Schulden steigen stärker als erwartet
Finanzminister plant mit neuen Krediten von 140 Milliarden Euro bis 2023
(dpa) - Die Corona-Krise mit Lockdown, Gesundheitskosten und Unternehmenshilfen belastet den Bundeshaushalt weiter. Finanzminister Olaf Scholz will im laufenden Jahr rund 60,4 Milliarden Euro mehr Schulden machen als bisher geplant. Für 2022 plant er eine Neuverschuldung von rund 81,5 Milliarden Euro. Auch dann solle dafür noch einmal die Ausnahmeregel der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse genutzt werden. Man sei aber optimistisch, dass die Auswirkungen der Pandemie dann nicht mehr so tief zu spüren und etwa nicht mehr so hohe Corona-Hilfen für die Wirtschaft nötig seien wie jetzt.
- Wegen der Corona-Krise wird die Finanzlage des Staates wohl noch länger angespannt bleiben. Am Montag ließ Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) seinen Haushaltsplan mit zusätzlichen Schulden von rund 140 Milliarden Euro in diesem und im nächsten Jahr veröffentlichen. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass manche wünschenswerte Zusatzausgabe in näherer Zukunft schwierig wird. Dies begrenzt den Handlungsspielraum der nächsten Bundesregierung.
Für 2021 ist ein Nachtragshaushalt nötig, den das Bundeskabinett an diesem Mittwoch beschließen soll. Weitere rund 60 Milliarden Euro Kredite kommen hinzu, sodass die Gesamtverschuldung des Bundes in diesem Jahr auf 240 Milliarden Euro steigt. Das macht fast die Hälfte des kompletten Haushaltes aus. Nach Angaben des Finanzministeriums werden damit unter anderem mehr Hilfen für Unternehmen bezahlt, weil die Kontaktbeschränkungen länger dauern. Für 2022 plant Scholz eine zusätzliche Kreditaufnahme von nochmals 80 Milliarden Euro.
Um das zu ermöglichen, muss die Schuldenbremse im Grundgesetz wie dieses auch nächstes Jahr außer Kraft gesetzt werden. Die Bremse begrenzt eigentlich die Kreditaufnahme des Bundes, kann aber in außergewöhnlichen Situationen ausgesetzt werden. In der Spitze der Koalition aus CDU und SPD ist das überwiegend Konsens. Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) schrieb schon im Januar, dass die Regel für eine geringe Neuverschuldung in den kommenden Jahren wohl nicht einzuhalten sei. Auch CDU-Chef Armin Laschet sprach sich für eine weitere Ausnahme 2022 aus.
Bei Scholz` Finanzplanung bis 2025 handelt es sich um eine Mischung aus realistischen Vorschlägen, Wünschen und Wahlkampf. Die endgültigen Beschlüsse fasst nach der Bundestagswahl im September erst die nächste Bundesregierung. Dieser gehören der jetzige Bundesfinanzminister und seine SPD vielleicht gar nicht an.
Allerdings wird jede Regierung vor den Herausforderungen stehen, die sich an den aktuellen Zahlen ablesen lassen. Es geht darum, die gigantischen Corona-Sonderausgaben, beispielsweise für Hilfsprogramme an die Wirtschaft, zu verringern. Gleichzeitig bleiben die Steuereinnahmen vorläufig um Dutzende Milliarden Euro jährlich hinter dem Vorkrisen-Niveau zurück.
Und natürlich formulieren alle Parteien kostspielige Ausgaben-Ideen, die sie nach der Wahl umsetzen wollen. Oft geht es dabei um höhere Investitionen in die Digitalisierung von Bildung und Verwaltung, die Modernisierung des Gesundheitssystems, Infrastruktur, Wohnungsbau und nicht zuletzt den Klimaschutz. So fordern die Grünen 50 Milliarden Euro zusätzliche Investitionen pro Jahr. Aber auch CDUWirtschaftsminister Peter Altmaier lässt sich nicht lumpen: Kürzlich schlug er vor, fast 30 Milliarden Euro jährlich für die Finanzierung der erneuerbaren Energien im Bundeshaushalt locker zu machen.
Dass nicht alles funktionieren kann, zeigt die aktuelle Auseinandersetzung um den Verteidigungshaushalt. Im kommenden Jahr soll er um gut zwei Milliarden auf rund 49 Milliarden Euro wachsen, danach laut Scholz` Planung aber auf rund 46 Milliarden sinken.
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) will dagegen viel mehr ausgeben. Sie plädiert für eine Steigerung auf fast 62 Milliarden pro Jahr bis 2025.
Auch anderen Ressorts hat das Finanzministerium alle neuen Ausgabenwünsche
für 2023 bis 2025 abgelehnt, die nicht bereits beschlossen sind. Einer der Gründe: Ab 2023 soll die Schuldenbremse wieder gelten. Ob das funktioniert – und dann politisch gewollt wird – steht in den Sternen.
Eine Alternative bestünde darin, die Schuldenregel zu verändern, beispielsweise Investitionen auszunehmen. Andererseits könnten mehr Einnahmen helfen, die die SPD unter anderem durch höhere Steuern auf große Einkommen, Vermögen und Erbschaften erwirtschaften will. Grüne und Linke denken teilweise in dieselbe Richtung. Dagegen werden Union und FDP sich wohl wehren, sollten sie an einer Regierungskoalition beteiligt sein.