Die Ruhe vor einer unsicheren Zukunft
Wie die Corona-Pandemie Aalener Hotels und Gasthöfe trifft.
AALEN - Keine Bustouristen, keine Wanderer, keine Radfahrer auf dem Kocher-Jagst-Radweg, ebenso keine großen Hochzeits-, Geburtstags- und Betriebsfeiern oder Vereinsversammlungen – die Corona-Pandemie wird nach den jüngsten Beschlüssen auch in den kommenden Wochen die Hotels und Gasthöfe weiterhin schwer belasten. Statt voller Hotelbetten und Gaststuben gibt’s allenfalls übernachtende Handwerker oder Geschäftsreisende und Essen zum Abholen. Wie Hotelbesitzer und Wirte damit zurechtkommen oder auch nicht, schildern sie den „Aalener Nachrichten/Ipf- und JagstZeitung“.
„An den Wochenenden könnten wir das City-Hotel Antik zulassen“, sagt Geschäftsführer Stephan Gerstmayer. Und unter der Woche seien gerade einmal ein paar wenige Geschäftsreisende aus Deutschland zu Gast. Wie viele der 50 Betten momentan belegt sind, will Gerstmayer gar nicht sagen. Nur so viel: „Vier unserer sechs Mitarbeiter sind nach wie vor in Kurzarbeit.“
Die Krise trifft das „Antik“nicht nur wegen der fehlenden Urlauber hart. „Noch mehr leiden wir unter den fehlenden Geschäftsleuten großer Firmen wie Mapal, Franke, Alfing oder Zeiss.“In normalen Zeiten hätten diese 50 Prozent des Hotelgeschäfts ausgemacht und das „Antik“sei auch an Wochenenden mit Asiaten, Südamerikanern oder US-Bürgern gut ausgelastet gewesen. Weil Besprechungen, Tagungen und Kongresse seit der Corona-Pandemie online stattfinden und der Großteil der Firmenmitarbeiter im Homeoffice arbeite, seien Geschäftsreisen nicht mehr notwendig und so auch kein Bedarf an Übernachtungsmöglichkeiten da. Und im Restaurant seien sämtliche Veranstaltungen wie Hochzeitsfeiern, Geburtstage oder Tagungen weggebrochen. Von 20 geplanten Hochzeiten habe im vergangenen Jahr gerade eine stattgefunden, sagt Gerstmayer.
Personell sei der Hotelbetrieb trotz geringer Belegung immens aufwendig, so Gerstmayer weiter. Bei jedem Frühstück etwa müssten genau die Hygieneund Abstandsregeln eingehalten und überwacht werden. Am Abend seien das Restaurant und die Bar geschlossen. Kleine Snacks oder Getränke könnten allerdings per Zimmerservice geordert werden, die dann zum Gast gebracht würden. Das sei ein erheblicher Aufwand für eine Dienstleistung, die sich unterm Strich gar nicht rechne, sagt der Geschäftsführer.
Um Personalkosten einzusparen, lege auch die Inhaberin Doreen Lapadus trotz Mutterschutz kräftig Hand an. Auch ihr Mann helfe am Wochenende immer wieder aus. „Anders könnten wir das Ganze finanziell nicht stemmen.“Ein großes Glück sei es, dass sich das „Antik“, das Doreen Lapadus seit 2009 führt, in Privatbesitz befinde und deshalb keine Pacht bezahlt werden müsse. Um sparsam zu haushalten, seien auch alle geplanten Investitionen wie Renovierungen auf
Eis gelegt worden. Auch der Hausmeister, der sich um kleinere Reparaturen gekümmert habe, sei in Kurzarbeit. Und auch bei ihnen, so Gerstmayer, hätten einige Mitarbeiter angesichts der mangelnden Perspektive gekündigt und sich einen Job an der Kasse von Supermärkten oder bei der Post gesucht, wo sie mehr verdienen würden als das Kurzarbeitergeld ausmache.
Michael Müller, Besitzer des Gasthofs Kellerhaus in Oberalfingen, ist mit der Auslastung der Fremdenzimmer unter der
Woche durch
Monteure oder Geschäftsreisende, gemessen an der Gesamtsituation, durchaus zufrieden. Und dass am Sonntag so viele Stammgäste, aber auch neue Gäste Essen holen und dass sich unter der Woche auch zahlreiche Stammgäste des Tagesessens auf diese Weise versorgen, ist für ihn ein großes Zeichen der Treue und Verbundenheit. Insgesamt aber, so sagt er, sei durch die Zwangsschließung des normalen Betriebs der Umsatz um zwei Drittel eingebrochen. Und die laufenden Fix- und Nebenkosten eines so großen Hauses gingen trotzdem weiter. Sie aufzufangen und für Liquidität zu sorgen, dazu sollen zwar die Soforthilfen des Bundes beitragen. Die seien aber vor allem am Anfang sehr zögerlich geflossen mit der Folge, dass auch das Kellerhaus laut Müller auf seine Reserven habe zurückgreifen müssen.
Reserven, die eigentlich für andere Dinge wie künftige Investitionen gedacht gewesen seien.
Am meisten treibt Müller, wie er sagt, die fehlende Perspektive für die Hotellerie und Gastronomie um mit einem zeitlichen Horizont, „wann wir denn einfach wieder ganz normal öffnen dürfen“. Und der ganz normale, persönliche Umgang mit den Gästen fehle ihm als Wirt mehr und mehr. Den Gästen, so weiß Müller, gehe es umgekehrt aber genauso. Langfristig am meisten geholfen wäre der Branche nach Müllers Überzeugung, wenn die Mehrwertsteuer auf Speisen dauerhaft auf sieben Prozent bleiben würde, wie dies derzeit vorerst der Fall sei. Die Soforthilfen hingegen müssten ja voll versteuert werden, „das holt uns bei der nächsten Steuererklärung dann wieder ein“.
Auch das „Goldene Lamm“in Unterkochen läuft derzeit trotz übernachtender Geschäftsreisender in „erheblich reduziertem Maße“, wie Geschäftsführer Alexander Asbrock sagt, der die Gesamtsituation als „komplex“beschreibt. Unter anderem, weil er als Hotelier schon jetzt spüre, wie sehr er eigentlich von dem abhängig sei, was in der Wirtschaft „in Präsenz“laufe. Und das sei momentan nicht mehr viel. Und werde vielleicht auch nie mehr so werden wie vor Corona. „Wenn die Hilfsgelder fließen, sind wir nicht in der Existenz gefährdet“,
sagt Michael Müller, Besitzer des Gasthofs Kellerhaus in Oberalfingen.
sagt Asbrock. Genau daran kranke es aber immer noch. Eine, wie einst versprochen, schnelle und unbürokratische Hilfe sehe er jedenfalls nicht. Eher sieht Asbrock Ungerechtigkeiten bei den Staatshilfen, die auch in seiner Branche dafür sorgen könnten, dass es am Ende Krisengewinnler gebe und solche, die vollends untergehen. Als ungerecht empfindet es Asbrock etwa, wenn in den Berechnungen eine Art Unternehmerlohn gar nicht angerechnet werde, sondern auf eine mögliche Sozialhilfe für die Besitzer und Betriebsinhaber verwiesen werde. Und Tilgungen etwa für Investitionsdarlehen würden weitaus weniger hoch anerkannt wie Pachten für Geschäftsräume.
Zu 50 Prozent ausgelastet sind derzeit das Aalener Hotel Estilo und das
Ratshotel, die jeweils über 60 Betten verfügen, sagt der Inhaber Patrick Schiehlen. Zu den Gästen gehörten vor allem Servicetechniker, Ärzte oder Pflegekräfte, die vorübergehend in Aalen beschäftigt sind. Mit Ausnahme von Touristen, die den Kocher-JagstRadweg erkunden oder das LimesMuseum anschauen wollten, seien seine Hotels bislang überwiegend von Geschäftsreisenden gebucht worden.
Übernachtungsgäste großer Firmen hat er momentan allerdings nicht. Da auch diese angesichts der CoronaKrise sparen müssten, hätten sie Prozesse und Strukturen unter anderem im Schulungsbereich geändert. Persönliche Treffen vor Ort seien durch die vielfältigen Online-Möglichkeiten abgelöst worden. Übernachtungsmöglichkeiten seien insofern nicht mehr gefragt. Das werde auch nach dem Ende
der Krise wohl so bleiben, vermutet Schiehlen.
Die großen Ketten würden es sich in der Krise einfach machen, sagt Schiehlen weiter. „Sie schließen ihre Hotels und greifen die staatlichen Hilfen ab. Und bei einer Wiederöffnung locken sie Firmen und Gäste mit Dumpingpreisen. Mit diesen können inhabergeführte Betriebe, die auch während der Pandemie geöffnet haben und mit der Bestellung von Lebensmitteln und Getränken die Arbeitsplätze von Lieferanten sichern, nicht mithalten.“Um sich bei fehlenden Rücklagen Kapital zu verschaffen, um überleben zu können, seien die angepriesenen KfWKredite schön und gut. Aber diese seien nicht umsonst zu haben, sondern müssten mit drei Prozent Zinssatz getilgt werden.
„Ich warte ab, wie es weitergeht“, sagt Jürgen Opferkuch, Inhaber des
Römerhotels und des Gasthofs Adler in Treppach. Die Situation sei mehr als bescheiden. Einen Abhol- oder Lieferservice gebe es mit Blick auf das Restaurant nicht. Vielmehr setzt Opferkuch auf die Produktion von Feinkostgläsern, mit denen er viele Supermärkte in Aalen beliefert. Im 70 Zimmer fassenden Römerhotel selbst würden die Geschäftsleute fehlen. Gerade einmal 20 Zimmer seien derzeit belegt. Auch Urlaubsreisende, die von Norden gen Süden fahren und hier einen Zwischenstopp einlegen, würden an Ostern fehlen. Schlimmer sei allerdings der Ausfall von Hochzeiten und Familienfeiern. Der Terminplan sei voll, die Ungewissheit, ob diese allerdings stattfinden können, sei jedoch groß.
„Der ganz normale, persönliche Umgang mit den Gästen fehlt mir mehr und mehr“,