Autobahngesellschaft verstößt wohl gegen das Grundgesetz
Verkehrsminister Scheuer droht neuer Ärger – Gutachten bemängelt andauernde Beteiligung der Bundesländer
- Weniger● Staus, mehr Planbarkeit und schnellere Verkehrsinformationen für Autofahrer: Mit diesen Zielen ist die Autobahngesellschaft Anfang des Jahres gestartet. Mit der GmbH sind nicht mehr die Länder für die Autobahnen zuständig, sondern der Bund. Statt Prozesse zu vereinfachen, ist Chaos entstanden. Neuester Vorwurf: Die Autobahngesellschaft verstößt gegen die Verfassung. Die Verwaltungsreform droht zur nächsten Megapleite aus dem Hause von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) zu werden.
Bundesminister Scheuer hatte vor sechs Monaten noch von einem reibungslosen Start gesprochen und die Vorteile der GmbH gepriesen. Indem nicht mehr die Länder, sondern der Bund zentral für das 13 000 Kilometer lange Autobahnnetz zuständig sei, sollte mehr Tempo in die Planung gebracht und Kosten gespart werden. Als „größte Reform in der Geschichte der Autobahnen“, hatte Scheuer das Projekt gepriesen. Doch die Zentralisierung klappt offenbar nicht. Nach wie vor sind die Länder zuständig. Das hat nun der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags in einem Gutachten, das die GrünenBundestagsfraktion in Auftrag gegeben hat und der „Schwäbischen Zeitung“exklusiv vorliegt, herausgefunden. Damit verstößt die Bundesregierung gegen das Gesetz.
Die Zusammenarbeit zwischen der Autobahngesellschaft und den Ländern läuft über Kooperationsvereinbarungen. Die Länder kümmern sich darum, dass die 1400 IT-Systeme zentralisiert werden. Außerdem sind sie in der Planung von Autobahnen oder Brücken involviert. Damit übernehmen die Länder „eine Vielzahl der Aufgaben, die nach Artikel 90 Grundgesetz dem Bund beziehungsweise der Autobahn GmbH obliegen“, heißt es im Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes. Eine solche „Mischverwaltung ist für die Bundesautobahnen gerade nicht vorgesehen“, heißt es weiter. Denn genau diese sollte ja abgeschafft werden.
Ausnahmsweise seien solche Kooperationen rechtlich möglich, urteilt der Wissenschaftliche Dienst. Dafür müssen zwei Umstände vorliegen. Erstens darf diese Zusammenarbeit
Jahr 400 Millionen Euro mehr kosten als geplant. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Frage der Grünen hervor. Im Dezember 2020 war das Bundesverkehrsministerium noch davon ausgegangen, dass der Betrieb sich auf 1,38 Milliarden Euro belaufen würde. Wenige Monate später wurden für 2022 etwa 1,78 Milliarden Euro kalkuliert. Wie der Anstieg der Kosten um 30 Prozent entstanden ist, ist bis heute unklar.
Scheuers Ministerium wies die Vorwürfe zurück, niedrigere Berechnungen stammten aus älteren Prognosen. Doch statt Prozesse zu vereinfachen, scheint die Autobahngesellschaft Probleme zu schaffen – und sogar gegen Gesetze zu verstoßen.