„Die Leute wollen einfach geimpft werden“
Impfzentrum schickt Impfdrängler wieder heim – Biontech in den Praxen weiter knapp
- Berichte über Impfdrängler häufen sich. Gibt es sie auch auf der Ostalb? Dr. Matthias Krombholz ist folgender Fall persönlich bekannt: Ein junger Mann – nicht aus seiner Praxis – gibt sich als 84Jähriger aus, bekommt in Ulm einen Impftermin und wird, wo er schon mal da ist, sogar geimpft. Frechheit siegt? Krombolz nimmt es mit Humor. „Ich war sprachlos. Aber so was gibt’s.“
Krombolz ist Allgemeinmediziner in Ellwangen und leitet eine Corona-Schwerpunktpraxis. Dass derzeit jeder sofort drankommen will, war für ihn absehbar. Der Arzt hat Verständnis dafür. „Die Leute wollen einfach geimpft werden.“Aber: „Wir können nur das verimpfen, was wir haben.“Das Problem: „Astrazeneca wollen viele nicht. Biontech will jeder. Aber das kriegen wir nicht geliefert.“
Fazit: Ein Impftermin mit Astrazeneca ist relativ schnell zu bekommen. Wer das nicht will, muss warten. Krombholz rechnet damit, dass die Hausärzte ab Ende Mai oder Anfang Juni besser mit Impfstoff von Biontech/Pfizer oder Johnson & Johnson versorgt werden.
Und kommt es in seiner Praxis auch vor, dass die Menschen schummeln? Dass sich ein junger Mann als 84-Jähriger ausgibt, würde sicher nicht durchgehen. Aber: „Man wundert sich, wie viele pflegebedürftige Angehörige es gibt“, meint
Krombholz – „und wer auf einmal schwerkrank ist.“
Wer nachweisen kann, dass er einen pflegebedürftigen Angehörigen betreut, bekommt auf diese Weise einen Impftermin – unabhängig vom Alter oder von Vorerkrankungen. Das hat sich längst herumgesprochen und fällt auch nicht unter Vordrängeln, wenn maximal zwei Betreuungspersonen angegeben werden.
Wer dabei schummelt oder falsche Angaben zum Alter oder zum Beruf macht, um die Impfreihenfolge zu umgehen, muss in Baden-Württemberg aber nicht mit Sanktionen rechnen. „Die paar, die es ausnutzen, machen das Kraut nicht fett“, soll Sozialminister Manfred Lucha am Dienstag in Stuttgart gesagt haben.
Wie sieht es im Kreisimpfzentrum
in Aalen aus: Welche Erfahrungen machen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort mit Impfdränglern? „Dazu wird keine Statistik geführt“, teilt Susanne Dietterle, Sprecherin des Ostalbkreises, auf Nachfrage mit. Ob jemand impfberechtigt sei, werde anhand der vom Sozialministerium vorgegebenen Liste und der darin geforderten Nachweise vor Ort im Impfzentrum geprüft. „Wer nicht impfberechtigt ist, wird abgewiesen und nicht geimpft.“
Wäre es da nicht sinnvoll, die Impfpriorisierung aufzuheben? Ob und wann das geschieht, ist dem Landratsamt nicht bekannt. Das werde von Bund und Land entschieden, heißt es. Susanne Dietterle weist darauf hin, dass die Priorisierung für die Impfstoffe von Astrazeneca und inzwischen auch von Johnson &
Johnson bereits aufgehoben ist.
Dr. Sebastian Hock impft nicht. Deshalb hat der Ellwanger Frauenarzt und Vorsitzende der Kreisärzteschaft Aalen auch keine Erfahrungen mit Menschen, die sich einen Impftermin erschleichen wollen. Auch von seinen Kolleginnen und Kollegen hat er bislang keine entsprechenden Rückmeldungen erhalten.
Dass die Menschen jetzt so schnell wie möglich geimpft werden wollen, ist für Hock aber verständlich. Sorge macht ihm freilich die „zunehmende Aggressivität“, die manche Patientinnen und Patienten gegenüber dem Personal in den Arztpraxen an den Tag legen.
Indessen fühlt der Allgemeinarzt Matthias Krombholz mit den Familien. Sie tun ihm „leid“. Besonders die Mütter. Sie seien mit Homeoffice und Homeschooling „einfach platt“. Immerhin: Seine Patientinnen und Patientin mit Vorerkrankungen sind „weitestgehend“geimpft.
Zum Impfen kommt die interne Dokumentation. Krombholz erzählt: Jeder, der in die Praxis kommt, wird angesprochen, ob er schon einmal oder zweimal und, wenn ja, wo geimpft worden ist. Zentral ist das in dieser Impfkampagne nämlich bislang nirgendwo erfasst.
Die vollständige Liste der impfberechtigten Personen gibt es zum Nachlesen unter https://sozialministerium.badenwuerttemberg.de/de/startseite/