Neue Ökoregeln schmecken nicht jedem
Kreisbauernverband Ostalb veranstaltet virtuellen Heidenheimer Bauerntag
- Die Landwirtschaft soll ökologischer werden. So will es die Politik in Stuttgart und in Brüssel. Auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene wird gerade über neue Auflagen und Ausgleichszahlen verhandelt. Sicher ist schon jetzt: Das Umweltniveau wird insgesamt höher. Warum das besonders die baden-württembergischen Betriebe trifft und worauf sie sich jetzt einstellen müssen – darum ging es beim virtuellen Heidenheimer Bauerntag.
Gut 50 Gäste waren der Einladung des Kreisbauernverbands Ostalb gefolgt. Für den Vorsitzenden Hubert Kucher aus Schrezheim steht fest: „Auf die Landwirte ist Verlass.“Denn sie stellen auch in der Pandemie hochwertige Lebensmittel her und pflegen eine Kulturlandschaft, an der sich die Menschen freuen.
Das sieht auch der Heidenheimer Landrat Peter Polta so. Die regionale Landwirtschaft genüge höchsten Qualitätsansprüchen und zeichne sich durch kurze Transportwege aus. Corona habe gezeigt, wie wichtig eine zuverlässige Versorgung mit regionalen Lebensmitteln sei.
Kreisbauernchef Kucher erinnerte eingangs daran, dass die Landwirtschaft schon „erhebliche“Immissionen eingespart habe. Aber: „Das reicht nicht aus.“Er verwies auf die Privathaushalte und den Verkehr. In den Bereichen sei wesentlich mehr einzusparen. Kucher kritisierte „ideologische“Gesetze, mit denen die Politik übers Ziel hinausschieße. Er fragt sich, ob Familienbetriebe auch in Zukunft noch eine Chance haben, wirtschaftlich erfolgreich zu sein.
Damit hatte der Kreisbauernvorsitzende auf den Vortrag von Konrad Rühl übergeleitet. Er leitet die Abteilung Landwirtschaft im Ministerium für ländlichen Raum und Verbraucherschutz und berichtete über die gemeinsame europäische Agrarpolitik. Ab 2023 ändert sich nämlich so einiges. Allerdings ist noch nicht alles ausverhandelt. Das soll aber bis Jahresende geschehen.
Die Landwirte bekommen EUGeld aus zwei Säulen – die Betriebsprämien (Säule 1) und die Landesumweltprogramme (Säule 2). Wie Rühl informierte, soll die Junglandwirteprämie künftig erhöht werden. Zugleich sinkt die Basisprämie. Für Kleinerzeuger soll es weiterhin pauschale Regeln geben. Der EU-weite Schutz von Dauergrünland betrifft baden-württembergische Landwirte nicht. Im Ländle gibt es schon ein
Umbruchverbot von Grünland in Ackerland.
Was vielen Landwirten nicht schmecken dürfte: Ab 2023 müssen die Betriebe drei Prozent der Ackerfläche als nicht produktive Fläche ausweisen. Das ist die Bedingung für die künftige Basisprämie und ein sehr anspruchsvoller Punkt, wie Rühl meint. Zumal Landwirte den Anbau von Zwischenfrüchten und Eiweißpflanzen nicht anrechnen dürfen. Über den Flächenmangel wurde dann auch später rege diskutiert.
Ganz neu sind die sogenannten Ökoregelungen. Sie machen künftig 25 Prozent der Direktzahlungen aus Brüssel aus. Für Baden-Württemberg sind 80 bis 85 Millionen Euro in diesem Topf. Insgesamt will die EU den Landwirten sieben Maßnahmen anbieten – alle einjährig und alle freiwillig. Heißt im Umkehrschluss: Wer nicht mitmacht, sieht kein Geld von der EU.
Landwirte, die von den Ökoregelungen profitieren möchten, können zum Beispiel die nichtproduktiven Flächen mit Blühstreifen weiter aufstocken, auf eine vielgliedrigere Fruchtfolge umstellen oder auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel verzichten. Das Problem: Einen Teil dieser Maßnahmen bietet das Land aktuell in Säule 2 an. Weil sie aus Sicht der EU erfolgreich waren, hat sich Brüssel die Maßnahmen einverleibt. Folge: Baden-Württemberg kann sich etwas Neues überlegen.
Aus Brüssel kommt aber auch Gutes, wie Rühl den Teilnehmern des Heidenheimer Bauerntags erläuterte. Die Umverteilungsprämie für die ersten Hektare wird nämlich deutlich angehoben – auf 68 Euro bis 40 Hektar und auf 41 Euro bis 60 Hektar. Das sei eine deutliche Erhöhung und Stärkung der kleinen Betriebe, betonte der Abteilungsleiter des Stuttgarter Ministeriums.
Auch gibt es künftig gekoppelte Direktzahlungen für Mutterschafe, Mutterziegen und Mutterkühe, die auf Wiesen stehen. Von 2023 bis 2027 stellt Brüssel, wie Rühl weiter sagte, allein 4,9 Milliarden für die deutsche Landwirtschaft bereit. Davon wandern 15 Prozent in die zweite Säule für die Maßnahmen des Landes Baden-Württemberg.
Für Konrad Rühl steht fest: Aus Sicht des Landes wurde erfolgreich verhandelt, weil die baden-württembergischen Betriebe bei der Umverteilungsprämie besonders profitieren, ebenso bei der gekoppelten Direktzahlung. Freilich hat das Land nach seinen Worten jetzt das Problem, wie es die zweite Säule gestalten will. Das werde die Diskussion der nächsten Wochen sein. Ab 20. Mai gebe es erste Konsultationen im Ministerium für den Ländlichen Raum.
Kurz ging Rühl dann noch auf das Insektenschutzpaket des Bundes ein. Das habe den Landwirten zuerst gar nicht gefallen, sagte er, weil es den Pflanzenschutz massiv eingeschränkt hätte. Das Insektenschutzpaket wurde daher in das Biodiversitätsstärkungsgesetz umgewandelt. Rühl zufolge soll es in Naturschutzgebieten im Wald und auf Grünland künftig ein Verbot für Herbizide und ein Teilverbot für Insektizide geben. Da sei der Knopf aber noch nicht dran, sagte er. Anders als beim Glyphosat. Das Unkrautvernichtungsmittel wird in der Landwirtschaft ab 2024 verboten.
Wird damit das Ziel erreicht – der Bürokratieabbau? Das fragte sich in der anschließenden Diskussion Kreisbauernverbandsvorsitzender Hubert Kucher. Und: Wer garantiere, dass für den Landwirt am Ende kein Nullsummenspiel daraus werde? Schließlich müsse der ja in Vorleistung gehen und alle Auflagen erfüllen, bevor er hinterher bezahlt werde.
Rühl stimmte zu. Speziell die Ökoregelungen sind nach seinen Worten ein komplexes System. Am Ende müsse der Ausgleich fair sein, die Kosten müssten kompensiert werden.
Ein Teilnehmer fürchtet, dass die baden-württembergischen Landwirte, die sich in der Vergangenheit stark engagiert haben, ab 2023 weniger haben werden – bei gleichem Aufwand. Rühl entgegnete, dass das Finanzvolumen in der zweiten Säule erhalten bleibe. Allerdings räumte er ein, dass die Landwirte für die Gelder aus der ersten Säule in der Summe noch mehr tun müssten.
Johannes Strauß, Geschäftsführer des Kreisbauernverbands, hakte nach. „Laufen wir Gefahr, dass der Bund unsere guten Ideen in die erste Säule zieht – und wir müssen uns was Neues einfallen lassen?“Das müsse der Anspruch sein, wenn die badenwürttembergischen Maßnahmen überall zum EU-Standard würden, entgegnete Rühl. Also komme es in den nächsten Wochen und Monaten darauf an, wieder innovativ zu sein.
Ein weiterer Landwirt erinnerte an den „Kampf um die Pachtflächen“. Die hiesige Landwirtschaft konkurriere mit Produkten eines globalen Markts, auf dem teilweise „Sklavenbedingungen“herrschten. Rühl räumte ein, dass es eine „Einkommensdisparität“zwischen der Landwirtschaft und der freien Wirtschaft gebe. Die heimischen Landwirte hätten hohe Umweltauflagen und hohe Arbeitskosten, sagte er, sie hätten aber auch einen Vorteil – die Nähe zum Verbraucher und „eine kaufkräftige Kundschaft“.
Für den Ministerialbeamten steht zweierlei fest. Erstens: Die Landwirtschaft muss vielleicht noch mehr Werbung für ihre regionalen Qualitätsprodukte und die regionalen Kreisläufe machen, um die Vorteile besser nutzen zu können. Zweitens: „Landwirt ist immer noch ein schöner Beruf.“
Dem wollte niemand widersprechen. Aber die Flächen würden eben immer knapper und die Pacht immer teurer, meldete sich ein Landwirt zu Wort und erläuterte es mit den Anforderungen der Biodiversität und der staatlichen Förderung von Biogasanlagen. Künftig seien auch noch drei Prozent der Ackerflächen freizuhalten. Der Landwirt sieht große Probleme vor allem auf die Veredelungsbetriebe zukommen, also hauptsächlich auf die Tierhalter. „Womit sollen wir noch Einkommen generieren?“
Kreisbauerngeschäftsführer Strauß pflichtete bei. Im Industriepark bei Giengen siedle sich bald Amazon mit einem „Riesengebäude“an. Das Flächenangebot werde immer weniger, die Nachfrage immer mehr. Bundestagsabgeordnete Margit Stumpp (Grüne) kritisierte die vereinfachte Ausweisung von Baugebieten scharf. Das führe zu massenhaftem Missbrauch durch die Kommunen.
Kreisbauernchef Kucher nahm den Ball auf. Jedes Jahr gingen in Baden-Württemberg unter anderem durch neue Bau- und Gewerbegebiete 2000 Hektar Fläche verloren. Auch für Bienen und Schmetterlinge. „Daran ist doch die Landwirtschaft nicht schuld.“
Der Heidenheimer Landrat bot den Landwirten den Dialog an. Polta will mit ihnen bei einem Runden Tisch Landwirtschaft ins Gespräch kommen.
„Daran ist doch die Landwirtschaft nicht schuld.“
Kreisbauernchef Hubert Kucher über den Flächenverbrauch.