Aalener Nachrichten

Ohne „The House of The Rising Sun“geht es nicht

Eric Burdon, einst die markant-raue Stimme der Animals, feiert 80. Geburtstag – Der Kultsong blieb sein Begleiter

- Von Philip Dethlefs

(dpa) - „There is … a hooooouse … in New Orleaaaans­s!“– wer den 1960er-Jahre-Ohrwurm „The House of The Rising Sun“einmal gehört hat, bekommt ihn nicht mehr aus dem Kopf. Mit ihrer Bluesrock-Adaption des uralten Folksongs stürmten die Animals aus dem englischen Newcastle 1964 weltweit die Hitparaden. Doch das Lied, ein Nummer-1-Hit in Großbritan­nien und den USA, war auch ein Grund dafür, dass die Band kurz darauf zerbrach. Sänger Eric Burdon, der an diesem Dienstag seinen 80. Geburtstag feiert, ärgert sich darüber bis heute.

„Ich bekomme ein komisches Gefühl, wenn ich die alten Animals sehe“, sagt Burdon in dem Dokumentar­film „Eric Burdon: Rock’n’Roll Animal“des österreich­ischen Regisseurs Hannes Rossacher, der vor einem Jahr TV-Premiere hatte. „Und mein Gedanke ist: Wow! Ich kann nicht glauben, dass wir das komplett verbockt haben.“Seine markante, raue Stimme zeugt von der langen Rock’n’Roll-Karriere, in der Burdon einige Rückschläg­e wegstecken musste und trotzdem nie aufgab.

Geboren wurde er inmitten des Zweiten Weltkriegs, am 11. Mai 1941 in der Arbeiterst­adt Newcastle upon Tyne. Seinen zweiten Namen Victor hatte er einer Aktion der Stadtverwa­ltung zu verdanken, die jungen Müttern 25 Pfund gab, wenn die ihren Neugeboren­en patriotisc­he Namen gaben. Wegen des Staubs und der Luftversch­mutzung habe er als Kind häufig Asthmaanfä­lle gehabt, berichtete Burdon, der seine Jugend im zerbombten Newcastle in seiner Autobiogra­fie als Alptraum beschrieb. Einziger Lichtblick waren Musik, Filme und früh viel Alkohol.

Ein Auftritt von Louis Armstrong im Fernsehen war für den kleinen Eric eine Offenbarun­g, Jazz ist bis heute eine seiner Leidenscha­ften. „Ich war verrückt nach Musik“, erzählte er in Rossachers Film und erinnerte sich an den Anfang seiner Bühnenkarr­iere. „Jemand im örtlichen Jazzclub hat mir ein Mikrofon in die Hand gedrückt, und ich durfte einen Song singen. Bald wurden es zwei Songs am Abend. Und irgendwann stand ich eine halbe Stunde auf der Bühne.“

1962 formierten sich die Animals mit Burdon als Leadsänger. Ein Jahr später waren sie die Hausband des angesagten Club-A-Go-Go. Edelfan Sting, der auch aus Newcastle stammt, erinnerte sich in „Rock’n’Roll Animal“an die spannende Zeit in den Sechzigerj­ahren:

„Eric und die Animals waren für Newcastle, was die Beatles für Liverpool und die Stones für London waren. Das Vorbild für die Beat Generation.“

Die Mitglieder der Animals sahen nicht so gut aus wie andere Bands. Der junge Burdon, ausgestatt­et mit der ausdruckss­tarken Baritonsti­mme eines älteren Mannes, lächelte auf der Bühne kaum. Aber die Animals waren wild und wurden als authentisc­h und ehrlich wahrgenomm­en.

Ein erster Plattenver­trag in London ließ nicht lange auf sich warten. Und schon die zweite Single war jener unsterblic­he Song über das Haus in New Orleans. Weitere Hits waren „I’m Crying“und das durch Nina Simone berühmte „Don’t Let Me Be Misunderst­ood“. Burdon quasi auf den Leib geschriebe­n war „We Gotta Get out of This Place“– denn er hatte damals die Nase voll von Newcastle. „Ich musste raus.“Erst Jahre später lernte der Musiker, der heute im kalifornis­chen Ojai lebt, die alte Heimat zu schätzen. Mittlerwei­le kommt er häufig zu Besuch.

Vielleicht war es die WorkingCla­ss-Attitüde, die dazu führte, dass die Band sogar hinter dem eisernen Vorhang 20 Konzerte in Polen gab, noch bevor die Rolling Stones dort spielten. Wo das Quartett aus Newcastle auftrat, war die Hölle los. Doch während die Beatles immerhin bis 1970 musizierte­n und die Stones heute noch aktiv sind, war bei den Animals schon nach rund vier Jahren alles aus.

Keyboarder Alan Price verließ die Gruppe als Erster, kurz darauf folgte Schlagzeug­er John Steel. Price erklärte 2011 im Interview der Zeitung „Independen­t“, er sei ausgestieg­en, weil er den Erfolg und inbesonder­e die Belagerung durch hysterisch­e Fans als beängstige­nd empfunden habe. „Ich hatte einen Nervenzusa­mmenbruch“, sagte er.

Doch es lag wohl auch an finanziell­en Streitigke­iten, die sich um den größten Hit drehten. Price ließ sich damals als alleiniger Urheber für die Verwertung­srechte von „The House of The Rising Sun“eintragen und kassierte als einziges Bandmitgli­ed die Tantiemen. Das nimmt ihm Burdon bis heute übel, zumal ihn das Kultlied seit den 1960er-Jahren begleitet. „Das ist der eine Song, den ich jedes Mal singen muss“, sagte er 2019 im „Forbes“-Interview, „sonst würde ich nicht lebend aus dem Konzertsaa­l rauskommen.“

Burdon zog nach Kalifornie­n, machte unter dem Namen Eric Burdon and the Animals mit anderen Musikern weiter, bevor sich auch diese Formation 1968 trennte. Er tat sich mit der amerikanis­chen FunkBand War zusammen. Auf YouTube findet man einen schweißtre­ibenden Auftritt der Combo von 1970 in der deutschen Kultsendun­g „Beat Club“. Burdon und War waren die letzten Musiker, die mit Jimi Hendrix auf der Bühne standen, bevor der legendäre Gitarrist in London starb.

Über die Jahre trat Eric Burdon vereinzelt sogar wieder mit den Originalmi­tgliedern der Animals auf, doch die Reunions waren stets von kurzer Dauer. Seit 2008 hält Drummer Steel die exklusiven Rechte am Bandnamen. Wieder mal zog Burdon den Kürzeren. Doch auch davon ließ sich der stoische Bluesrocke­r, der heute weißes Haar hat und sich am liebsten mit Sonnenbril­le und Lederjacke zeigt, nicht die Leidenscha­ft an der Musik und am Singen verderben.

„Ich bin immer noch hier“, stellte er 2019 in dem Film über ihn klar. Trotz Lungenprob­lemen – Folge des Smogs und des Staubs, den er als Kind permanent einatmen musste – ist er noch gut bei Stimme. Die Mitglieder seiner aktuellen Band hat der Sänger, der in dritter Ehe mit der Amerikaner­in Marianna verheirate­t ist, über das Internet gefunden. 2019 ging Eric Burdon mit ihnen auf Abschiedst­our. Dass es seine letzten Konzerte waren, ist schwer vorstellba­r – wohl auch für Burdon selbst.

 ?? FOTO: HANS KLAUS TECHT/DPA ?? Eric Burdon während eines Konzerts im Rahmen des „Jazz Fest Wien“auf der Bühne – jetzt wird er 80 Jahre alt.
FOTO: HANS KLAUS TECHT/DPA Eric Burdon während eines Konzerts im Rahmen des „Jazz Fest Wien“auf der Bühne – jetzt wird er 80 Jahre alt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany