Aalener Nachrichten

Keine Kasse, kein Personal

Händler testen Supermarkt der Zukunft – Öffnungsze­iten rund um die Uhr

- Von Erich Reimann

(dpa) - Der Onlinehand­el setzt Edeka, Rewe und Co. immer mehr unter Druck. Deshalb suchen viele große Handelsket­ten nach Wegen, das Einkaufen im Laden zukunftsfä­hig zu machen: mit Geschäften ohne Personal und ohne Kassen. Oder mit einem selbstfahr­enden Kiosk.

Beispiel Köln: In der Domstadt testen Rewe und Vodafone seit Mittwoch den nach ihren Angaben „europaweit ersten autonom fahrenden Kiosk“. Ohne Fahrer oder Verkäufer soll das Snackmobil im Kölner Gewerbecam­pus Carlswerk Passanten und Büroarbeit­er auf Wunsch mit Snacks, Süßigkeite­n und Getränken versorgen. Wer Hunger oder Durst hat, braucht nur zu winken, schon unterbrich­t der rollende Kiosk seine Dauerschle­ife durch das Gelände, sodass der Kunde einkaufen kann. Bezahlt wird kontaktlos.

Aus Sicherheit­sgründen wird das Snackmobil zwar zunächst noch von einem menschlich­en Betreuer begleitet. Dennoch zeigte sich Vodafone Deutschlan­d-Chef Hannes Ametreiter vom Zukunftspo­tenzial überzeugt: „Wir bringen autonome Fahrzeuge vom Testgeländ­e ins echte Leben.“

Das Snackmobil ist allerdings bei Weitem nicht der einzige Versuch, den Lebensmitt­elhandel in Deutschlan­d in die Digital-Ära zu katapultie­ren. Fast alle großen deutschen Handelsket­ten suchen inzwischen nach Konzepten für den Supermarkt der Zukunft. Rewe testet unter der Bezeichnun­g „Pick & Go“in einer kleineren Filiale in der Zeppelinst­raße in Köln bereits das Einkaufen ohne Kasse. Die Kunden müssen sich beim Betreten des Geschäfts per App einchecken, packen die gewünschte­n Artikel dann einfach ein und gehen wieder. Kameras, Sensoren und Computer erledigen den Rest. Sie registrier­en selbststän­dig, was eingepackt wird, erstellen die Rechnung und buchen das Geld ab.

Deutschlan­ds größter Lebensmitt­elhändler Edeka testet unterdesse­n am Bahnhof im baden-württember­gischen Renningen einen hochautoma­tisierten Tiny-Store, der ohne Verkaufspe­rsonal auskommt und rund um die Uhr geöffnet ist. Die per App oder an Touchscree­ns in dem winzigen Laden bestellten Produkte werden nach der Bestellung von Greifrobot­ern hinter dem Verkaufsra­um zusammenge­stellt und zu einem Abholschal­ter transporti­ert, wo der Kunde sie in Empfang nimmt.

Bis zu 800 verschiede­ne Produkte können so angeboten werden. „Ein Snack für den Weg zur Arbeit oder auch der spontane Wocheneink­auf, alles ist möglich und das völlig zeitunabhä­ngig“, so die Edeka-Kauffrau und Inhaberin des Miniladens, Gisela Karow-Schäfer.

Bereits drei Minimärkte ohne Verkaufspe­rsonal hat die Handelsket­te Tegut im Großraum Fulda in Betrieb. Auch hier muss der Kunde zunächst eine App installier­en, mit der er die Türe des Teo genannten Geschäfts öffnen kann. Im Laden kann er dann die Ware selber aus dem Regal nehmen und scannen. Eine Teo-Filiale könne auch dort Erfolg haben, wo klassische Vertriebsk­onzepte wie Supermärkt­e wirtschaft­lich nicht sinnvoll seien, glaubt Tegut, etwa in Neubaugebi­eten, vor Kliniken und Universitä­ten, an Verkehrskn­otenpunkte­n oder auf Firmengelä­nden.

Die Schwarz-Gruppe, mit ihren Ketten Lidl und Kaufland einer der größten Einzelhänd­ler Europas, hat in Heilbronn ebenfalls erste Tests mit Hightech-Shops gestartet. Ein Rollout der Konzepte bei Kaufland oder Lidl sei aber nicht geplant, dämpft das Unternehme­n die Erwartunge­n.

Für die Experiment­ierlust der Handelsrie­sen gibt es gute Gründe. Gut 60 Jahre nach dem Beginn des Siegeszuge­s des Selbstbedi­enungsSupe­rmarktes in Deutschlan­d scheint es höchste Zeit, dass sich der Einzelhand­el noch einmal neu erfindet. Schließlic­h ist die Konkurrenz nur noch einen Mausklick entfernt. Der Onlinehand­el mit Lebensmitt­eln hat in der Corona-Pandemie einen kräftigen Schub bekommen und seine Umsätze fast verdoppelt.

Die Vorteile der Online-Supermärkt­e sind offensicht­lich: Sie haben 24 Stunden am Tag geöffnet. Wer dort einkauft, braucht nicht an der Kasse Schlange zu stehen. Hier haben die klassische­n Läden Nachholbed­arf, wie die aktuelle Studie „Zukunft des Check-out“des Kölner Handelsfor­schungsins­tituts EHI und der Volksbank-Raiffeisen­bank-Tochter VR Payment belegt.

Vor allem die Schlangen an den Kassen sind demnach den Kunden ein Dorn im Auge. „Die Kunden wollen einkaufen, nicht bezahlen. Das Anstehen an der Kasse empfinden sie vor allem als Zeitversch­wendung und Belastung“, heißt es in der Untersuchu­ng, gestützt auf eine repräsenta­tive Befragung von 1000 Konsumente­n. Rund die Hälfte der Kunden ist deshalb der Meinung, dass der Supermarkt der Zukunft keine Kassen mehr haben und rund um die Uhr geöffnet sein solle.

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FOTO: BJÖRN FRIEDRICH/DPA Im Testladen „tegut ... teo“in Fulda werden 950 Artikel des täglichen Bedarfs angeboten. Bezahlt wird ohne Kassierer.

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