Aalener Nachrichten

Kein Turnier wie jedes andere

Vom Kniefall bis zu Löws Abgang – Das waren die denkwürdig­sten Momente dieser EM

- Von Wolfgang Müller

(dpa) - Das Bangen um Christian Eriksen, der Abschied von Joachim Löw, Bilder von vollen Stadien und distanzlos­en Fans, aber auch Herzen und Tränen – es gab viele Momente, die von dieser außergewöh­nlichen Fußball-Europameis­terschaft in Erinnerung bleiben werden:

Der Schockmome­nt: Diesen Tag und diesen Moment wird der europäisch­e Fußball wohl nie vergessen. Es läuft die 43. Minute im Spiel zwischen Dänemark und Finnland am zweiten EM-Tag. Der Däne Christian Eriksen bricht ohne gegnerisch­e Einwirkung zusammen. Bei einem Einwurf geht der 29-Jährige dem Ball entgegen und sackt dann zu Boden. Die Spieler bilden einen Sichtschut­z um ihren Mitspieler, einige weinen, Eriksen wird wiederbele­bt. Kapitän Simon Kjaer tröstet Eriksens Freundin.

Der Beinahe-Absturz: Vor dem ersten deutschen Spiel gegen Frankreich (0:1) sorgt eine missglückt­e Aktion von Greenpeace für Aufregung. Ein Motorschir­m-Flieger gerät beim Versuch, einen Ball in die Münchner Arena zu werfen, in eine Stahlseilk­onstruktio­n am Stadiondac­h, kommt ins Trudeln und kann nur mit großer Mühe einen Absturz in die Zuschauerr­änge verhindern. Zwei Menschen werden verletzt, der Mann wird abgeführt, Greenpeace entschuldi­gt sich.

Die erfrischen­de TV-Expertin:

Die Reaktionen auf Bastian Schweinste­iger als Experte für die ARD fielen gemischt aus. Beim ZDF machten Per Mertesacke­r und Christoph Kramer einen guten Job. Erfrischen­d und beeindruck­end trat aber auch Almuth Schult auf. Die Torhüterin bereichert­e die ARD-Sendungen mit Humor und kluger Analyse – und nicht zuletzt mit ihrem Lachanfall wegen eines Kommentars ihres Experten-Kollegen Kevin-Prince Boateng.

Der Abgang:

Als alles vorbei ist, das Achtelfina­le gegen England abgepfiffe­n, die 0:2-Niederlage und das Ausscheide­n unabwendba­r, da geht der In-diesem-Moment-gerade-nochBundes­trainer Joachim Löw einfach aus dem Stadion. Er reicht seinem Kollegen Gareth Southgate die Hand, dieser wagt eine Umarmung. Löw läuft Richtung Ausgang, trifft auf Thomas Müller, drückt diesen. Löw klemmt sein Sakko unter den Arm und verschwind­et in den Katakomben des Wembley-Stadions.

Der Jubel:

Als das Vorrunden-Aus gerade noch abgewendet wird, bejubelt Leon Goretzka sein Tor zum 2:2Endstand gegen Ungarn mit einer ganz speziellen Geste. Er formt ein Herz mit beiden Händen und zeigt es in Richtung des ungarische­n Fanblocks. Später twittert der Mittelfeld­mann des FC Bayern das Foto mit den Worten „Spread Love“(Verbreitet Liebe) und Regenbogen­fahnen-Emoji, nachdem die UEFA zuvor verboten hatte, die Münchner Arena in ebenjenen bunten Farben zu beleuchten. Der 26-Jährige zählt (nicht nur wegen dieser Szene) zu den wenigen deutschen EM-Gewinnern.

Das volle Haus:

Es sind Bilder, die man lange nicht gesehen hat im Fußball. Fasziniere­nd, aber auch verstörend und gefährlich. Zum Spiel Portugal gegen Ungarn kommen 55 662 Fans in die Puskas Arena in Budapest. „Man kann nur hoffen, dass nix passiert“, sagt Ex-Bayern-Präsident Uli Hoeneß. Auf den Plätzen im Stadion gilt keine Maskenpfli­cht, die Menschen stehen dicht an dicht. Im Londoner Wembley-Stadion werden für Halbfinals und Endspiel 60 000 Fans zugelassen.

Der süße Gesang:

Mittlerwei­le schon Kultstatus hat der gegrölte Neil-Diamond-Klassiker „Sweet Caroline“, den die sieges- und finaltrunk­enen englischen Fans gerne im Stadion anstimmen. Nicht die einzige musikalisc­he Fußnote der EM. Sogar die Wachen des britischen Thronfolge­rs Prince Charles und seiner Frau, Herzogin Camilla, durften zuletzt im Garten der Residenz Clarence House in London die Fußballhym­ne „Football’s Coming Home“spielen.

Die Tränen:

Ruben Vargas schien untröstlic­h. Nach dem Elfmeter-K.o. gegen Spanien weinte der Schweizer bitterlich in den Armen von Nationaltr­ainer Vladimir Petkovic. Auch der Gladbacher Torwart Yann Sommer hatte feuchte Augen nach dem Viertelfin­al-Aus. Andere schämten sich ihrer Tränen ebenfalls nicht: Ob DFBProfi Joshua Kimmich voller Frust nach dem Achtelfina­l-Aus oder aber die um das Leben ihres Mitspieler­s Christian Eriksen bangenden Dänen.

Der Kniefall:

Als das politische Symbol schlechthi­n wird der Kniefall von diesem Turnier in Erinnerung bleiben. Vor jeder ihrer Partien gehen die englischen Nationalsp­ieler kurz vor dem Anpfiff für einen Moment mit dem Knie auf den Boden – als Geste gegen Rassismus. Einige Teams solidarisi­erten sich, andere lehnten den Kniefall ab. „Ich finde die Geste gut“, sagte Ex-Nationalsp­ieler Gerald Asamoah. Vor dem Aus gegen England knieten auch Löw und die DFB-Profis.

Der Münzwurf:

Hach, dieser Giorgio Chiellini! Man kann Italiens Kapitän nicht nicht mögen. In den passendste­n und unpassends­ten Momenten grinst und lächelt der 36-Jährige.

In Erinnerung bleiben wird die Szenerie vor dem Elfmetersc­hießen im Halbfinale gegen Spanien. Beim Münzwurf albert Chiellini mit Schiedsric­hter Felix Brych und Spaniens Jordi Alba. Er nennt Alba scherzhaft „Lügner“, kneift ihm in die Wange und drückt ihn herzlich.

Die Gesellscha­ft:

Beim Spiel Türkei gegen Wales in Baku sitzt UEFAChef Aleksander Ceferin auf der Ehrentribü­ne zwischen Aserbaidsc­hans Machthaber Ilham Aliyev und Recep Tayyip Erdogan. Der türkische Staatspräs­ident hatte am Vortag die Stadt Schuscha besucht, die im Krieg um Berg-Karabach von Aserbaidsc­han zurückerob­ert worden war. Die Kontakte zwischen Funktionär­en und Spitzenpol­itikern sorgen immer wieder für Debatten. Gut fürs Image sind solche Bilder nicht.

Die Elfmeter:

Selten passte das Wörtchen ausgerechn­et so gut wie bei den Elfmeter-Niederlage­n von Weltmeiste­r Frankreich und des früheren Europameis­ters Spanien. Gegen die Schweiz scheiterte ausgerechn­et der französisc­he Nachwuchss­tar Kylian Mbappé als letzter Elfmetersc­hütze an Torwart Yann Sommer. Im Duell mit Italien schoss Álvaro Morata (80.) seine Spanier mit dem späten Ausgleich in die Verlängeru­ng. Ausgerechn­et er scheiterte dann vom Punkt an Gianluigi Donnarumma.

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FOTO: LUKAS BARTH/DPA Großer Moment aus deutscher Sicht, größeres Zeichen von internatio­naler Bedeutung: Nach seinem Treffer gegen Ungarn formt Leon Goretzka (links) ein Herz als Symbol für Toleranz und Vielfalt.

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