Vom Banker zum Bäcker
Mit Michele Giuliano steht ein Nachfolger für die Handwerksbäckerei Mack fest - Ein Glücksgriff für beide Seiten
- Der Duft nach frisch gebackenem Brot begleitet Michele Giuliano jeden Morgen, wenn er ins Büro kommt. Denn sein Weg führt vorbei an der Backstube, wo Dutzende Mitarbeiter der Handwerksbäckerei Mack in Westhausen Brezeln, Brötchen, Roggen-, Weizen- oder Dinkelbrot zubereiten. Giuliano ist mittendrin und das beschreibt auch schon, wo er sich selbst im Unternehmen sieht. „Es fühlt sich an, als hätte ich nie etwas anderes gemacht“, sagt er. Giuliano hat 2019 bei Mack in Westhausen die Geschäftsführung übernommen und leitet seither den Betrieb zusammen mit Roswitha Mack, der Ehefrau des Inhabers Hans-Günther Mack.
Das Ziel war von Anfang an für beide Seiten klar: Giuliano sollte den Betrieb nicht nur führen, sondern als Partner und Miteigentümer künftig übernehmen, also ein „Mack“werden mit Leib und Seele. Denn der Bäckerund Konditormeister HansGünther Mack, der den Betrieb 1983 von seinen Eltern übernahm, hat die 60 überschritten, zog sich schrittweise aus dem operativen Geschäft zurück und konzentriert sich mittlerweile auf das, was er am liebsten macht: Trends aufspüren und neue Produkte entwickeln.
Dem Traditionsbetrieb, der in der dritten Generation von der Familie Mack geführt wird, fehlte ein Nachfolger. Damit ist der Handwerksbetrieb nicht allein. Eine aktuelle Umfrage des Zentralverbands des Deutschen Handwerks hat ergeben, dass fast jeder vierte Betriebsinhaber über 60 Jahre alt ist: In den kommenden fünf Jahren steht bei 125 000 Betrieben in Deutschland die Nachfolge an. Doch die Zahl der familieninternen Übergaben geht seit Jahren zurück: Wurden 2016 noch 41 Prozent der Betriebe innerhalb der Familie weitergeführt, so schrumpfte der Anteil bis 2019 deutlich auf nur noch 34 Prozent. Auch bei den Macks war dieser Weg ausgeschlossen, denn beide Töchter und auch der Sohn hatten sich für andere Berufe entschieden.
Der Einstieg eines Externen ist dennoch für viele Familienbetriebe eine hohe Hürde. Die Kandidaten sind rar – und vor allem: Wie finden Betriebe und Übernahmewillige zusammen? Giuliano ist für die Macks ein Glücksgriff. Der studierte Banker hat den Betrieb schon jahrelang als Berater bei der Südwestbank begleitet. „Im Laufe der Zeit entsteht da ein enges Vertrauensverhältnis“, erklärt Giuliano. Die Idee, in den Betrieb seines Kunden einzusteigen, entstand dann eher zufällig: Giuliano regte damals an, die Produktion besser auszulasten und effizienter aufzustellen. Hans-Günther Mack war zwar einverstanden, wollte jedoch die Umsetzung des nächsten Schritts in der Unternehmensentwicklung nicht mehr allein stemmen. „Okay, aber dann machen Sie es“, soll er zu seinem Bankberater gesagt haben. Das war der Einstieg Giulianos und der Beginn eines neuen Kapitels in der Geschichte des 1925 gegründeten Betriebs.
Die Übergabe soll Schritt für Schritt erfolgen und sich über mehrere Jahre erstrecken. Die Transaktion ist nicht ganz simpel. Auch das zeigt die Umfrage des Handwerkverbands: Die Ermittlung des Unternehmenswerts und steuerliche Aspekte sind häufig Stolpersteine bei einer Betriebsnachfolge. Doch Giuliano kennt den Betrieb aus dem Effeff und für den Banker sind Zahlen schon immer das tägliche Brot gewesen und haben nichts Abschreckendes. Dennoch betont er: „Ich bin nicht nur der kühle Rechner!“In Wahrheit wurde ihm die Arbeit als Banker mit der Zeit zu abstrakt, zu weit weg von der Welt, wo „schöne und sinnvolle Produkte entstehen“, wie er es formuliert. Das Bodenständige und Sinnliche habe ihn gereizt: „Wir machen das, was jeder von uns täglich braucht und genießt, was unser Leben schöner und reicher macht, und was es immer geben wird“. Giuliano, in dessen Adern italienisches Blut fließt, ist der Sinn für gutes Leben und gutes Essen quasi in die Wiege gelegt. Er liebt Rotwein, Pizza – und natürlich Ciabatta und Casalino, beides aus der Backstube Mack. Eine Schwäche, so viel sei verraten, hat er für Brioche: „Da kann ich einfach nicht vorbeigehen“. Doch als Fußballer und Läufer achte er selbstverständlich auf sein Gewicht.
Eines möchte der 47-jährige Giuliano auf keinen Fall sein: Abgehoben. Als Kind italienischer Einwanderer in Leonberg aufgewachsen war er nicht auf Rosen gebettet, sein Vater starb früh, er und sein Bruder mussten selbstständig werden. „Arbeiten war für mich immer selbstverständlich“. Nach einer Bankausbildung hat er sich weitergebildet, neben seinem Job an der Hochschule für Bankwirtschaft in Frankfurt studiert, sich in der Heilbronner Region niedergelassen und Karriere gemacht. Zu einem Teil war es Idealismus, der ihn angetrieben hat, seinen gut dotierten Banker-Job aufzugeben und sich dem Bäckerhandwerk zu verschreiben. „Ich wollte Unternehmer
werden im besten Sinne, also etwas unternehmen und selbst etwas schaffen“, sagt Giuliano. Letztlich wolle er auch seinen beiden Söhnen, acht Jahre alt, etwas hinterlassen.
Seine DNA war es, gepaart mit den Fähigkeiten des Bankers und einer langjährigen Erfahrung als Berater mittelständischer Unternehmen, die Hans-Günther Mack und seine Frau davon überzeugten: Er ist der Richtige!
Mit ihm zieht auch eine neue Führungskultur bei der traditionellen Handwerksbäckerei ein: „Ich setze auf einen kooperativen Führungsstil.“Das heißt für ihn, seinen Mitarbeitern vertrauen, Spielraum geben und sie gleichzeitig fordern. Denn er brauche eine starke Mannschaft für seine Pläne, die bereits in der Mache sind: Seit seinem Einstieg hat er sechs weitere Filialen eröffnet und eine neue Vertriebslinie mit dem Lebensmittelhandel gestartet, über die seit kurzem mehr als 30 Aldi-Filialen in der Region beliefert werden. Die Zeichen stehen auf Wachstum, und das trotz der Pandemie, die auch für den Bäckerbetrieb Mack mehr Arbeit und weniger Umsatz bedeutet.
Mit rund 500 Mitarbeitern in der Produktion, in der Verwaltung und in den 46 Filialen von Crailsheim bis
Nördlingen und von Heidenheim bis Schwäbisch Gmünd, einige davon mit Café, ist das Unternehmen Mack längst nicht mehr der kleine Bäcker an der Ecke. Im Jahr 2000 zog die Backstube in die neue Produktionshalle nach Westhausen, wo täglich Zehntausende Brötchen und Brezeln gebacken und in die Filialen ausgeliefert werden. Das Streben nach bester Qualität hat unterdessen nicht nachgelassen, im Gegenteil: Mack beliefert auch Spitzenhotels wie das Kempinski und sogar Sterneköche.
Für Giuliano gehört die Bezeichnung „Handwerksbäckerei“zum Markenkern von Mack. Aber ist das glaubwürdig? „Ja“, betont der neue Chef und erklärt: „Natürlich arbeiten wir mit Maschinen, bei den großen Mengen, die wir produzieren.“Aber die Auswahl der Zutaten, die fast ausschließlich aus der Region kommen, ihre Verarbeitung, die minutengenauen Gehzeiten der Teige, die fein abgestimmten Gewürze und schließlich das Backen – all das folge den Grundsätzen der alten Handwerkskunst und gründe auf der jahrzehntelangen Erfahrung des Traditionsbetriebs. Dass es wirklich schmeckt, davon überzeugt sich Giuliano täglich selbst, bevor er morgens die Treppe hoch zu seinem Büro steigt.
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