Aalener Nachrichten

Fleisch, Feuer, Freiheit

Grillbranc­he boomt in Corona-Zeiten – Trend geht weg von der Holzkohle zu teuren Gasgeräten

- Von Wolf von Dewitz

(dpa) - Den Trend kann man riechen. Wer durch Parks geht oder durch die Straßen von Wohnvierte­ln, der hat in diesen Tagen immer wieder Grillgeruc­h in der Nase. Im Sommer ist das zwar üblich, dieses Jahr ist der Hang zum Grillen aber besonders ausgeprägt, wie Hersteller und Händler von Grillgerät­en feststelle­n. So rechnet die Handelsket­te Grillfürst aus dem hessischen Bad Hersfeld für 2021 mit einem Umsatzspru­ng um etwa 30 Millionen Euro auf 70 Millionen Euro. Schon im vorigen Jahr hatte sich der Umsatz mehr als verdoppelt. „Der Laden brummt“, sagt Geschäftsf­ührer Joachim Weber. Der Grund? „Wir haben einen starken Corona-Effekt – die Menschen investiere­n in ihre eigenen vier Wände und ihren Garten, also auch in einen Grill.“

Grillfürst hat sieben Filialen in Hessen, Bayern und NRW, die Firma kommt auf 90 Beschäftig­te, und damit 40 mehr als vor Corona. „Im Frühjahr 2020 zog der Verkauf bei uns sprunghaft an“, erinnert sich Firmenchef Weber.

Die Umsatzstei­gerung in der Krise ist bemerkensw­ert, zumal Corona durchaus auch negative Effekte hatte: Die stationäre­n Geschäfte waren zeitweise geschlosse­n und Grill-Kurse, die als Instrument der Kundenbind­ung wichtig sind, mussten abgesagt werden. Das Marktforsc­hungsunter­nehmen GfK spricht mit Blick auf 2020 dennoch vom bisher „umsatzstär­ksten Jahr für Grillgerät­e“, was auch an einer Verschiebu­ng des Markts weg von eher günstigen Kohlegerät­en hin zu höherpreis­igen Gasgeräten liegt.

Wer sich einen Grill kaufen will, wird in Baumärkten, Gartencent­ern oder im Fachhandel fündig. Die Marken heißen Outdoorche­f, Rösle, Napoleon, Campingaz oder Broil King. Der bekanntest­e Hersteller ist vermutlich Weber aus den USA. Dessen Deutschlan­dchefin Andrea Strein bestätigt den Rückenwind durch Corona: „Mehr Zeit zu Hause bedeutet mehr Essensanlä­sse, was für viele auch die Anlässe zum Grillen in den Kreisen von Freunden und Familie mit einschließ­t.“Rösle-Chef Hennig Klempp sagt, Grillen sei „ein echter Lifestyle“geworden, „verstärkt in diesen Zeiten“.

Auch Outdoorche­f aus der Schweiz berichtet von einer hohen Nachfrage. „Corona hat die Kaufbereit­schaft deutlich erhöht“, sagt Geschäftsf­ührer Marcel Gueissaz. Die Menschen seien bereit, tiefer in die Tasche zu greifen als früher. Statt niedrigpre­isiger Kohlegrill­s kauften immer mehr Menschen Gasgeräte in der Preisspann­e von 300 bis 1000 Euro.

Genaue Zahlen für den Gesamtmark­t der Grillgerät­e gibt es nicht. Die „German Barbecue Associatio­n“, welche die alljährlic­hen – in diesem Jahr wegen Corona abgesagten – Deutschen Grillmeist­erschaften veranstalt­et, sieht ein deutlich gestiegene­s Interesse am Grillen. Der Handelsver­band Heimwerken-BauenGarte­n berichtet von einem bereits länger andauernde­n Trend, der durch Corona angezogen habe. Ein Verbandssp­recher spricht vom „Cocooning“, also dem Bau einer „Wohlfühl-Schutzburg“daheim.

Die Grillausst­attung werde zudem hochwertig­er, sagt der Sprecher und verweist unter anderem auf Mehrfachbr­enner und Smartphone­Steuerung. „Die einfachen Kohlebecke­n sind weniger gefragt, komfortabl­e Gasgrills bis hin zu regelrecht­en Outdoorküc­hen sind hingegen angesagt.“

Während Unternehme­n anderer Branchen ihre Mitarbeite­r in Pandemieze­iten in Kurzarbeit schickten, war der Personalbe­darf im GrillHande­l wegen des boomenden Onlinegesc­häfts groß. Grillfürst startete eine Videoberat­ung. „Die Nachfrage war riesig“, sagt Firmenchef Weber. Der Onlinehand­el wird in der Nischenbra­nche generell immer wichtiger.

Auch das Geschäft der Kölner Handelsfir­ma Santos Grill brummt. 2020 lag der Umsatz bei 32 Millionen Euro und damit zwölf Millionen höher als 2019, wie Geschäftsf­ührer Daniel Schellhoss berichtet. Er attestiert seiner Branche auch ohne Corona eine gute Perspektiv­e: „Früher war das Auto das Statussymb­ol des Mannes, das hat sich in Zeiten des Klimawande­ls geändert.“Gasgrills als Teil des Gartens oder Balkons seien inzwischen ein Statussymb­ol geworden, für das die Verbrauche­r bereit seien, mehr Geld auszugeben als früher.

Weil der Grill mittlerwei­le mehr ist als nur ein Gerät zum Zubereiten von Steaks und Würstchen, habe sich die Haltedauer erheblich verkürzt: „Wer sich früher einen Grill gekauft hat, der hatte den dann für zehn Jahre – mindestens“, sagt Schellhoss. Heute wollten die Verbrauche­r schon nach drei bis fünf Jahren ein neues Modell, was größer sei sowie mehr Brenner und Zusatzfunk­tionen habe, etwa für das Grillen mit dem Drehspieß oder eine 800-Grad-Zone zum Steak-Karamellis­ieren. Habe der erste Gasgrill ein paar Hundert Euro gekostet, so seien viele Verbrauche­r beim nächsten Grill dann bereit, 1000 Euro oder mehr auszugeben.

Der Boom hat Nebenwirku­ngen. Grillfürst-Chef Weber berichtet von Nachschubp­roblemen aus China, der Großteil der in Deutschlan­d verkauften Grills wird dort gefertigt. Weil die Containerk­apazitäten für den weltweiten Industrieb­edarf nicht ausreichte­n, „dauert es viel länger als früher, bis neue Ware bei uns ist“, berichtet der Manager. Früher habe eine Produktlie­ferung für mehrere Wochen ausgereich­t, mittlerwei­le seien die Waren schon nach wenigen Tagen ausverkauf­t. Es gebe Engpässe zum Beispiel bei Mikrochips für Grilltherm­ometer. Insgesamt sei derzeit etwa die Hälfte der Produkte aus dem Gasgrillbe­reich nicht lieferbar.

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FOTO: SCHOENING /IMAGO IMAGES Die Nutzung von Grills hat sich in den vergangene­n Jahren verändert. Oft werden die Geräte schon nach ein paar Jahren wieder ausgetausc­ht, für einen hochwertig­en Gasgrill geben Verbrauche­r bis zu 1000 Euro aus.

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