EU-Millionenstrafe für BMW und VW
Zahlungsunfähiger Küchenbauer hat laut Sachwalter „gute Chance“– Produktionsprobleme lösen Insolvenz aus
(AFP) - Im Kartellverfahren gegen deutsche Autobauer wegen Absprachen zur Abgasreinigung bei Dieselautos hat die EU-Kommission Geldbußen in Höhe von 875 Millionen Euro verhängt. Volkswagen zahlt rund 502 Millionen Euro, BMW rund 373 Millionen Euro, wie die Kommission am Donnerstag mitteilte. Alle Unternehmen räumten demnach ihre Kartellbeteiligung ein und stimmten einem Vergleich zu. Kronzeuge Daimler wurde die Geldbuße vollständig erlassen.
- Positive Signale nach der Horrornachricht: Der vorläufige Sachwalter im Verfahren um den zahlungsunfähigen Küchenbauer Alno sieht Chancen für ein Überleben des Unternehmens. „Das, was ich in Pfullendorf vorgefunden habe, überrascht“, sagt der Stuttgarter Insolvenzexperte Holger Leichtle im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. „Die Konzepte haben mich auf den ersten Blick überzeugt, Management und Mitarbeiter sind motiviert und haben das für die Möbelbranche notwendige Wissen.“
Die Neue Alno GmbH, die 2017 nach der Insolvenz der Alno AG und dem Einstieg des britischen Finanzinvestors Riverrock entstanden ist, hatte vor einer Woche den Antrag auf vorläufige Insolvenz in Eigenverwaltung öffentlich gemacht, die das Amtsgericht am Montag dann angeordnet hat. Aufgrund der Vorgeschichte habe Leichtle erwartet, „dass es schwierig werden würde“, erläutert der Anwalt der Wirtschaftskanzlei Görg weiter. „Nun denke ich, dass das Unternehmen mit Blick nach vorne eine gute Chance hat.“
Die Gründe für die erneuten Probleme liegen nach Angaben Leichtles in der noch immer nicht funktionierenden Produktion. „Das Unternehmen konnte im Jahr 2020 die Nachfrage nicht befriedigen und die Aufträge nicht abarbeiten, weil die Produktion mit ihrem Output nicht hinterherkam“, erklärt der Insolvenzexperte. „Aber auch da hat das Management reagiert, neue Leute reingeholt und schon einiges geschafft.“Die neue Ausstellung mit neuen Produkten mache einen guten Eindruck. Klar sei aber auch, dass Investitionen nötig seien, um das Unternehmen zu stabilisieren.
Alno-Chef Jochen Braun hatte am Wochenende vor allem einen noch immer nicht abgewickelten Grundstücksverkauf aus dem Jahr 2019 als Grund für die Zahlungsunfähigkeit angeführt. Es handele sich um die nicht getätigten Zahlungen eines Investors, der in Garagenparks investiert und der ein Grundstück, das abseits des Unternehmensgeländes liege, gekauft habe, um seinen Garagenpark zu erweitern. Leichtle kommentierte diese Aussagen nicht.
Christoph Enkler von der Kanzlei Brinkmann & Partner, die das Gericht dem Alno-Management als Hilfe zur Bewältigung der Eigenverwaltung an die Seite gestellt hat, spricht bei der Frage nach den Ursachen von einem „Zusammenspiel mehrerer Gründe“. Auch Enkler sieht Chancen für den Küchenbauer. „Vor allem die
Resonanz von Kundenseite ist gut, das Unternehmen hat seine Daseinsberechtigung“, sagt Enkler. „Die Kunden gehen Alno nicht von der Fahne.“
Der britische Eigentümer will Alno allerdings so schnell wie möglich abgeben. Bereits im April hatte das Management in Pfullendorf bekannt gegeben, dass Riverrock einen Investor für die Neue Alno GmbH suche. Für die Londoner hat sich ihr Engagement im Linzgau damit nicht ausgezahlt. Riverrock kaufte im Dezember 2017, als die insolvente Alno AG schon abgewickelt werden sollte, die Pfullendorfer Küchenproduktion aus der Insolvenzmasse für 20 Millionen Euro und steckte weitere Millionen in den Neustart der Neuen Alno GmbH. Gewinne erzielte das Unternehmen, das 2020 auf einen Umsatz von rund 30 Millionen Euro kam, nie – und die potenziellen Verkaufserlöse werden aller Voraussicht nach die Ausgaben von Riverrock nicht decken. „Der Investor
glaubt wohl nicht mehr an das Projekt und will keine weiteren Verluste mehr finanzieren“, sagt Holger Leichtle. Riverrock selber wollte sich auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“nicht zu der Entwicklung in Pfullendorf äußern.
Die IG Metall erhebt schwere Vorwürfe und beschuldigt Riverrock, Versprechungen nicht eingehalten zu haben. „Das Konzept mit Lohndumpings den Küchenmarkt aufzurollen, ist gescheitert. Es braucht mehr, als eine Küchenfabrik, in der man den Beschäftigten das Geld zusammenstreicht und kostenlose Mehrarbeit aufdrückt“, schreibt Michael Föst, der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Albstadt, in einer Stellungnahme. „In nur dreieinhalb Jahren ein Unternehmen ohne Schulden in die Insolvenz zu treiben, muss man auch erst mal hinbekommen. Dabei den Beschäftigten den Lohn gekürzt und die Arbeitszeit unbezahlt heraufgesetzt, perfekte Bedingungen für jeden Kapitalisten wie Riverrock.“
Durch das Insolvenzgeld der Agentur für Arbeit sind die Löhne für Juni, Juli und August und damit der Geschäftsbetrieb bis Anfang September gesichert. Dann wird aller Voraussicht nach das Insolvenzverfahren eröffnet und die Neue Alno AG muss „unter Volllast alle notwendige Liquidität, die nötig ist, selbstständig erwirtschaften“, wie Christoph Enkler erläutert, der wie der vorläufige Sachwalter Leichtle dafür plädiert, den angestoßenen Verkaufsprozess fortzusetzen. „Wir müssen das noch mit dem Gläubigerausschuss, der noch nicht zusammengetreten ist, abstimmen, aber wir sollten bei dem Verkaufsprozess weitermachen“, sagt Leichtle.
Für das Management um Jochen Braun und die Belegschaft beginnen nun Tage, die der Zeit im Herbst 2017 ähneln. Da schauten sich immer wieder Interessenten Alno in Pfullendorf an und überlegten, ob und zu welchem Preis sie das Traditionsunternehmen kaufen könnten. Nun hoffen die 230 Mitarbeiter, dass sich ein Käufer findet und dass der ein glücklicheres Händchen hat als Riverrock.