Zeit für einen Neustart
nur „ein Einzelfall“sein, und sie darf nicht lange dauern. Einige Vereinbarungen wurden aber über drei Jahre geschlossen. Heißt: Die Gesellschaft wird erst Ende 2023 unabhängig von den Ländern arbeiten – und nicht bereits jetzt. Zweitens darf es die Kooperation nur geben, wenn ein besonderer, sachlich zu rechtfertigender Grund vorliegt. Dieser läge aber nicht vor. Die Vereinbarungen waren notwendig, weil die Bundesregierung nur zwei Jahre Zeit zum Aufbau der Gesellschaft hatte – viel zu wenig. Das wäre vermeidbar gewesen, urteilen die Gutachter. Denn die Bundesregierung wurde 2017 vom Bundesrechnungshof vor einer überhasteten Zentralisierung gewarnt. Die Prüfer blieben aber ungehört.
„Andreas Scheuer hat die Reform der Autobahnverwaltung gegen die Wand gefahren. Im Kern ist die Reform trotz des gesetzlichen Auftrags nicht abgeschlossen“, urteilt der haushaltspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, SvenChristian Kindler. „Andreas Scheuer verstößt bei der Autobahnreform gegen das Grundgesetz und die Gesetze“, kritisiert Kindler. Die Kooperationsvereinbarungen dürften nicht dauerhaft sein. „Der Bund muss hier eine verfassungskonforme Lösung finden. Die beste Lösung wäre es, die Autobahnreform schleunigst umzusetzen und endlich alle Aufgaben beim Bund zusammenzuführen“, sagt Kindler.
Doch auch an anderen Stellen knirscht es gewaltig. Zuletzt hatte die Autobahngesellschaft Probleme mit dem Zahlen von Rechnungen. Das führte sogar dazu, dass Unternehmen im April ihre Arbeit auf Baustellen niederlegten. In Bremen hatte eine Stahlbaufirma eine Brückensanierung gestoppt. Sie nahm die Arbeit erst wieder auf, nachdem die längst überfälligen Rechnungen bezahlt wurden. Das Bundesverkehrsministerium gelobte zuletzt Besserung. Nun kümmere sich ein Buchungsteam darum, dass die Unternehmer rechtzeitig bezahlt werden.
Ob das Projekt tatsächlich die gewünschten Effekte erzielt, bezweifeln viele Verkehrsexperten. Ein Grund dafür sind die explodierenden Kosten. So soll die Gesellschaft den Steuerzahler im kommenden
Wenn es so etwas wie Profiteure der Corona-Krise gibt, dann ist einer davon Andreas Scheuer. Unter normalen Umständen, wenn die Aufmerksamkeit von Politik, Medien und Öffentlichkeit nicht so stark auf die Pandemie gerichtet wäre, hätte der Bundesverkehrsminister längst zurücktreten müssen. Vor allem, aber nicht nur, wegen der geplatzten Pkw-Maut, die den Steuerzahler Hunderte Millionen Euro kostet.
Das Projekt einer Bundesautobahngesellschaft, das muss man der Fairness halber sagen, ist nicht auf Scheuers Mist gewachsen. Es war Teil einer Paketlösung in den Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern. Der erhoffte Effekt ist mehr Effizienz, etwa bei der Planung von Baustellen. Klar war aber von Anfang an: Für Baden-Württemberg und Bayern hätte es die Reform nicht gebraucht, im Süden war die Autobahnverwaltung schon vorher leistungsfähig. Den Nutzen haben – vielleicht, irgendwann – andere. Die Mehrkosten und den zusätzlichen Aufwand dagegen, den haben alle.
An dieser Stelle ist man dann doch wieder bei Scheuers Verantwortlichkeit. Dass die Autobahngesellschaft um Hunderte Millionen Euro teurer wird, ist bitter. Und dass die Umsetzung dann auch noch auf eine offenbar verfassungswidrige Weise erfolgt, fügt sich ins traurige Bild. Ein Rücktritt bringt es jetzt auch nicht mehr. Aber nach der Wahl muss es einen Neustart im Verkehrsministerium geben.