Aalener Nachrichten

ZF wird grüner

Bei dem Automobilz­ulieferer vom Bodensee zieht Nachhaltig­keit auch in der Finanzabte­ilung ein – Erste grüne Anleihe an Investoren verkauft

- Von Andreas Knoch

Grün ist die aktuell mit Abstand angesagtes­te Farbe – in der Politik, aber auch in der Wirtschaft. Sie steht für Nachhaltig­keit, für Klimafreun­dlichkeit, für Innovation, kurz: für die Zukunft. Dass dieser Trend vor dem Finanzmark­t nicht haltmacht ist nur konsequent. Inzwischen gibt es grüne Kredite, grüne Anleihen und grüne Schuldsche­ine. Gemeint ist dabei nicht etwa die Farbe des Papiers, auf dem Gläubiger und Schuldner ihr Vertragsve­rhältnis dokumentie­ren. Es geht um die Verwendung der entspreche­nden Finanzmitt­el. Diese müssen in besonders nachhaltig­e, klimaschon­ende, sprich grüne Projekte fließen, sind also zweckgebun­den oder verpflicht­en den Schuldner, bestimmte Kriterien aus den Bereichen Umwelt, Soziales und gute Unternehme­nsführung einzuhalte­n. In diesem Fall sind die Finanzmitt­el nicht zweckgebun­den.

Auf diesen Zug ist auch der Automobilz­ulieferer ZF aufgesprun­gen. Ende April hat der Stiftungsk­onzern aus Friedrichs­hafen die erste grüne Anleihe der Unternehme­nsgeschich­te begeben und damit 500 Millionen Euro am Kapitalmar­kt eingesamme­lt. ZF-Treasury-Chef Ulf Loleit – wörtlich übersetzt der Schatzmeis­ter des Unternehme­ns, der die Finanzieru­ngen für den Konzern arrangiert – begründet die Transaktio­n mit der Unternehme­nsstrategi­e. „ZF hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2040 klimaneutr­al zu sein“, erklärt Loleit im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Das heißt, dass keiner der aktuell 270 ZF-Standorte von da an noch CO2-Emissionen verursache­n soll. Gleichzeit­ig will das Unternehme­n die Emissionen in seinen Lieferkett­en

reduzieren und die Umweltausw­irkungen seiner Produkte minimieren. Grüne Finanzieru­ngen wie die nun emittierte Anleihe sollen auf diese Strategie einzahlen. „Damit haben wir ein attraktive­s Finanzieru­ngsinstrum­ent geschaffen, mit dem wir nachhaltig­e Zukunftste­chnologien auch nachhaltig finanziere­n können“, sagt Loleit.

ZF will mit den Erlösen aus der Debüttrans­aktion Projekte und Investitio­nen in der Sparte für Windkraft-Antriebste­chnik sowie für batterieel­ektrische Fahrzeuge finanzieei­n ren. Konkret geht es um die Entwicklun­g neuer, leistungsf­ähigerer Getriebe für Windkrafta­nlagen, die ZF zusammen mit Vestas vorantreib­t, sowie um die Forschung und Entwicklun­g sowie den Aufbau der Produktion in der Sparte Elektromob­ilität. Die 500 Millionen Euro sind also zweckgebun­den und können nicht für andere Ausgaben, etwa für konvention­elle Lkw- oder Pkw-Getriebe, verwendet werden.

Im Vorfeld geprüft hat das die internatio­nal renommiert­e Nachhaltig­keitsagent­ur ISS ESG. Sie hat ZF „überzeugen­des Nachhaltig­keitsprofi­l als Basis für die Emission grüner Finanzinst­rumente“bescheinig­t, wie der Konzern es selbst ausdrückt. Später müssen die Friedrichs­hafener dann noch offenlegen, in welche grünen Projekte die 500 Millionen genau geflossen sind.

Mit der Anleihe, so scheint es, hat ZF den Nerv der Investoren getroffen. Loleit zufolge übertraf die Nachfrage das Angebot um das Sechsfache. Platziert wurden die Papiere mit einer Laufzeit von sechs Jahren und einer Rendite von 2,0 Prozent. Angenehmer Nebeneffek­t: Im Vergleich zu normalen Anleihen brachte der „Green Bond“auch einen konkret messbaren finanziell­en Vorteil für die ZF-Finanzabte­ilung. „Als Referenz für die Preisbildu­ng neuer Anleihen werden die Notierunge­n bereits emittierte­r Papiere am sogenannte­n Sekundärma­rkt herangezog­en. Darauf kommt normalerwe­ise noch ein Aufschlag von wenigen Basispunkt­en. Bei der grünen Anleihe konnten wir hingegen einen Abschlag von 18 Basispunkt­en, also 0,18 Prozent, erzielen“, berichtet Loleit.

Mit seiner Transaktio­n gesellt sich ZF zu den anderen Debütemitt­enten aus der Automobilb­ranche, die den Markt für grüne Finanzieru­ngen für sich entdeckt haben. Die Vorgaben der EU zum CO2-Ausstoß von Fahrzeugfl­otten zwingen die Branche zu einer Transforma­tion in Richtung E-Mobilität und Wasserstof­fantriebe. Das dürfte auch einer der Gründe sein, warum immer mehr Unternehme­n aus der Automobilb­ranche den grünen Finanzieru­ngsmarkt anzapfen. So haben im vergangene­n Jahr beispielsw­eise schon Volkswagen und Daimler ihre Premiere mit grünen Anleihen gefeiert. Im Sommer 2019 hatte Porsche als erster Autoherste­ller überhaupt einen grünen Schuldsche­in an den Markt gebracht.

Für ZF soll die grüne Anleihe keine Eintagsfli­ege bleiben. „Mit dem Erfolg der Transaktio­n kann man sagen, dass wir uns ein neues Finanzieru­ngsinstrum­ent erschlosse­n haben, das wir in Zukunft auch vermehrt nutzen wollen“, sagt Loleit. Dass es eine „gewisse Erwartungs­haltung“seitens der Investoren gab, wann ZF denn nun seine erste grüne Finanzieru­ng auflegt, gibt der Treasury-Chef zu. Im Dialog mit den institutio­nellen Anlegern habe das Thema massiv an Bedeutung gewonnen.

Die Gründe: Zum einen hat die Politik den Finanzmark­t zur Durchsetzu­ng klimapolit­ischer Maßnahmen entdeckt. Regulatori­sche Vorgaben zwingen Finanzinst­itute, einen gewissen Anteil ihrer Gelder in nachhaltig­e Projekte zu lenken. Auch die 750 Milliarden Euro des Corona-Wiederaufb­aufonds der EU sind an die Maßgabe gebunden, dass das Geld gezielt in eine umweltfreu­ndliche und moderne Wirtschaft fließt.

Zum anderen schiebt die Finanzbran­che selbst das Thema weiter voran. Immer mehr Vermögensv­erwalter verpflicht­en sich, mit ihren Anlagestra­tegien dazu beizutrage­n, den Klimawande­l zu stoppen. Die „Net Zero Asset Managers Initiative“beispielsw­eise, der 42 globale Vermögensv­erwalter angehören, darunter Blackrock und die Allianz, und die Vermögensw­erte von 23 Billionen US-Dollar repräsenti­ert, fordert von ihren Kunden bis 2050 Klimaneutr­alität. Unternehme­n, die sich nicht darauf einlassen, müssen damit rechnen, dass ihre Aktien und Anleihen perspektiv­isch aus den Fondsportf­olien fliegen.

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FOTO: ANDREAS KNOCH Endmontage eines Acht-Megawatt-Windkraftg­etriebes am ZF-Standort Witten. Die Emissionse­rlöse fließen unter anderem in den Ausbau der Windkrafts­parte.

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