Grün-Schwarz setzt auf Sparkurs
Trotz Corona-Defiziten will die Koalition ohne neue Kredite auskommen
(dpa) - Die grünschwarze Koalition im Südwesten setzt auf ein Ende der Corona-Krise im nächsten Jahr und will im Haushalt 2022 ohne neue Kredite auskommen. Die Spitzen von Grünen und CDU einigten sich am Freitagabend in der Haushaltskommission darauf, die Schuldenbremse wieder einzuhalten und auch zu sparen. „Es gibt keine neuen Schulden“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) nach der Sitzung in Stuttgart. Die Eckpunkte des Etats für das nächste Jahr seien „in trockenen Tüchern“. Die Entscheidung gegen neue Schulden hat weitreichende Folgen, denn Corona hat große Löcher in die Landeskasse gerissen. „Das Wünschenswerte muss warten“, formulierte es CDU-Fraktionschef Manuel Hagel. Von einem „Jahr des Übergangs“ist die Rede.
Der neue Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) bezifferte die coronabedingte Deckungslücke auf gut 3,6 Milliarden Euro. „Wir haben uns trotzdem das Ziel gesetzt, ohne neue Kredite auszukommen“, sagte Bayaz nach der Sitzung, die schon nach einer Stunde vorbei war.
Für seine Ministerkolleginnen und -kollegen hat der Grünen-Politiker und frühere Unternehmensberater eine bittere Pille parat: „Jedes Ressort wird deshalb auch Einsparungen leisten müssen, es gibt nur einen schmalen Korridor für Mehrausgaben.“Grün-Schwarz wolle trotzdem gezielt in wichtige Zukunftsprojekte investieren. Bayaz schob hinterher: „So bleiben wir als Landesregierung handlungsfähig.“Schon am kommenden Dienstag soll das Kabinett die Eckpunkte beschließen.
Zuletzt war in der Koalition viel von „enkelgerechter Finanzpolitik“die Rede. Doch das zusätzliche Bauministerium, weitere Posten für Staatssekretäre, der Nachtragsetat mit Schulden und Überlegungen zu einer Aufweichung der Schuldenbremse bei den Grünen hatten heftige Kritik bei der Opposition ausgelöst. Nun wird darauf verwiesen, dass man es im Land im nächsten Jahr anders machen wolle als der Bund: Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) will 97 Milliarden Euro neue Kredite aufnehmen – mit Hinweis auf den Corona-Notstand.
Bleibt Grün-Schwarz auch ohne neue Schulden handlungsfähig? Die Vorlage, die das Stuttgarter Finanzministerium erarbeitet hat und die der dpa vorliegt, spricht zunächst einmal eine andere Sprache. Die Deckungslücke wird auf genau 3,628 Milliarden Euro beziffert. Doch damit nicht genug: Der geplante Nachtragsetat, den Bayaz am Mittwoch in den Landtag einbringen will, enthält politische Maßnahmen und Vorfestlegungen, die im Etat 2022 Kosten in Höhe von 343 Millionen Euro auslösen. Der Korridor für Mehrausgaben wird auf 345 Millionen Euro festgelegt. Macht unterm Strich: 4,316 Milliarden Euro. Woher soll das Geld aber kommen, ohne neue Schulden? Zunächst rechnet das Ministerium wegen der Mai-Steuerschätzung mit Mehreinnahmen für 2022 in Höhe von 1,151 Milliarden Euro. Zudem setzt das Ressort aber darauf, dass die Konjunktur nach Corona wieder anspringt und die Steuerquellen stärker sprudeln.
Das Plus wird auf 315 Millionen Euro angesetzt. Der größte Batzen soll aber aus Haushaltsresten und nicht genutzten Verschuldungsrechten aus dem Jahr 2020 kommen: Hier geht das Ressort von 2,6 Milliarden Euro aus. Übrig bleibt ein Delta von 250 Millionen Euro, das von den Ministerien eingespart werden muss. In der Vorlage ist von einer „moderaten Konsolidierungsauflage“die Rede. Da wäre nur ein kleines Problem: Sollte das angenommene Steuerplus niedriger ausfallen, müssten die Ressorts noch mehr bluten. Dann hätte Grün-Schwarz noch eine Art Sparstrumpf. Die Koalition könnte einen ungenutzten Corona-Rettungsfonds für mittlere Firmen mit einem Volumen von einer Milliarde Euro auflösen. Die Frist für den Beteiligungsfonds läuft noch bis Ende September 2021, das Ministerium geht aber nicht davon aus, dass noch Mittel abfließen. „Die „frei“werdenden Mittel können entweder zur Finanzierung von Corona-Mehrbedarfen oder zur Sondertilgung der Notkredite verwendet werden“, schlägt das Ressort vor.
Die Corona-Krise hat tiefe Spuren im Landesetat hinterlassen. 2020 hatte die alte grün-schwarze Regierung deshalb die Schuldenbremse ausgesetzt und neue Kredite in Höhe von 13,5 Milliarden Euro für den Doppelhaushalt aufgenommen.
Zuletzt hatte die Koalition einen Nachtragsetat beschlossen, der neue Schulden in Höhe von 1,2 Milliarden Euro vorsieht. Mit dem Etat will sich Grün-Schwarz vor allem für den unsicheren Verlauf der Corona-Krise wappnen und die Folgen abmildern. Bayaz bringt am kommenden Mittwoch den Nachtragshaushalt in den Landtag ein.
CDU-Fraktionschef Hagel sieht keine Alternative zu dem Kurs ohne neue Schulden. „Jetzt gestalten wir das kommende Jahr mit harten Entscheidungen, aber klaren Schwerpunktsetzungen.“Das Prinzip „one in, one out“sei auf Betreiben der CDU in den Koalitionsverhandlungen vereinbart worden. „Das heißt, dass wir neue Impulse nur dadurch setzen können, wenn wir alte Zöpfe anderswo abschneiden.“