkte oder indirekte menschliche Mithilfe an einen anderen Ort gelangen und bisweilen heimische Arten verdrängen.
Czupryn interpretiert Ernsts Figurengruppe, indem er aus dem ungleichen Königspaar eine Flüchtlingsfamilie macht, den Mann als Sandsteinfigur mit ägyptischen Hieroglyphen und gesichtslosem Kind und die Frau als Meerjungfrau darstellt. Die Pflanzen, die eine unterschwellige gesellschaftliche Angst vor Verdrängung andeuten, entdeckt der Betrachter erst auf den zweiten oder dritten Blick.
Dieser zweite oder dritte Blick ist bei der „Anderswelten“-Ausstellung besonders gefordert. Angesichts des
Umstandes, dass ein Ausstellungsbesucher durchschnittlich elf Sekunden vor einem Kunstwerk in einem Museum verbringt, habe er eine Ausstellung in die Villa Rot bringen wollen, die vom Betrachter ein längeres Hinsehen, ein Suchen und Vertiefen verlangt, so Museumsleiter Marco Hompes, der die Villa Rot in diesem Jahr verlassen wird. Hompes erfüllte sich mit „Anderswelten“einen Herzenswunsch, nämlich Malerei zu zeigen, die in andere Welten entführt: in fantastische, in innere, rätselhafte.
Jonas Burgert beispielsweise zeigt im Gemälde „klein keilt“eine junge männliche Person in einem farbstarken Badezimmer. Auf der Schulter der menschlichen Figur mit der angespannten Körperhaltung sitzt ein Dämon mit aufgerissenem Maul, der – einem Leuchtfisch ähnlich – von der Stirn aus eine Lampe vor sich her trägt, gleichzeitig aber die menschliche Figur in einem albtraumartigen Würgegriff hat.
Ganz anders Maxim Brandt: Seine Werke zeigen durchgehend Rückzugsorte in traumhaften, poetisch-visionären Welten. Das Säulengebäude auf einer grünen Insel mitten im Wasser, das zum Motiv des Ausstellungsbegleitheftes wurde – was mag den Betrachter auf der anderen Seite der Säulen erwarten? Autobiografisch ist das Schaffen von Hortensia Mi Kafchin, geboren in Rumänien als Mann. In „A SelfFulfilling Prophecy“lässt Hortensia Mi Kafchin den männlichen Körper als tote Hülle zurück – Symbol der Geschlechtsangleichung, der sich die Künstlerin unterzog.
Das jüngste Bild Mi Kafchins allerdings verweist auf Aussichtslosigkeit. Die zuvor erträumte Freiheit erfüllte sich bislang nicht, dunkle Gewitterwolken stehen dort, wo zuvor ein lächelnder Wind sie aufwärts trieb.
Gerade für Kinder, berichtet Marco Hompes, sei Florian Rautenbergs Installation „Miss Rocket’s Lucky Day“ein tolles Erlebnis. Das begehbare Werk in seinen bunten Farben hat etwas von Kinderzimmeratmosphäre,
von Träumen von Macht und Unverwundbarkeit.
Juliane Hundertmark übermalt und malt Szenen, die wie Fotos aus Familienalben einer vergangenen Zeit wirken – um sie mit Fantasiewesen zu bevölkern, Chimären aus Mensch und Tier oder aus verschiedenen Tieren.
Unter den insgesamt zwölf ausstellenden zeitgenössischen Künstlern ist auch eine Ulmerin, die Autodidaktin Edith Nürnberger, die für ihre Bilder skurriler Tier-MenschMischwesen, die meist auf zwei Beinen daherkommen, 2018 mit dem Preis der Ulmer Künstlergilde ausgezeichnet wurde.