Frust in den Praxen
Kassenärzte rufen Bürger zur Geduld bei Impfungen auf
(dpa) - Ärger in Arztpraxen und Schwankungen beim täglichen Impffortschritt überschatten weiterhin die Corona-Impfkampagne in Deutschland. Deutschlands Kassenärzte warnten am Mittwoch davor, dass Praxen sich wegen Impfstoffmangels vermehrt ausklinken. Die Zahl der täglichen Corona-Impfungen ist im Vergleich zur Vorwoche gesunken. In den regionalen Impfzentren wurden teilweise keine Erstimpfungen durchgeführt – aufgrund fehlender Dosen. Mit anziehenden Lieferungen soll sich die Lage spätestens im Juni allerdings wieder entspannen.
Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, rief Impfwillige zu Verständnis bei aktuellen Problemen und Geduld auf. Termine könnten beim Arzt nur kurzfristig vergeben werden und müssten auch öfters umgebucht werden. „Die Praxen tun alles, was möglich ist“, sagte Gassen.
- Die Impfkampagne in Baden-Württemberg hat Fahrt aufgenommen: Laut Landesgesundheitsamt vom Mittwoch sind mehr als vier Millionen Menschen im Südwesten gegen das Coronavirus geimpft, davon gut 1,3 Millionen vollständig. Dennoch bleibt der Impfstoff knapp. Im Landtag von Baden-Württemberg hat ein mobiles Impfteam des Klinikums Stuttgart derweil am Dienstag und Mittwoch Hunderten Menschen die erste Dosis verabreicht. Eine Bevorzugung? Nein, sagt Landtagssprecher Willi Reiners.
Die Impfzentren im Land beklagen zu geringe Liefermengen. Der Landesvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung hat am Mittwoch Alarm geschlagen, dass die Hausärzte nach dem Wegfall der Impfpriorisierung überrannt würden. „Aktuell sind aber keine Erstimpfungen möglich, weil kein Impfstoff zur Verfügung steht und die Kapazitäten für die Zweitimpfungen benötigt werden“, erklärte Johannes Fechner und appellierte an die Bürger: „Rufen Sie daher bitte für Impftermine nicht in den Arztpraxen an, Sie blockieren die Telefonleitungen.“
Im Stuttgarter Landtag konnten sich in den vergangenen beiden Tagen indes rund 400 Menschen die erste Dosis Biontech-Vakzin verabreichen lassen. Laut Reiners richtete sich das Angebot nur an feste Mitarbeiter der Landtagsverwaltung, an die Abgeordneten sowie an diejenigen Journalisten, die als Teil der Landespressekonferenz regelmäßig im Parlament ein- und ausgehen, weil diese „enge Kontakte zu Landtagsmitarbeitern und Abgeordneten pflegen“, wie Reiners erläutert.
Dass es dieses Angebot trotz Lieferengpässe gab, erklärt der Landtagssprecher mit dem langen Vorlauf der Impfaktion. Da es im Abgeordnetenhaus keinen eigenen Betriebsarzt gebe, habe man vor Wochen beim Klinikum Stuttgart nachgefragt, ob es die Rolle des Betriebsarzts übernehmen und im Haus impfen könne – schließlich betreibe das Klinikum ein großes Impfzentrum. „Daraufhin wurde bereits Mitte April der Einsatz eines mobilen Impfteams für die 20. Kalenderwoche vereinbart.“Die Voraussetzung hatte zuvor das Sozialministerium von Manfred Lucha (Grüne) geschaffen. „Es hatte festgelegt, dass sich auch Mitarbeiter und Angehörige des Verfassungsorgans Landtag ab dem 17. Mai impfen lassen können, neben vielen weiteren Beschäftigten des öffentlichen Sektors.“So hätten Mitarbeiter des Klinikums etwa bereits Beschäftigte bei der städtischen Abfallentsorgung und bei den Stuttgarter Straßenbahn SSB geimpft. Sie alle gehören, wie auch Journalisten, zur sogenannten kritischen Infrastruktur, die in der Priorisierungsgruppe 3 einsortiert sind. Diese Gruppe ist bereits impfberechtigt.
Dass die rund 400 Impfdosen für die Aktion im Landtag überhaupt zur Verfügung standen, erklärt Reiners damit, dass die Vakzine also bereits seit Mitte April vom Klinikum eingeplant waren. Damals hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) schließlich noch signalisiert, dass sich die Länder Mitte des zweiten Quartals, also ab Mitte Mai, auf eine Flut an Impfdosen vorbereiten sollten. Gegenteiliges begann erst Ende April bekannt zu werden. „Ohne mehrwöchigen Vorlauf wäre eine solche Impfaktion nicht zu bewerkstelligen gewesen“, erklärt Landtagssprecher Reiners. Zudem betont er, dass laut Klinikum hierfür weder Personal noch Impfstoff aus dem zentralen Impfzentrum abgezogen worden seien, weil die Aktion seit vier Wochen geplant ist.