Sorgenkind Ausbildung
Betriebe und Azubis finden schwer zueinander – Corona-Krise hat Problematik noch verschärft
(dpa) - Die Lage am Ausbildungsmarkt in Deutschland verschärft sich weiter. 385 000 junge Leuten haben sich nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) in Nürnberg bundesweit bisher um Lehrstellen beworben, 32 000 weniger als vor einem Jahr. Demgegenüber haben die Ausbildungsbetriebe 468 000 freie Lehrstellen gemeldet. Trotz des Überhangs sind noch 158 000 junge Menschen nicht mit einem Ausbildungsplatz versorgt – obwohl es eigentlich mehr als genug Lehrstellen gibt.
Weniger Erfolg dürften Bewerberinnen und Bewerber haben, die sich für eine Ausbildung im Bereich Tourismus, Gastronomie oder Kosmetik interessieren. Die Corona-Krise hat hier nach BA-Angaben deutliche Spuren hinterlassen. Auch Steuerberatungsfirmen oder Banken suchen weniger Nachwuchs. Besonders gute Chancen gibt es dagegen im Bauhandwerk, im Gesundheitsbereich oder bei Verkehrsunternehmen. Hier verzeichnet die Bundesagentur einen Zuwachs an freien Lehrstellen.
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger sprach mit Blick auf das Handwerk von „dringendem Fachkräftebedarf und sehr guten Karrierechancen“.
Dort würde in den kommenden fünf Jahren für bis zu 125 000 Betriebe ein Nachfolger für die Übernahme gesucht, sagte er.
Doch Nachwuchs und Firmen finden oft nicht zueinander. Weil Praktika und Berufsmessen ausfielen und Berufsberater nicht in die Schulen konnten, hat sich das in den vergangenen eineinhalb Jahren noch weiter verschärft. Gewerkschaftsvertreter sehen aber auch die Unternehmen selbst in der Pflicht, mehr auf der Angebotsseite zu tun. Nur knapp 20 Prozent der Betriebe bildeten aus, aber 100 Prozent profitierten von den ausgebildeten Fachkräften, sagte die stellvertretende Vorsitzende des
Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Elke Hannack. Sie forderte einen finanziellen Ausgleich über eine Ausbildungsumlage zwischen Betrieben,
die ausbilden, und denen, die das nicht tun. Um die Auswirkungen der Corona-Krise abzufedern, hatte die Bundesregierung sogenannte AzubiPrämien für Betriebe aufgelegt: Wer trotz wirtschaftlicher Probleme weiter ausbildet, bekommt pro Ausbildungsvertrag eine Prämie von bis zu 6000 Euro. Prämien gibt es auch für Unternehmen, die Azubis übernehmen von anderen Firmen, die in Schwierigkeiten geraten sind.
Bund, Länder, Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften werben außerdem gemeinsam mit einem Aktionsprogramm „Sommer der Berufsausbildung“dafür, dass sich junge Leute für eine Ausbildung entscheiden.