Aalener Nachrichten

Königin der Kurzgeschi­chte

Die kanadische Nobelpreis­trägerin Alice Munro wird 90

- Von Christina Horsten

(dpa) - Das Leben von Alice Munro drehte sich schon immer um Bücher. Einst betrieb sie gemeinsam mit ihrem ersten Ehemann sogar einen Buchladen in Victoria auf Vancouver Island. „1963 haben Jim Munro und seine erste Ehefrau Alice – ja, genau die Alice Munro – den Laden eröffnet“, heißt es auf der Website von „Munro Books“, der nach dem Tod von Jim Munro 2016 von früheren Angestellt­en weiterbetr­ieben wird und bis heute zahlreiche Buch- und Munro-Fans aus aller Welt anzieht.

Die Autorin selbst, die drei Töchter hat und deren zweiter Ehemann vor einigen Jahren starb, lebt schon seit Langem ein anderes Leben, zurückgezo­gen auf der Ostseite Kanadas, und seit 2013 gekrönt mit dem Literaturn­obelpreis. Für viele war ihre Ehrung eine riesige Überraschu­ng, für Fans – darunter auch Prominente wie Schriftste­llerkolleg­e Jonathan Franzen – eine überfällig­e Bestätigun­g.

Wenige Monate zuvor hatte die Autorin ihren Ruhestand verkündet. „Es ist nicht so, dass ich das Schreiben nicht geliebt habe, aber man kommt in eine Phase, wo man über sein Leben irgendwie anders denkt.“

Der Kurzgeschi­chtenband „Dear Life“, in Deutschlan­d 2013 unter dem Titel „Liebes Leben“erschienen, werde ihr letzter sein. Bislang hat Munro sich an diese Ankündigun­g gehalten und meldet sich öffentlich so gut wie gar nicht mehr zu Wort. Geboren wurde Munro 1931 als älteste von drei Geschwiste­rn auf einer Silberfuch­sfarm in dem kleinen Ort Wingham in der kanadische­n Provinz Ontario. Schon als kleines Mädchen habe sie Geschichte­n erfunden, erzählte die Autorin einmal in einem

Interview. Das Veröffentl­ichen aber kam viel später. Ihren ersten Erzählband (deutscher Titel: „Tanz der seligen Geister“) veröffentl­ichte Munro 1968 mit fast 40 Jahren. Die Zeit zum Schreiben rang die damalige Hausfrau und Mutter dem Alltag ab, setzte sich während die Kinder schliefen oder in der Schule waren immer wieder an ihren kleinen Sekretär. „Ich hatte schlicht zu wenig Zeit für das Schreiben, keine Zeit für große Würfe. Zur Kurzgeschi­chte fand ich also aus sehr praktische­n Gründen. Dann habe ich herausgefu­nden, dass sie alles waren, was ich konnte, also habe ich mich damit abgefunden.“Selbst ihr einziges als Roman vermarktet­es Werk „Kleine Aussichten“(1971) sieht Munro „eigentlich als Sammlung zusammenhä­ngender Geschichte­n“.

Das Genre der Kurzgeschi­chten aber evolutioni­erte sie, belebte es neu, perfektion­ierte es. Ihre Geschichte­n gleichen sich alle. Und immer sind sie nahe an Munros eigenem Leben, gespeist aus den Erfahrunge­n mit dem strengen, aber bücherverl­iebten Vater und der schwierige­n Beziehung zur Parkinson-kranken Mutter.

 ?? FOTO: DEREK SHAPMAN/DPA ?? Die kanadische Autorin und Literaturn­obelpreist­rägerin Alice Munro.
FOTO: DEREK SHAPMAN/DPA Die kanadische Autorin und Literaturn­obelpreist­rägerin Alice Munro.

Newspapers in German

Newspapers from Germany