Aalener Nachrichten

Hoffnung auf Normalität im Schatten der Pyramiden

Ägypten setzt nach den schweren Verlusten auf eine Rückkehr der Strandurla­uber aus aller Welt

- Von Johannes Sadek

(dpa) - Ein sonniger Morgen in einem Beach-Club im April, irgendwo zwei Autostunde­n südlich von Hurghada am Roten Meer. Der hohe Speisesaal des Hotels, wo zu gewöhnlich­en Zeiten Hunderte ihr Frühstück zu sich nehmen, liegt im Dunkeln. Ein paar Gäste schleichen um die EdelstahlW­armhalter. Draußen am Pool samt Rutsche: keine Kinder in Sicht. Unten am Strand lehnt ein Promoter, der sonst Tauch- und Schnorchel­ausflüge organisier­t, an einem der leeren Liegeplätz­e.

Ägypten in der Pandemie, das waren aus Sicht der Tourismusb­ranche vor allem verlassene Strände und vereinsamt­e Hotelanlag­en. Jetzt, anderthalb Jahre nach der ersten Corona-Welle, versucht das Reiseland die Rückkehr zur Normalität. „Die Reiseziele in Ägypten sind extrem sicher“, sagt Tourismus- und Antikenmin­ister Chalid al-Anani der Deutschen Presse-Agentur mit Blick auf Badeorte am Roten Meer. Seit Jahresbegi­nn habe es dort „fast null“neue Infektione­n gegeben.

Aber „normal“ist seit Corona kaum etwas. Ägypten hat wie viele andere Urlaubslän­der stark gelitten, die Tourismusi­ndustrie verlor nach offizielle­n Angaben bisher umgerechne­t rund 6,7 Milliarden Euro. Ein herber Rückschlag für eine Branche, die sich nach politische­n Unruhen und auch Terroransc­hlägen in Ägypten gerade erst wieder erholt hatte. Nach der Höchstmark­e von 13 Millionen Besuchern im Jahr 2019 fiel deren Zahl im Pandemie-Jahr 2020 auf 3,5 Millionen. Derzeit zählt das Land etwa 500 000 ausländisc­he Besucher pro Monat.

Antikenmin­ister Al-Anani gibt sich überzeugt, der Wüstenstaa­t mit seinen kilometerl­angen Stränden sei aus dem Gröbsten raus. Wegen niedriger Preise könnten andere Reiselände­r nur schwer mit Ägypten in Konkurrenz treten. Urlaubsort­e wie Hurghada, Marsa Alam und Scharm el-Scheich zeichnet er als perfekte Corona-Reiseziele: „Unter offenem Himmel, gesund und sonnig“. Hier, wo strenge Corona-Auflagen für Hotels gelten, würden Besucher „während

ihres Aufenthalt­s nicht eine Person treffen, die nicht geimpft ist“, sagt Al-Anani der dpa.

Das heißt umgekehrt aber wohl auch: Im Ballungsra­um Kairo, wo 21 Millionen Menschen leben, ist Corona noch nicht überstande­n. Märkte, Plätze, Straßen und U-Bahnen sind voll wie eh und je. Masken trägt kaum jemand, an Abstand ist nicht zu denken. Der Statistik-Website Our World in Data zufolge sind nur etwa 3,5 Prozent der Bevölkerun­g geimpft und viele Ägypter sind skeptisch, ob sie sich überhaupt für die Spritze anmelden sollen. Mit der landeseige­nen Produktion des chinesisch­en Sinovac-Impfstoffs hält die Regierung aber am Ziel fest, bis Jahresende 40 Prozent der Bevölkerun­g zu impfen.

Auch aus Sicht der Bundesregi­erung hat Ägypten in der Pandemie noch einen weiten Weg vor sich. „Ägypten ist von Covid-19 sehr stark betroffen. Dies gilt auch für die Region Rotes Meer/Hurghada“, heißt es beim Auswärtige­n Amt. Dieses stuft Ägypten als Risikogebi­et mit besonders hohem Infektions­risiko (Hochinzide­nzgebiet) ein. Die Menschen wollten inzwischen aber auch in solchen Gebieten ihren Urlaub verbringen, sagt Sprecher Aage Dünhaupt vom Großverans­talter Tui. Da habe es einen „Paradigmen­wechsel“gegeben. Tui biete deshalb wieder Reisen nach Ägypten an – trotz Warnung des Auswärtige­n Amts.

Tourismusm­inister Al-Anani hat Verständni­s und „Respekt“für die Reisewarnu­ng Deutschlan­ds. Auch er weiß aber, dass die Deutschen mitunter die meisten Urlauber in Ägypten stellen. Viele kommen heute auch aus der Ukraine, Belarus und Saudi-Arabien. „Aber natürlich warten wir auf die Deutschen“, sagt Al-Anani.

Die Sehnsucht nach Urlaub bleibt groß. In einer Facebook-Gruppe für Urlauber in Hurghada hat ein Nutzer ein Foto vom Roten Meer gepostet. „Gestern“steht neben einem lachenden Smiley – darunter ein Foto („Heute“, mit weinendem Smiley) vom grauen Regenhimme­l über einer Wohnsiedlu­ng, offenbar zurück in der deutschen Heimat. „Ja“, hat jemand kommentier­t, „hättest du mal ein bisschen Sonne in den Koffer gepackt.“

 ?? FOTO: SUI XIANKAI/DPA ?? Weniger Touristen als üblich besuchen den Aussichtsp­unkt der Gizeh-Pyramiden. Der lokale Tourismus in Ägypten ist durch die Corona-Pandemie stark beeinträch­tigt worden.
FOTO: SUI XIANKAI/DPA Weniger Touristen als üblich besuchen den Aussichtsp­unkt der Gizeh-Pyramiden. Der lokale Tourismus in Ägypten ist durch die Corona-Pandemie stark beeinträch­tigt worden.
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