ZF wird grüner
Bei dem Automobilzulieferer vom Bodensee zieht Nachhaltigkeit auch in der Finanzabteilung ein – Erste grüne Anleihe an Investoren verkauft
Grün ist die aktuell mit Abstand angesagteste Farbe – in der Politik, aber auch in der Wirtschaft. Sie steht für Nachhaltigkeit, für Klimafreundlichkeit, für Innovation, kurz: für die Zukunft. Dass dieser Trend vor dem Finanzmarkt nicht haltmacht ist nur konsequent. Inzwischen gibt es grüne Kredite, grüne Anleihen und grüne Schuldscheine. Gemeint ist dabei nicht etwa die Farbe des Papiers, auf dem Gläubiger und Schuldner ihr Vertragsverhältnis dokumentieren. Es geht um die Verwendung der entsprechenden Finanzmittel. Diese müssen in besonders nachhaltige, klimaschonende, sprich grüne Projekte fließen, sind also zweckgebunden oder verpflichten den Schuldner, bestimmte Kriterien aus den Bereichen Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung einzuhalten. In diesem Fall sind die Finanzmittel nicht zweckgebunden.
Auf diesen Zug ist auch der Automobilzulieferer ZF aufgesprungen. Ende April hat der Stiftungskonzern aus Friedrichshafen die erste grüne Anleihe der Unternehmensgeschichte begeben und damit 500 Millionen Euro am Kapitalmarkt eingesammelt. ZF-Treasury-Chef Ulf Loleit – wörtlich übersetzt der Schatzmeister des Unternehmens, der die Finanzierungen für den Konzern arrangiert – begründet die Transaktion mit der Unternehmensstrategie. „ZF hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2040 klimaneutral zu sein“, erklärt Loleit im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Das heißt, dass keiner der aktuell 270 ZF-Standorte von da an noch CO2-Emissionen verursachen soll. Gleichzeitig will das Unternehmen die Emissionen in seinen Lieferketten
reduzieren und die Umweltauswirkungen seiner Produkte minimieren. Grüne Finanzierungen wie die nun emittierte Anleihe sollen auf diese Strategie einzahlen. „Damit haben wir ein attraktives Finanzierungsinstrument geschaffen, mit dem wir nachhaltige Zukunftstechnologien auch nachhaltig finanzieren können“, sagt Loleit.
ZF will mit den Erlösen aus der Debüttransaktion Projekte und Investitionen in der Sparte für Windkraft-Antriebstechnik sowie für batterieelektrische Fahrzeuge finanzieein ren. Konkret geht es um die Entwicklung neuer, leistungsfähigerer Getriebe für Windkraftanlagen, die ZF zusammen mit Vestas vorantreibt, sowie um die Forschung und Entwicklung sowie den Aufbau der Produktion in der Sparte Elektromobilität. Die 500 Millionen Euro sind also zweckgebunden und können nicht für andere Ausgaben, etwa für konventionelle Lkw- oder Pkw-Getriebe, verwendet werden.
Im Vorfeld geprüft hat das die international renommierte Nachhaltigkeitsagentur ISS ESG. Sie hat ZF „überzeugendes Nachhaltigkeitsprofil als Basis für die Emission grüner Finanzinstrumente“bescheinigt, wie der Konzern es selbst ausdrückt. Später müssen die Friedrichshafener dann noch offenlegen, in welche grünen Projekte die 500 Millionen genau geflossen sind.
Mit der Anleihe, so scheint es, hat ZF den Nerv der Investoren getroffen. Loleit zufolge übertraf die Nachfrage das Angebot um das Sechsfache. Platziert wurden die Papiere mit einer Laufzeit von sechs Jahren und einer Rendite von 2,0 Prozent. Angenehmer Nebeneffekt: Im Vergleich zu normalen Anleihen brachte der „Green Bond“auch einen konkret messbaren finanziellen Vorteil für die ZF-Finanzabteilung. „Als Referenz für die Preisbildung neuer Anleihen werden die Notierungen bereits emittierter Papiere am sogenannten Sekundärmarkt herangezogen. Darauf kommt normalerweise noch ein Aufschlag von wenigen Basispunkten. Bei der grünen Anleihe konnten wir hingegen einen Abschlag von 18 Basispunkten, also 0,18 Prozent, erzielen“, berichtet Loleit.
Mit seiner Transaktion gesellt sich ZF zu den anderen Debütemittenten aus der Automobilbranche, die den Markt für grüne Finanzierungen für sich entdeckt haben. Die Vorgaben der EU zum CO2-Ausstoß von Fahrzeugflotten zwingen die Branche zu einer Transformation in Richtung E-Mobilität und Wasserstoffantriebe. Das dürfte auch einer der Gründe sein, warum immer mehr Unternehmen aus der Automobilbranche den grünen Finanzierungsmarkt anzapfen. So haben im vergangenen Jahr beispielsweise schon Volkswagen und Daimler ihre Premiere mit grünen Anleihen gefeiert. Im Sommer 2019 hatte Porsche als erster Autohersteller überhaupt einen grünen Schuldschein an den Markt gebracht.
Für ZF soll die grüne Anleihe keine Eintagsfliege bleiben. „Mit dem Erfolg der Transaktion kann man sagen, dass wir uns ein neues Finanzierungsinstrument erschlossen haben, das wir in Zukunft auch vermehrt nutzen wollen“, sagt Loleit. Dass es eine „gewisse Erwartungshaltung“seitens der Investoren gab, wann ZF denn nun seine erste grüne Finanzierung auflegt, gibt der Treasury-Chef zu. Im Dialog mit den institutionellen Anlegern habe das Thema massiv an Bedeutung gewonnen.
Die Gründe: Zum einen hat die Politik den Finanzmarkt zur Durchsetzung klimapolitischer Maßnahmen entdeckt. Regulatorische Vorgaben zwingen Finanzinstitute, einen gewissen Anteil ihrer Gelder in nachhaltige Projekte zu lenken. Auch die 750 Milliarden Euro des Corona-Wiederaufbaufonds der EU sind an die Maßgabe gebunden, dass das Geld gezielt in eine umweltfreundliche und moderne Wirtschaft fließt.
Zum anderen schiebt die Finanzbranche selbst das Thema weiter voran. Immer mehr Vermögensverwalter verpflichten sich, mit ihren Anlagestrategien dazu beizutragen, den Klimawandel zu stoppen. Die „Net Zero Asset Managers Initiative“beispielsweise, der 42 globale Vermögensverwalter angehören, darunter Blackrock und die Allianz, und die Vermögenswerte von 23 Billionen US-Dollar repräsentiert, fordert von ihren Kunden bis 2050 Klimaneutralität. Unternehmen, die sich nicht darauf einlassen, müssen damit rechnen, dass ihre Aktien und Anleihen perspektivisch aus den Fondsportfolien fliegen.