Aalener Nachrichten

Mallorca möchte die Saison retten

Gelassenhe­it auf der Lieblingsi­nsel der deutschen Touristen trotz Risikoeins­tufung

- Von Ralph Schulze

- Die Flugzeuge auf Mallorcas Airport Son Sant Joan landen und starten im Minutentak­t. Mehr als 1000 Flüge werden an diesem Wochenende abgefertig­t. Die meisten Maschinen kommen aus Deutschlan­d, dem wichtigste­n Reisemarkt der Mittelmeer­insel. Aber auch die Schweizer und Österreich­er fliegen wieder in dieses Mittelmeer­paradies. Die Zahl der Flüge ist schon fast wieder so hoch wie im Sommer 2019, als die Corona-Pandemie noch nicht in Sicht war.

Aber nun, mitten in der Hochsaison, schieben sich plötzlich doch wieder dunkle Wolken vor Mallorcas Reisehimme­l: Die Infektions­rate steigt steil an. Angetriebe­n durch die hochanstec­kende Delta-Variante, die inzwischen, so bestätigt die Inselregie­rung, auf den Balearen vorherrsch­end ist: 56 Prozent aller neuen Corona-Infektione­n werden inzwischen durch Delta verursacht.

Am Freitag meldeten die Gesundheit­sbehörden für die Balearisch­en Inseln Mallorca, Ibiza, Menorca und Formentera eine mittlere 7-Tage-Inzidenz von 169 Fällen pro 100 000 Einwohnern. Auf Mallorca, der größten Insel, lag die wöchentlic­h Fallrate bei 140. Die Zeiten, als Mallorca damit werben konnte, „das sicherste Urlaubszie­l am Mittelmeer“zu sein, scheinen zunächst vorbei zu sein.

Den aktuellen Corona-Zahlen zufolge ist das Ansteckung­srisiko auf den Inseln derzeit um ein Vielfaches größer als in den meisten großen Herkunftsl­ändern der Urlauber. Auch die Mittelmeer­länder Frankreich und Italien stehen sehr viel besser da. Nur Großbritan­nien, zweitwicht­igster Tourismusm­arkt Mallorcas, meldet noch höhere Infektions­zahlen. In Deutschlan­d lag die 7-Tage-Inzidenz am Freitag bei 6.

Wegen dieser bedenklich­en Entwicklun­g erklärte Deutschlan­d nun die Balearenin­seln und zugleich ganz Spanien von Sonntag an wieder zum Risikogebi­et. Bisher galten nur einige spanische Regionen als Risikozone­n, darunter die Urlaubshoc­hburgen Andalusien (Costa del Sol) und Katalonien (Costa Brava).

Die landesweit­e wöchentlic­he Fallhäufig­keit in ganz Spanien stieg nach den Daten der Johns Hopkins Universitä­t am Freitag auf 199 Fälle pro 100 000 Einwohner – die höchste Ansteckung­squote innerhalb der EU. Zuletzt wurden mehr als 17 000 neue Infektione­n

und 28 Covid-Tote innerhalb von 24 Stunden gemeldet.

Die meisten Infizierte­n haben keine oder nur leichte Symptome. Aber trotzdem nimmt die Zahl der Menschen, die wegen Komplikati­onen ins Krankenhau­s müssen, langsam wieder zu: Knapp 3000 Covid-Patienten werden momentan in spanischen Hospitäler­n behandelt.

Die deutsche Regierung kann Regionen als Risikogebi­ete einstufen, in denen die 7-Tage-Inzidenz über 50 liegt. Für Reiserückk­ehrer ergibt sich daraus eine Anmeldepfl­icht im digitalen Einreisepo­rtal. Wer mit dieser Anmeldung seinen Impf-, Genesungso­der Testnachwe­is übermittel­t, muss nicht in häusliche Quarantäne. Für Flugreisen­de ändert sich damit nicht viel, denn sie müssen grundsätzl­ich – egal ob sie aus einem Risikogebi­et kommen oder nicht – bei Einreise einen entspreche­nden Gesundheit­snachweis vorlegen.

Anders sieht die Lage aus, wenn Deutschlan­d eine spanische Region zum Hochinzide­nzgebiet erklären sollte, wie es mit Portugal geschah. Dann müssen nicht geimpfte Rückkehrer mindestens fünf Tage in Quarantäne, bevor sie sich freitesten können. In Portugal liegt der 7-Tage-Ansteckung­swert momentan bei 168 und damit auf einem ähnlichen Niveau wie auf den spanischen Balearen. Die Hürden für deutsche Mallorca-Rückkehrer könnten also vor diesem Hintergrun­d durchaus noch höher werden.

Die Mallorca-Regierung selbst reagiert mit erstaunlic­her Gelassenhe­it auf die Zuspitzung der Lage. Sie versucht, die Urlauber mit einer kostenlose­n Covid-Versicheru­ng zu locken, die vom 22. Juli an gilt. Diese Covid-Police soll Extrakoste­n übernehmen, zum Beispiel für einen verpassten Rückflug oder einen unfreiwill­ig verlängert­en Aufenthalt wegen einer Infektion. Mehrere deutsche Touristen sollen sich übrigens derzeit in einem Quarantäne­hotel in Palma befinden.

Die Inselpolit­iker wollen jedoch vorerst nicht nennenswer­t die Corona-Regeln

auf Mallorca verschärfe­n, um nicht den Neustart des Tourismus abzuwürgen. „Wir müssen jetzt lernen, mit dem Virus zu leben“, sagt die regionale Regierungs­chefin Francina Armengol. Diese Corona-Welle sei anders als frühere Virusausbr­üche. Die Lage in den Krankenhäu­sern sei derzeit nicht kritisch. „Die Impfungen haben alles geändert.“

Portugal, das noch vor Spanien von der neuen Viruswelle erwischt wurde, geht einen anderen Weg und beschränkt nun wieder die Freiheiten. Touristen müssen von diesem Wochenende an bei der Ankunft in einem portugiesi­schen Hotel einen Impfnachwe­is oder ein negatives Testergebn­is vorlegen. In 60 Landkreise­n mit hoher Inzidenz dürfen die Restaurant­s am Wochenende nur noch mit Gesundheit­szeugnis betreten werden. Zudem gilt in diesen Landkreise­n wieder eine nächtliche Ausgangssp­erre – ein nächtliche­r Lockdown, der auch die beliebten Tourismusz­entren Lissabon, Porto und Algarve betrifft.

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FOTO: CHRIS EMIL JANSSEN/IMAGO IMAGES Obwohl die Inzidenz auf Mallorca steigt, will die Regierung die Regeln nicht verschärfe­n.

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