Eskalation nach Unfall in der Bahnhofstraße
Einsatzkräfte sind vom Verhalten der Betroffenen geschockt.
- Der Unfall in der Bahnhofstraße, bei dem ein zwölfjähriges Mädchen am Freitagabend schwer verletzt worden war, hat hohe Wellen geschlagen. Nicht nur in Aalen und im Land, sondern auch in der Türkei. In einem Interview mit dem erdogannahen Fernsehsender TRT berichtete der 37jährige Vater von Polizeibeamten, die gegen ihn Pfefferspray eingesetzt haben. Sein Verhalten und das seiner Bekannten und Verwandten hat er allerdings unter den Teppich gekehrt. Dieses ist auf den illegal gedrehten Videosequenzen zu sehen, die auch den „Aalener Nachrichten“vorliegen.
Freitagabend, 20.30 Uhr. In der Bahnhofstraße kommt es zu einem schweren Unfall. Eine Zwölfjährige ist mit ihrem Fahrrad auf dem Gehweg parallel zur Bahnhofstraße in Richtung Wasseralfingen unterwegs. Plötzlich fährt sie auf die Straße, ohne auf den Verkehr zu achten und wird von einer 25-jährigen Autofahrerin erfasst. Sofort werden Rettungskräfte über die Leitstelle gerufen. Neben Mitarbeitern des Malteser Hilfsdienstes werden ein Notfallsanitäter des DRK samt Notarzt zu der Unglücksstelle geschickt. Vor Ort sind auch Polizeibeamte, die den Unfall aufnehmen.
Die Situation ist angesichts der schweren Verletzungen des Mädchens, das bei dem Unfall keinen Helm getragen hat, dramatisch genug. Doch die Lage spitzt sich immer mehr zu, als der 37-jährige Vater sowie Verwandte und Freunde auf der Bildfläche erscheinen und die Rettungskräfte bei der Erstversorgung des
Kindes stören. Während der Vater diese anschreit, vehement angeht und bedroht und sich dafür wegen Widerstands gegen Polizei und Rettungskräfte verantworten muss, wird das Szenario von zwei 30 und 32 Jahre alten Bekannten illegaler Weise via Smartphone gefilmt, die die Videos auch in die Sozialen Medien einstellen. Dafür blüht ihnen laut Holger Bienert, Pressesprecher des Aalener Polizeipräsidiums, ein eigenes Verfahren vonseiten der Ellwanger Staatsanwaltschaft.
In kürzester Zeit entwickelt sich aus einem normalen, wenn auch tragischem Unfall eine Situation, der die Polizei kaum Herr wird. Die anfängliche Streifenbesatzung ruft schnell nach Verstärkung. Letztlich sind 13 Beamte
vor Ort im Einsatz, um die Lage unter Kontrolle zu bekommen. Warum der Vater und sein Umfeld so ausgerastet sind, erschließt sich Holger Bienert nach wie vor nicht. „Alle wollten nur helfen.“Auch in den Videosequenzen ist deutlich zu sehen, dass die Polizeibeamten versuchten, deeskalierend einzuwirken. „Wir verstehen, dass Sie aufgebracht sind, beruhigen Sie sich bitte und behindern Sie nicht die Versorgung der Schwerverletzten“, sagen die Beamten in dem Video am laufenden Band und bitten auch, die Videoaufnahmen einzustellen. Leider stoßen sie auf taube Ohren und werden vielmehr weiter unter der Gürtellinie provoziert. Die Folge ist, dass das Smartphone des 32-jährigen Hauptfilmers sofort beschlagnahmt wird. Um dieses wiederzuerlangen, habe er nach Informationen der „Aalener Nachrichten“mittlerweile das türkische Konsulat eingeschaltet.
Über türkische Medien wie den Fernsehsender TRT versucht der Vater,
das Verhalten der Beamten an den Pranger zu stellen. Davon ließe sich die Polizei allerdings nicht beeindrucken. Wer sich dreimal nicht an die höflich formulierten Anweisungen halte und vehement gegen Einsatzkräfte und Polizeibeamte vorgeht, müsse mit Konsequenzen rechnen, sagt Bienert. Den Einsatz von Pfefferspray gegenüber dem 37-jährigen Vater will er nicht bewerten. Er geht allerdings von einem rechtmäßigen Verhalten seiner Kollegen aus. Diese treffe auch keine Schuld, wenn der uneinsichtige Familienvater nach mehrmaligem Auffordern, sich zu beruhigen, zu Boden gebracht wurde, und sich dabei angeblich einen Finger gebrochen habe.
Dass dieser nicht einsichtig gewesen sei, zeige auch sein Verhalten vor dem Ostalb-Klinikum, in das seine schwer verletzte Tochter eingewiesen worden sei. Auch vor der Notaufnahme habe er samt seiner Gefolgschaft Mitarbeiter und Sicherheitspersonal bedroht und beleidigt. Dieser Vorfall sei auch für Ralf Mergenthaler, Pressesprecher des Ostalb-Klinikums, unschön gewesen. Seiner Ansicht nach habe der Vater so aufbrausend reagiert, weil bei der Erstversorgung eines Patienten im Schockraum der Zentralen Notaufnahme grundsätzlich kein Zugang für Angehörige möglich sei. Dies habe der Vater in dieser Ausnahmesituation offensichtlich nicht richtig verstanden. Verletzte Mitarbeiter sowie Sachbeschädigungen habe es in der Zentralen Notaufnahme allerdings nicht gegeben. Mittlerweile werde die Zwölfjährige in einer Spezialklinik in Stuttgart versorgt.
Die Zahl an aggressiven Patienten oder Angehörigen sei in der vergangenen Zeit im Ostalb-Klinikum gestiegen. Zugenommen habe auch die Gewalt gegenüber Rettungskräften und Polizeibeamten, sagt Bienert. Dass in einem Fall wie bei dem Unfall in der Bahnhofstraße die Nerven blank liegen, sei verständlich. Nicht zu verstehen sei es allerdings, dass die Arbeit der Rettungskräfte so vehement behindert werde. Dass solche Aktionen bei der Versorgung einer Schwerverletzten eher kontraproduktiv sind, sei Quertreibern nicht bewusst. Drastischer formuliert es der DRK-Kreisgeschäftsführer, Matthias Wagner. Wer Hilfe so behindert und die Arbeit der Rettungskräfte so angeht, müsse sich nicht wundern, wenn solche künftig nach einer Minute die Einsatzstelle wieder verlassen. „Den Respekt, den wir Unfallopfern entgegenbringen, erwarten wir auch von den Angehörigen.“
„Den Respekt, den wir Unfallopfern entgegenbringen, erwarten wir auch von den Angehörigen“, sagt Matthias Wagner vom DRK.