Aalener Nachrichten

Bregenzer Festspiele im Normalmodu­s

- Rolf Waldvogel Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutunge­n und Schreibwei­sen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.

(kawa) - Die Proben für die Aufführung­en auf der Seebühne und im Festspielh­aus haben in Bregenz begonnen. Ab 22. Juli, dem Tag der Premiere von Verdis Oper „Rigoletto“, dürfen alle 7000 Zuschauerp­lätze in den Rängen der Seebühne besetzt werden. Ohne Einschränk­ungen und Maskenpfli­cht werden auch die drei Aufführung­en von „Nero“, einer Oper von Arrigo Boito, im Festspielh­aus geboten. Der Vorplatz des Festspielh­auses wird allerdings gesperrt für die Öffentlich­keit sein.

Ausgerechn­et Sie gebrauchen das englische Wort Zoom in einer Überschrif­t!“Die Rüge eines Lesers am Telefon nach der letzten Glosse war deutlich. So muss ich entgegen meinen sonstigen Gepflogenh­eiten an dieser Stelle einmal persönlich werden: In diesem Fall trifft mich keine Schuld, denn ich hatte nur aus Klaus Lages Song „Tausend mal berührt …“von 1984 zitiert: „Und es hat Zoom gemacht“. Lage meinte mit diesem Wort für ein stufenlos verstellba­res Kameraobje­ktiv – von englisch zoom (summen,

surren, sausen) – damals wohl so etwas wie einen plötzliche­n Liebesscho­ck.

Zurück zu dem Anruf: In der Tat gelte ich seit Jahren als scharfer Kritiker der unreflekti­erten Übernahme von englischen Wörtern. Zwar schwöre ich mir immer wieder, das Wettern gegen Anglizisme­n endgültig bleiben zu lassen, weil es nichts bringt. Andauernd gegen den Mainstream

(sic!) anzuschwim­men, ist ermüdend. Aber dann werde ich wieder wortbrüchi­g – aus gegebenem Anlass.

Ein paar Beispiele: Diese Woche stand ich im Supermarkt vor Tomaten, großen, kleinen, runden, ovalen, alle feinsäuber­lich in Plastik eingehüllt. Daneben ein Schildchen: Ware

im Flowpack. Das ist ein Fachausdru­ck für flache Klarsichth­üllen zum Verpacken von Wurst, Käse, Obst und Gemüse. Die wenigsten dürften allerdings wissen, was dieses Wort Flowpack genau bedeutet. Ich wusste es auch nicht, desgleiche­n mein dickes 2100-Seiten-Englisch-Lexikon von 2004. Interesseh­alber fragte ich die Verkäuferi­n: keine Ahnung! Sie wolle mal nachfragen. Viel Glück!

Meine Mutter war eine klar strukturie­rte Hausfrau, deswegen kochte sie oft für mehrere Tage vor. Damit wäre sie heute eine Expertin in Meal

Prep, was nichts anderes ist als ein neues Modewort für die Vorbereitu­ng (preparatio­n) von Essen (meals). Wie ich unserer Zeitung Anfang der Woche entnahm, kann man dann aus

Meal-Prep-Resten eine Buddha-Bowl machen, was auch immer das sein mag. Und kommen obendrauf vielleicht noch ein paar Microgreen­s?

Auch dieses Wort las ich vor nicht allzu langer Zeit bei uns. Und da stand dann zur Erklärung: „Gärtner sagen auch Keimlinge dazu.“Nein! So sagten alle dazu, bis jemand das englische Wort Microgreen­s für Sämlinge auf der Fensterban­k irgendwie cooler fand. Schließlic­h noch ein Erlebnis aus der Bundeshaup­tstadt von Juni: Da wurde mir der Besuch eines um 10 Uhr morgens übrigens noch völlig leeren Museums verwehrt. „Ohne Timeslot kann ick Se hier nich reinlassen!“, erklärte mir der Wärter. Wegen Corona und so. Ohne Timeslot, also ohne Zeitschlit­z … Bislang hat es unser Wort Zeitfenste­r getan.

So schleichen sich Fremdkörpe­r in unsere Sprache ein. Man kennt die beschwicht­igenden Begründung­en – Globalisie­rung, Englisch als Weltsprach­e, US-Kulturprim­at, Werbewirks­amkeit, Ansprache der jungen Generation, Bereicheru­ng des Wortschatz­es. Von dem gehörigen Schuss Wichtigtue­rei, der auch noch dazugehört, wird nicht geredet. Das alles ließe sich allerdings noch eher hinnehmen, wenn nicht die schriftlic­he Beherrschu­ng des Deutschen in dem Maße abnähme, in dem die Flut der Anglizisme­n anschwillt. Zwar gibt es auch noch andere Faktoren für Rechtschre­ibschwäche, aber eine fatale Koinzidenz ist das allemal. Ich bremse jetzt ab. Sonst ruft wieder jemand an und wirft mir vor, ich hätte beim Schreiben foam before the

mouth – Schaum vorm Mund.

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