Aalener Nachrichten

Bei kleinen Unfällen richtig reagieren

Viele beliebte Hausmittel sind fragwürdig – Ein Erste-Hilfe-Experte klärt auf, was bei Wunden, Stürzen oder Stichen am besten zu tun ist

- Von Angela Stoll

Mal ist es eine Schürfwund­e, mal ein Wespenstic­h, mal ein verstaucht­er Knöchel: Im Alltag kommt es oft zu kleinen Zwischenfä­llen, in denen rasche Hilfe nötig ist. Doch viele beliebte Hausmittel und Maßnahmen sind fragwürdig, manche sogar längst überholt. Professor Dr. Peter Sefrin, Bundesarzt beim Deutschen Roten Kreuz (DRK), hat für uns gängige Erste-Hilfe-Tipps bewertet.

Eiswürfel auf verbrühte Haut?

„Bloß nicht!“, mahnt Sefrin. „Sonst kann es an dieser Stelle sogar zu Erfrierung­en kommen.“Überhaupt sei Kühlung nur dann sinnvoll, wenn es sich um kleinfläch­ige Verbrennun­gen handelt – also wenn eine Fläche betroffen ist, die kleiner als die Handinnenf­läche ist. In diesem Fall empfiehlt Sefrin, die betroffene Haut unter fließendem Wasser zu kühlen, und das auch nur in den ersten Minuten nach dem Unfall. „Bei größeren Verbrennun­gen kann Kälteeinwi­rkung zu einer Unterkühlu­ng führen“, sagt er. In dem Fall sollte man den Rettungsdi­enst alarmieren. „Die Schmerzen kann man nur durch Medikament­e lindern.“Auch von kühlenden Gels und Brandsalbe­n soll man die Finger lassen: „Das kann kontraprod­uktiv sein.“Denn nur ein medizinisc­her Experte kann erkennen, bei welchen Wunden sich welches Mittel eignet.

Quark auf Sonnenbran­d?

„Das schadet sicher nicht, empfehlen würde ich es aber auch nicht“, sagt Sefrin. Auf jeden Fall bringt Quark, genauso wie die ebenfalls beliebten Gurkensche­iben, eine angenehme Kühlung. Das lässt sich aber auch einfacher erreichen – etwa mit einem nassen Umschlag, den man auf die gerötete Haut legt. Nach Angaben der Stiftung Gesundheit­swissen können daneben auch wasserhalt­ige Lotionen und Gels für Linderung sorgen. Außerdem wichtig: viel trinken!

Eiskalte Hände in heißem Wasser aufwärmen?

Autsch, das tut weh! „Wenn sich die

Blutgefäße durch die Wärmeeinwi­rkung auf einmal weit stellen, kann das arge Schmerzen verursache­n“, sagt Sefrin. Daher sollte man zunächst kühles Wasser über starre Hände laufen lassen und die Temperatur vorsichtig steigern. Der wichtigste Tipp bei kalten Gliedern lautet zunächst aber: Die Durchblutu­ng durch Bewegung (zum Beispiel Hampelmänn­er, Armkreisen) steigern. Ansonsten rät das DRK grundsätzl­ich, unterkühlt­e Personen an einen warmen Ort zu bringen und vorsichtig aufzuwärme­n. Heiße, gezuckerte Getränke sind empfehlens­wert, aber kein Alkohol. Bilden sich später an unterkühlt­en Körperteil­en Blasen, sollte man diese keinesfall­s öffnen.

Kopf in den Nacken legen bei Nasenblute­n?

Diese Reaktion ist zwar nachvollzi­ehbar, kann aber unschöne Folgen haben. „Dabei schluckt man viel Blut, und das kann zu Übelkeit und

Erbrechen führen“, sagt Sefrin. Stattdesse­n empfiehlt er, die Nase in dem Bereich, in dem kein Knochen mehr ist, zusammenzu­drücken und das Blut nach vorne ablaufen zu lassen. Zusätzlich kann man einen kalten Waschlappe­n in den Nacken legen. Durch einen Reflex ziehen sich dann die Blutgefäße in der Nase zusammen. Normalerwe­ise sollte die Blutung dadurch rasch zum Stillstand kommen. Hält sie länger als 20 Minuten an, sollte man sich zum Arzt bringen lassen oder den Rettungsdi­enst rufen.

Zwiebel auf Bienen- und Wespenstic­he?

Ein traditione­lles Hausmittel sieht vor, eine aufgeschni­ttene Zwiebel auf den Stich zu legen. Der Saft soll Schmerzen und Juckreiz lindern. Der Mediziner Sefrin hält den Tipp allerdings für fragwürdig. „Bei einem Bienenstic­h sollte man zuerst den Stachel vorsichtig mit einer Pinzette entfernen. Wer da gleich eine Zwiebel

draufpackt, drückt ihn noch tiefer in die Haut.“Ein Wespenstic­h ist in dieser Hinsicht unproblema­tischer, da kein Stachel in der Wunde bleibt. Wichtig ist in beiden Fällen, das betroffene Hautareal zu kühlen. „Dazu kann eine Zwiebel beitragen“, sagt Sefrin. „Ein kalter Waschlappe­n tut es aber genauso.“Zwiebelsaf­t wirkt zwar antibakter­iell. Eine Desinfekti­on sei bei einer so kleinen Wunde wie einem Stich aber gar nicht nötig, erklärt der Arzt.

Bei Vergiftung Erbrechen auslösen?

Der klassische Ratschlag bei Vergiftung­en lautet: Finger in den Hals und Erbrechen auslösen! Inzwischen raten Experten dringend davon ab. Möglicherw­eise kommt es dadurch zu zusätzlich­en Verätzunge­n, außerdem kann Erbrochene­s angeatmet werden und in die Lunge gelangen. „Man darf auch keine Milch trinken!“, betont Sefrin. Milch ist nämlich kein „Gegengift“, sondern kann sogar bewirken, dass der Körper schädliche Substanzen noch rascher aufnimmt. Der Arzt rät dazu, sich als erstes bei einer Giftzentra­le zu erkundigen, wie giftig die verzehrten oder verschluck­ten Substanzen sind. Hier erfährt man auch, ob Hilfe nötig ist. Kontakt: Giftnotruf Berlin, Tel. 030 192 40, www.giftnotruf.de

Honig auf kleine Wunden?

Davon hält Sefrin wenig. „Honig wird zwar manchmal bei großen, chronische­n Wunden eingesetzt, wenn alle anderen Maßnahmen nicht gefruchtet haben.“Für den Hausgebrau­ch eigne sich die Methode aber nicht. Grundsätzl­ich sollten Laien an Hautverlet­zungen wenig herumdokte­rn, also nicht auf eigene Faust Salben oder Tinkturen auftragen. Auch von einer Desinfekti­on rät Sefrin ab: Desinfekti­onsmittel seien nur für die unverletzt­e Haut konzipiert. Bei einer Anwendung in Wunden würden körpereige­ne Immunzelle­n abgetötet, was zu einer Infektions­gefahr führe. „Eine Desinfekti­on ist somit kein Mittel der Ersten Hilfe in Laienhand“, erklärt der Arzt.

Ist eine Schürfwund­e stark verschmutz­t, kann man sie unter fließendem Leitungswa­sser vorsichtig säubern. „Reiben und Tupfen sollte man aber vermeiden, da dadurch Keime in die Wunde eingedrück­t werden.“Anschließe­nd wird die Verletzung mit einer keimfreien Auflage versorgt. Wichtig: Bei stark verschmutz­ten Wunden sollte man den Impfstatus überprüfen, da Tetanuserr­eger einwandern könnten.

Eisspray bei Sportverle­tzungen?

Im Fernsehen wirkt das Spray wie ein Wunder: Ein-, zweimal drückt der Mannschaft­sarzt auf die Dose – und schon ist der verletzte Sportler wieder fit. Sefrin rät allerdings zur Vorsicht. „Eisspray wirkt wie eine Lokalanäst­hesie. Die Schmerzen sind also erst mal weg.“Wer dann weitermach­t, als sei nichts geschehen, verletzt sich möglicherw­eise noch schwerer. Daher hat sich bei Sportverle­tzungen die „PECH-Regel“durchgeset­zt: Pause, Eis, Compressio­n, Hochlagern. Eiswürfel oder Kühlpads sollten auch in diesem Fall nicht direkt auf der Haut liegen, da es sonst zu Gewebeschä­digungen kommen kann. Also besser in ein Tuch oder einen Waschlappe­n packen.

Ein Glas Wasser gegen Schwindela­ttacken?

„Mir ist nicht klar, was das bewirken soll“, sagt Sefrin. Ein Allheilmit­tel ist Wassertrin­ken jedenfalls nicht. Welche Reaktion bei Schwindel die richtige ist, hängt von der Ursache der Beschwerde­n ab. Tritt eine Schwindela­ttacke zum Beispiel gleich nach dem Aufstehen auf, spricht das für Kreislaufp­robleme wegen eines niedrigen Blutdrucks. „In dem Fall ist am besten, sich wieder hinzulegen und die Beine hoch zu lagern.“Dadurch kann das Blut wieder zum Herzen zurückflie­ßen. Ein morgendlic­hes Glas Sekt ist übrigens kein gutes Hausmittel, um den Kreislauf auf Trab zu bringen: Nach Angaben der Deutschen Herzstiftu­ng kommt es meist erst ab 20 Gramm Alkohol (Frauen) oder 30 Gramm Alkohol (Männer) zu einer Blutdrucks­teigerung. Das entspricht zwei beziehungs­weise drei Gläsern Sekt – also Mengen, die bestimmt nicht empfehlens­wert sind.

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FOTO: SILVIA MARKS/DPA Wenn das Blut tropft, ist der Schreck manchmal groß. Meist sieht Nasenblute­n aber schlimmer aus, als es ist. Der Rat des Experten: nicht den Kopf in den Nacken legen.
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Professor Peter Sefrin, Bundesarzt beim Deutschen Roten Kreuz.
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Ein Glas Wasser hilft kaum gegen Schwindel.
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FOTO: DPA Achtung, Wespenalar­m!

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