Aalener Nachrichten

„Die nächsten Wochen werden schlimm“

Klinikchef Solzbach erwartet Ende Mai eine Entspannun­g der Corona-Situation

- Von Viktor Turad

- „Wir sind gerade in der dritten Welle der Corona-Pandemie. Die nächsten zwei bis drei Wochen werden ganz schlimm. Aber Ende Mai können wir durchatmen.“Dies hat der Vorstandsv­orsitzende der Kliniken Ostalb, Professor Ulrich Solzbach, am Dienstag in einer virtuellen Sitzung des Sozial- und Gesundheit­sausschuss­es des Kreistags gesagt. Der Klinikchef erwartet jedoch keine katastroph­ale Situation. „Wir haben das bisher immer gut hingekrieg­t.“Für nicht notwendig hielt er die Einrichtun­g von zwei Notfallzen­tren, wie sie die SPD beantragt hatte.

Die Sozialdemo­kraten hatten am Montag gefordert, die Behelfskra­nkenhäuser sofort zu reaktivier­en, die der Landkreis im vergangene­n Jahr bei Beginn der Pandemie bei der Ulrich-Pfeifle-Halle in Aalen und der Schwerzerh­alle in Schwäbisch Gmünd eingericht­et, dann aber nicht gebraucht hatte. Vor einem Jahr, blendete Solzbach zurück, hätten zwar Schutzmate­rialien, Beatmungsg­eräte und Intensivbe­tten, aber keine Betten an sich gefehlt.

Angesichts der Bilder aus Bergamo mit dem Transport von Särgen durch die Armee und Bildern von hilfesuche­nden Patienten vor den Kliniken habe man in Aalen und Schwäbisch Gmünd die beiden Behelfskra­nkenhäuser mit jeweils 100 Betten eingericht­et. Gebraucht habe man sie aber glückliche­rweise nicht, weil die Kliniken in den Notfallmod­us gegangen seien. Man habe priorisier­t – mit der Konsequenz, dass Operatione­n, die nicht Folge eines Notfalls waren, verschoben worden seien, Leistenbrü­che etwa.

Dadurch habe man zehn bis 20 Prozent mehr Intensivpl­ätze geschaffen und Fachkräfte aus den Operations­bereichen dafür rekrutiert. „So sind wir mit einem blauen Auge davon gekommen.“

Aus der zweiten Welle habe man gelernt, sagte Solzbach weiter, dass man bei Patienten an den Beatmungsg­eräten zu früh intubiert habe, weswegen viele gestorben seien. Nun habe man es mit einem mutierten Virus zu tun, der eine ganz andere Dynamik entwickle. Der Mediziner: „Dessen Wucht erfahren wir gerade seit drei bis vier Wochen.“Betroffen seien nun viel jüngere Leute, die Intensivst­ationen seien zu mehr als der Hälfte mit Covid-Patienten belegt und diese müssten länger bleiben.

Durch das Herunterfa­hren des normalen Betriebs habe man nun alle Kräfte gebündelt. Zugute komme den Kliniken, sagte Solzbach weiter, dass etwa 70 Prozent der Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r geimpft und damit geschützt seien. „Das ist sehr gut und auf sie kann man sich verlassen.“

Man hätte aber kein Personal für die Behelfskra­nkenhäuser, so der Klinikchef weiter. „Diese sind also nicht das, was wir gerade brauchen. Wir bräuchten Intensivpe­rsonal, und das ist nicht da.“Den Pool der 35 Intensivbe­tten könne man maximal auf 45 erhöhen, indem Patienten zügig entlassen werden. Auch eine steigende Impfquote helfe. Jetzt sei die Situation sehr angespannt, die Nerven lägen blank, aber Ende Mai könne man durchatmen.

Bernhard Richter (SPD) sorgte sich um die Menschen, die sich eigentlich operieren lassen müssten, sich aber nicht in die Kliniken trauten und deswegen stürben. Er fürchte daher eine Art Kollateral­schäden. Deswegen dringe sein Fraktionsk­ollege Peter Gangl auf die Behelfskra­nkenhäuser. Zumal sich im vergangene­n Jahr gezeigt habe, dass viele Menschen bereit gewesen wären, hier auszuhelfe­n. „Uns treibt die

Sorge um, ob die Kliniken das alles leisten können.“Diesen Hinweis verband der Redner mit einem Dank an alle Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r in den Kliniken, die Richter zufolge Bewunderns­wertes leisten.

Bislang seien die Intensivst­ationen jeweils zur Hälfte mit Notfallpat­ienten und mit Patienten nach geplanten Operatione­n belegt gewesen, sagte Solzbach. Das verschiebe sich nun und man müsse gut abwägen, was dringlich sei. „Das haben wir bisher aber gut hingekrieg­t und es sind durchaus noch Betten frei.“

Man habe bisher keine Notfälle abweisen müssen, sagte der Vorstandsv­orsitzende der Kliniken auf

Anfrage von Josef Bühler (Freie Wähler). Die Kliniken seien erst seit dieser Woche wieder im Notfallmod­us. Er rechne nicht mit einer so katastroph­alen Situation wie in anderen europäisch­en Ländern.

Landrat Joachim Bläse wandte sich mit einem dringenden Appell an die Bevölkerun­g, sich an die Regeln zu halten. Es gehe darum, wieder auf Inzidenzen unter 200 und 100 zu kommen, damit der Alltag wieder normal funktionie­re. Es gehe darum, durch das eigene Verhalten neue Fälle zu verhindern. Dazu werde auch der Kreistag seinen Beitrag leisten: Er tage am kommenden Dienstag virtuell.

 ?? FOTO: LANDRATSAM­T OSTALBKREI­S ?? Behelfskra­nkenhäuser wie hier die Notfallamb­ulanz, die während der ersten Corona-Phase in der Aalener Greuthalle aufgebaut war, hatte die SPD-Kreistagsf­raktion gefordert. Professor Ulrich Solzbach, Chef der Kliniken Ostalb, hielt im Gesundheit­sausschuss des Kreistags dagegen.
FOTO: LANDRATSAM­T OSTALBKREI­S Behelfskra­nkenhäuser wie hier die Notfallamb­ulanz, die während der ersten Corona-Phase in der Aalener Greuthalle aufgebaut war, hatte die SPD-Kreistagsf­raktion gefordert. Professor Ulrich Solzbach, Chef der Kliniken Ostalb, hielt im Gesundheit­sausschuss des Kreistags dagegen.

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