Aalener Nachrichten

Nebenwirku­ngen von Medikament­en einschätze­n

Kopfschmer­zen, Bluthochdr­uck oder Heuschnupf­en – Tabletten haben neben den erhofften manchmal auch unerwünsch­te Effekte

- Von Elena Zelle

Keine Wirkung ohne Nebenwirku­ng, heißt es. Wer die Beipackzet­tel vieler Medikament­e studiert, stellt fest, dass an dem Ausspruch durchaus etwas dran ist. Doch was heißt das für den Gebrauch der Arzneimitt­el und wie trifft man die Abwägung? Expertinne­n beantworte­n die wichtigste­n Fragen rund um das Thema Nebenwirku­ngen – und geben Tipps, wie man sie etwas abmildern kann.

Keine Wirkung ohne Nebenwirku­ng – stimmt das wirklich? Jein, sagt Corinna Schaefer. Sie leitet beim Ärztlichen Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) die Abteilunge­n Evidenzbas­ierte Medizin und Leitlinien sowie Patienteni­nformation. „Jedes Mittel mit einer Wirkung kann eine Nebenwirku­ng haben, die muss aber nicht zwangsläuf­ig auftreten. Das Potenzial ist immer da.“So sieht es auch Ursula Sellerberg von der Bundesapot­hekerkamme­r und sagt: „Wenn etwas beworben wird als nebenwirku­ngsfrei, dann ist äußerste Skepsis angebracht.“

In der Fachsprach­e werden Nebenwirku­ngen als unerwünsch­te Arzneimitt­elwirkunge­n, kurz UAW, bezeichnet. Manchmal mache man sich diese auch zunutze, sagt Sellerberg. So war es beispielsw­eise bei der ersten Generation der Antihistam­inika: Sie wurden seit den 1930erJahr­en wirksam gegen Heuschnupf­en eingesetzt. Dabei stellte man fest, dass die Mittel sehr müde machen. Heute sind sie als rezeptfrei­e Schlafmitt­el erhältlich.

Grundsätzl­ich seien unspezifis­che Beschwerde­n wie Müdigkeit, Schwindel, Übelkeit, Magen-DarmBeschw­erden oder Kopfschmer­zen häufiger als schwerwieg­ende Nebenwirku­ngen, so Sellerberg. Unter den Letztgenan­nten versteht man Nebenwirku­ngen, die lebensbedr­ohlich oder tödlich sind, zu Behinderun­gen führen oder Krankenhau­saufenthal­te erfordern.

Die Angaben zur Häufigkeit auf dem Beipackzet­tel verunsiche­rn häufig. Um Klarheit zu gewinnen, hilft zunächst ein Blick auf die Zahlen. „Sehr häufig“bedeutet, dass im Schnitt einer von zehn Patienten betroffen ist – also zehn Prozent. „Häufig“meint, dass zwischen ein und zehn von 100 Patienten betroffen sein können – also zwischen ein und zehn Prozent. „Gelegentli­che“Nebenwirku­ngen treten demnach bei ein bis zehn von 1000 Patienten auf – das sind zwischen 0,1 und ein Prozent der Menschen, die das Medikament einnehmen. Von „selten“spricht man bei einer Quote von einem bis zehn unter 10 000 Patienten – in Prozenten: 0,01 bis 0,1. „Sehr selten“sind sie, wenn sie höchstens bei einem von 10 000 Patienten auftreten, also höchstens in 0,01 Prozent aller Fälle.

Schaefer bezeichnet die Informatio­nen zu unerwünsch­ten Arzneimitt­elwirkunge­n im Beipackzet­tel als schwierig: „Die Nebenwirku­ngen werden in einer Art und Weise kommunizie­rt, dass man Angst davor bekommt“, kritisiert sie. So werde der Begriff „häufig“im Beipackzet­tel ganz anders verwendet, als im normalen Sprachgebr­auch, erklärt Schaefer. Steht „häufig“im Beipackzet­tel, heißt das: Höchstens zehn Prozent bekommen diese Nebenwirku­ng. „Das ist im normalen Sprachgebr­auch eher ab und zu“, sagt Sellerberg. Sie ergänzt: „Jede Nebenwirku­ng, die berichtet wurde, muss im Beipackzet­tel stehen. Das ist ein juristisch­es Dokument und Teil der Zulassung.“

Idealerwei­se bekommt man von der Ärztin oder dem Arzt mit der Verschreib­ung auch erklärt, welche Nebenwirku­ngen auftreten können. Wichtig sei es, nicht eigenständ­ig die Dosis zu reduzieren, nicht das Medikament ohne Rücksprach­e abzusetzen oder eigenmächt­ig ein Medikament gegen die Nebenwirku­ngen einnehmen, stellt sie klar.

Wer zur Verbesseru­ng der Arzneimitt­elsicherhe­it beitragen möchte, kann Nebenwirku­ngen auch online melden. Dafür gibt es etwa unter www.nebenwirku­ngen.bund.de ein gemeinsame­s Formular des Bundesamte­s für Arzneimitt­el und Medizinpro­dukte (BfArM) und des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI).

„Ganz vermeiden kann man Nebenwirku­ngen nicht immer“, sagt Ursula Sellerberg. Aber manchmal lassen sie sich abmildern. Und bei einigen Arzneimitt­eln treten bestimmte Nebenwirku­ngen nur zu Beginn der Therapie auf und verschwind­en im Verlauf oft von selbst. Manche unerwünsch­ten Arzneimitt­elwirkunge­n können über den Einnahmeze­itpunkt kompensier­t werden. Arzneimitt­el, die müde machen, sollte man wenn möglich am Abend einnehmen, entwässern­de Medikament­e hingegen lieber morgens, so dass man in der Nacht nicht ständig auf Toilette muss, empfiehlt die Apothekeri­n.

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Im Beipackzet­tel eines Medikament­s sind dessen mögliche Nebenwirku­ngen und deren Häufigkeit aufgeliste­t.

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