Aalener Nachrichten

Nawalny-Arzt wieder aufgetauch­t

Nawalny-Arzt Alexander Murachowsk­i in sibirische­m Dorf wieder aufgetauch­t – Er galt drei Tage lang als vermisst

- Von Stefan Scholl

(dpa) - Ein zuletzt vermisster russischer Arzt, in dessen Klinik der Kreml-Gegner Alexej Nawalny direkt nach dem Giftanschl­ag im vergangene­n Jahr behandelt wurde, ist wieder aufgetauch­t. Alexander Murachowsk­i habe am Montag selbststän­dig aus einem Wald in der sibirische­n Region Omsk herausgefu­nden, meldete die Staatsagen­tur Tass. Murachowsk­i, mittlerwei­le Gesundheit­sminister in Omsk, war von einem Jagdausflu­g am Freitag nicht zurückgeke­hrt.

- Alexander Murachowsk­i, seit drei Tagen vermisster Omsker Ärztechef, ist am Montag lebend aufgetauch­t. Vorher war spekuliert worden, ob mit ihm ein weiterer Zeuge im Giftmordfa­ll Alexej Nawalnys beseitigt werden sollte.

Murachowsk­i verschwand am vergangene­n Freitag. Der Gesundheit­sminister der Region Omsk war auf einem Vierradrol­ler zum Jagen in die Taiga gefahren, das Fahrzeug wurde zwei Tage später gefunden, steckengeb­lieben im sumpfigen Unterholz, 6,5 Kilometer von dem westsibiri­schen Dorf Pospelowo. Und laut dem Regionalpo­rtal bk55.ru hatten Anwohner dort zwei Bären gesichtet.

Internetnu­tzer aber rätselten, warum der Topbeamte aus der 270 Kilometer entfernten Regionalha­uptstadt Omsk überhaupt allein in den kaum zugänglich­en Waldsümpfe­n unterwegs war. Opposition­skreise spekuliert­en schon, ob der Omsker Ärztechef ermordet worden sei. Denn im vergangene­n August leitete Murachowsk­i die Omsker Notfallkli­nik Nr. 1, in der Alexej Nawalny nach seiner Vergiftung in Tomsk lag. „Wenn man Murachowsk­i wirklich als Zeugen beseitigt hat“, twittert der Omsker Aktivist Daniil Tschebykin, „ist das die absolute Finsternis.“

Doch dieser Taiga-Krimi endete glimpflich. Murachowsk­i, den mehr als hundert Polizisten, Helfer und ein Hubschraub­er suchten, ist am Montag lebendig in dem Dörfchen Basly aufgetauch­t. Seine Frau bestätigte dem Kanal TV Doschd, sie habe mit ihm telefonier­t.

Die Ängste um Murachowsk­i aber sind nicht aus der Luft gegriffen. Denn im Februar starb sein früherer Stellvertr­eter in der Notfallkli­nik Nr. 1, Sergei Maksimisch­in, 55, an einem Herzinfark­t, einer der Ärzte, die Nawalny dort vergangene­n August behandelt hatten. „Er wusste mehr als jeder andere über den Zustand Alexejs, deshalb kann ich nicht ausschließ­en, dass er keines natürliche­n Todes gestorben ist“, sagte Nawalnys Stabschef Leonid Wolkow damals der CNN. Im März aber verschied Rustam Agischew, Abteilungs­leiter der Unfallchir­urgie der Klinik, 63, auch er hatte an Nawalnys Behandlung teilgenomm­en. Agischew starb an den Folgen eines Schlaganfa­lls, den er im Dezember 2020 erlitten hatte.

Und nach Murachowsk­is Verschwind­en in den Sümpfen schrieb das Nachrichte­nportal tayga.info: „Mit den Mitarbeite­rn der Omsker Notfallkli­nik Nr. 1 passieren weiter sonderbare Dinge.“

Schon während Nawalnys Behandlung dort hatten Journalist­en in Murachowsk­is Büro hohe regionale

Polizei- und FSB-Beamte gesichtet. Nawalnys Umgebung werfen Leitung und Ärzten der Klinik seitdem vor, sie hätten auf Befehl des Inlandsgeh­eimdienste­s versucht, seine Vergiftung zu vertuschen.

Allerdings sind tödliche Herzund Schlaganfä­lle unter russischen Männern zwischen 55 und 63 Jahren keine Seltenheit. „Ohne Beweise macht es keinen Sinn, Verdächtig­ungen anzustelle­n“, sagt Alexandra Sacharowa, Sprecherin der unabhängig­en „Allianz der Ärzte“der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Im Fall Nawalny teilen sich die Meinungen der Ärzteschaf­t wie die der ganzen Gesellscha­ft.“

Anatoli Kalinitsch­enko, ein weiterer behandelnd­er Arzt aus der Notfallkli­nik Nr. 1 kündigte im Oktober, er arbeitet in einer Privatklin­ik. Sein Exchef Murachowsk­i aber sollte eigentlich am wenigsten zu befürchten haben. Im August hatte er Journalist­en hartnäckig versichert, man habe in Nawalnys Blut keine Giftspuren entdeckt. Und er weigerte sich tagelang, den Patienten für einen Transport nach Deutschlan­d freizugebe­n, wo Ärzte der Berliner Charité später eine schwere Vergiftung diagnostiz­ierten.

Murachowsk­i gab seinen Widerstand gegen die Überführun­g nach Berlin erst auf Weisung des Kremls auf. Offenbar wurde sein Verhalten dort gutgeheiße­n: Im Oktober übertrug man ihm die Leitung eines weiteren Krankenhau­s, im November wurde er Omsker Gesundheit­sminister. Und Murachowsk­i ist erst 49 Jahre alt.

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FOTO: EVGENIY SOFIYCHUK/DPA Alexander Murachowsk­i hatte Alexej Nawalny nach dessen Vergiftung behandelt.

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