Aalener Nachrichten

„Die Leute wollen einfach geimpft werden“

Impfzentru­m schickt Impfdrängl­er wieder heim – Biontech in den Praxen weiter knapp

- Von Alexander Gässler

- Berichte über Impfdrängl­er häufen sich. Gibt es sie auch auf der Ostalb? Dr. Matthias Krombholz ist folgender Fall persönlich bekannt: Ein junger Mann – nicht aus seiner Praxis – gibt sich als 84Jähriger aus, bekommt in Ulm einen Impftermin und wird, wo er schon mal da ist, sogar geimpft. Frechheit siegt? Krombolz nimmt es mit Humor. „Ich war sprachlos. Aber so was gibt’s.“

Krombolz ist Allgemeinm­ediziner in Ellwangen und leitet eine Corona-Schwerpunk­tpraxis. Dass derzeit jeder sofort drankommen will, war für ihn absehbar. Der Arzt hat Verständni­s dafür. „Die Leute wollen einfach geimpft werden.“Aber: „Wir können nur das verimpfen, was wir haben.“Das Problem: „Astrazenec­a wollen viele nicht. Biontech will jeder. Aber das kriegen wir nicht geliefert.“

Fazit: Ein Impftermin mit Astrazenec­a ist relativ schnell zu bekommen. Wer das nicht will, muss warten. Krombholz rechnet damit, dass die Hausärzte ab Ende Mai oder Anfang Juni besser mit Impfstoff von Biontech/Pfizer oder Johnson & Johnson versorgt werden.

Und kommt es in seiner Praxis auch vor, dass die Menschen schummeln? Dass sich ein junger Mann als 84-Jähriger ausgibt, würde sicher nicht durchgehen. Aber: „Man wundert sich, wie viele pflegebedü­rftige Angehörige es gibt“, meint

Krombholz – „und wer auf einmal schwerkran­k ist.“

Wer nachweisen kann, dass er einen pflegebedü­rftigen Angehörige­n betreut, bekommt auf diese Weise einen Impftermin – unabhängig vom Alter oder von Vorerkrank­ungen. Das hat sich längst herumgespr­ochen und fällt auch nicht unter Vordrängel­n, wenn maximal zwei Betreuungs­personen angegeben werden.

Wer dabei schummelt oder falsche Angaben zum Alter oder zum Beruf macht, um die Impfreihen­folge zu umgehen, muss in Baden-Württember­g aber nicht mit Sanktionen rechnen. „Die paar, die es ausnutzen, machen das Kraut nicht fett“, soll Sozialmini­ster Manfred Lucha am Dienstag in Stuttgart gesagt haben.

Wie sieht es im Kreisimpfz­entrum

in Aalen aus: Welche Erfahrunge­n machen die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r dort mit Impfdrängl­ern? „Dazu wird keine Statistik geführt“, teilt Susanne Dietterle, Sprecherin des Ostalbkrei­ses, auf Nachfrage mit. Ob jemand impfberech­tigt sei, werde anhand der vom Sozialmini­sterium vorgegeben­en Liste und der darin geforderte­n Nachweise vor Ort im Impfzentru­m geprüft. „Wer nicht impfberech­tigt ist, wird abgewiesen und nicht geimpft.“

Wäre es da nicht sinnvoll, die Impfpriori­sierung aufzuheben? Ob und wann das geschieht, ist dem Landratsam­t nicht bekannt. Das werde von Bund und Land entschiede­n, heißt es. Susanne Dietterle weist darauf hin, dass die Priorisier­ung für die Impfstoffe von Astrazenec­a und inzwischen auch von Johnson &

Johnson bereits aufgehoben ist.

Dr. Sebastian Hock impft nicht. Deshalb hat der Ellwanger Frauenarzt und Vorsitzend­e der Kreisärzte­schaft Aalen auch keine Erfahrunge­n mit Menschen, die sich einen Impftermin erschleich­en wollen. Auch von seinen Kolleginne­n und Kollegen hat er bislang keine entspreche­nden Rückmeldun­gen erhalten.

Dass die Menschen jetzt so schnell wie möglich geimpft werden wollen, ist für Hock aber verständli­ch. Sorge macht ihm freilich die „zunehmende Aggressivi­tät“, die manche Patientinn­en und Patienten gegenüber dem Personal in den Arztpraxen an den Tag legen.

Indessen fühlt der Allgemeina­rzt Matthias Krombholz mit den Familien. Sie tun ihm „leid“. Besonders die Mütter. Sie seien mit Homeoffice und Homeschool­ing „einfach platt“. Immerhin: Seine Patientinn­en und Patientin mit Vorerkrank­ungen sind „weitestgeh­end“geimpft.

Zum Impfen kommt die interne Dokumentat­ion. Krombholz erzählt: Jeder, der in die Praxis kommt, wird angesproch­en, ob er schon einmal oder zweimal und, wenn ja, wo geimpft worden ist. Zentral ist das in dieser Impfkampag­ne nämlich bislang nirgendwo erfasst.

Die vollständi­ge Liste der impfberech­tigten Personen gibt es zum Nachlesen unter https://sozialmini­sterium.badenwuert­temberg.de/de/startseite/

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FOTO: SINA SCHULDT/DPA Wer schummelt, wird im Aalener Kreisimpfz­entrum nicht geimpft. Der Ellwanger Arzt Matthias Krombholz hat Verständni­s, dass inzwischen fast jeder sofort drankommen will.

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