Erste Organspende im Ries
Schwerer Herzinfarkt – Nach Hirntod werden Niere, Leber und Hornhaut entnommen
- Erstmals sind im Nördlinger Stiftungskrankenhaus einem hirntoten Menschen Organe für eine Organspende entnommen worden. Nur wenige Stunden später wurden sie Patienten in Bayern wieder eingesetzt – sie warteten zum Teil schon lange auf die lebensrettende Leber oder Niere.
Das Stiftungskrankenhaus teilt mit, dass ein 64-Jähriger mit einem schweren Herzinfarkt ins Nördlinger Krankenhaus eingeliefert worden sei. „Unsere Ärzte auf der Intensivstation haben alles versucht, um das Leben des Mannes zu retten. Auch der Versuch, die akut verschlossenen Herzkranzgefäße mit dem Herzkatheter zu öffnen, konnten dem Patienten nicht helfen. Es trat der Hirntod ein“, sagt Chefarzt Dr. Thomas Handschuh. Er ist auch der Transplantationsbeauftragte des Krankenhauses. Die Ärzte verständigten die Familie des 64-jährigen Patienten, der im Ries lebte und arbeitete. Ehefrau und Angehörige reisten aus einem Nachbarland an. Nach intensiver Beratung habe sich die Familie dafür entschieden, die Organe des Hirntoten zu spenden. „Die Ehefrau sagte, sie entscheide im Sinne ihres Mannes, der es so gewollt hätte“, sagt Chefarzt Handschuh.
Anschließend begann in Nördlingen erstmals ein Organspende-Verfahren,
das in Deutschland nach klaren Regeln abläuft. Das Krankenhaus teilt mit, dass der Hirntod von zwei Spezialisten unabhängig voneinander attestiert werden müsse. In solchen Fällen seien alle Hirnreflexe und Hirnaktivitäten erloschen, das Hirngewebe abgestorben.
Der Patient werde künstlich am Leben gehalten. Handschuh erklärt die medizinischen Hintergründe: „In so einer Situation gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder man schaltet die Geräte ab und der übrige Körper stirbt. Oder es findet vor der Abschaltung eine Organentnahme statt, die anderen Menschen das Leben retten kann.“
In einer Operation um 3 Uhr nachts entnahmen Ärzte schließlich Leber, beide Nieren sowie die Hornhaut
beider Augen. Im Vorfeld seien dafür Mitarbeiter der Deutschen Stiftung Organspende (DSO) gekommen und kümmerten sich um die Abwicklung. Eigenen Angaben zufolge organisiert die DSO in Deutschland alle Schritte des Organspendeablaufs von der Mitteilung eines möglichen Spenders im Krankenhaus bis zur Übergabe der Organe an die Transplantationszentren.
Bereits am nächsten Morgen teilten Ärzte die Leber und implantierten sie bei zwei Menschen. Auch die beiden Nieren wurden bei zwei Patienten in Bayern eingesetzt, die lange auf lebensrettende Organe gewartet hatten, wie vom Krankenhaus zu erfahren ist. Im Falle des Augengewebes soll ein nahezu Erblindeter wieder sehen können.
Die Nördlinger Ärzte sind froh, dass sie Medizin auf diesem Niveau anbieten können. Wie Chefarzt und Ärztlicher Direktor Dr. Bernhard Kuch sagt, sei eine Organspende in Nördlingen früher undenkbar gewesen. Die Intensivstation des Krankenhauses sei technisch und fachlich inzwischen so gut ausgestattet, dass eine Organspende auch im Ries möglich sei. Transplantationen soll es Kuch zufolge in Nördlingen nicht geben. Dafür seien speziell ausgebildete Transplantationsteams nötig.
Für das Krankenhaus sei es grundsätzlich wichtig, dass Organspenden angeboten werden können, sagt Kuch weiter. Aber er betont auch, wie wichtig ein sensibler Umgang mit dem Thema sei. In der Bevölkerung gebe es nach wie vor Vorbehalte gegen die Organspende.
9200 Menschen stehen in Deutschland laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) auf der Warteliste für eine Organspende. Im weltweiten Vergleich schneidet Deutschland bei der Zahl der durchgeführten Organspenden äußerst schlecht ab.
Die Niere ist das am häufigsten transplantierte Organ, so die BZgA. 2020 wurden 913 Organspenden postmortem durchgeführt. 58 Jahre nach der ersten Transplantation in Deutschland wird somit auch Nördlingen erstmals in der Statistik aufgeführt sein.