Keine Kasse, kein Personal
Händler testen Supermarkt der Zukunft – Öffnungszeiten rund um die Uhr
(dpa) - Der Onlinehandel setzt Edeka, Rewe und Co. immer mehr unter Druck. Deshalb suchen viele große Handelsketten nach Wegen, das Einkaufen im Laden zukunftsfähig zu machen: mit Geschäften ohne Personal und ohne Kassen. Oder mit einem selbstfahrenden Kiosk.
Beispiel Köln: In der Domstadt testen Rewe und Vodafone seit Mittwoch den nach ihren Angaben „europaweit ersten autonom fahrenden Kiosk“. Ohne Fahrer oder Verkäufer soll das Snackmobil im Kölner Gewerbecampus Carlswerk Passanten und Büroarbeiter auf Wunsch mit Snacks, Süßigkeiten und Getränken versorgen. Wer Hunger oder Durst hat, braucht nur zu winken, schon unterbricht der rollende Kiosk seine Dauerschleife durch das Gelände, sodass der Kunde einkaufen kann. Bezahlt wird kontaktlos.
Aus Sicherheitsgründen wird das Snackmobil zwar zunächst noch von einem menschlichen Betreuer begleitet. Dennoch zeigte sich Vodafone Deutschland-Chef Hannes Ametreiter vom Zukunftspotenzial überzeugt: „Wir bringen autonome Fahrzeuge vom Testgelände ins echte Leben.“
Das Snackmobil ist allerdings bei Weitem nicht der einzige Versuch, den Lebensmittelhandel in Deutschland in die Digital-Ära zu katapultieren. Fast alle großen deutschen Handelsketten suchen inzwischen nach Konzepten für den Supermarkt der Zukunft. Rewe testet unter der Bezeichnung „Pick & Go“in einer kleineren Filiale in der Zeppelinstraße in Köln bereits das Einkaufen ohne Kasse. Die Kunden müssen sich beim Betreten des Geschäfts per App einchecken, packen die gewünschten Artikel dann einfach ein und gehen wieder. Kameras, Sensoren und Computer erledigen den Rest. Sie registrieren selbstständig, was eingepackt wird, erstellen die Rechnung und buchen das Geld ab.
Deutschlands größter Lebensmittelhändler Edeka testet unterdessen am Bahnhof im baden-württembergischen Renningen einen hochautomatisierten Tiny-Store, der ohne Verkaufspersonal auskommt und rund um die Uhr geöffnet ist. Die per App oder an Touchscreens in dem winzigen Laden bestellten Produkte werden nach der Bestellung von Greifrobotern hinter dem Verkaufsraum zusammengestellt und zu einem Abholschalter transportiert, wo der Kunde sie in Empfang nimmt.
Bis zu 800 verschiedene Produkte können so angeboten werden. „Ein Snack für den Weg zur Arbeit oder auch der spontane Wocheneinkauf, alles ist möglich und das völlig zeitunabhängig“, so die Edeka-Kauffrau und Inhaberin des Miniladens, Gisela Karow-Schäfer.
Bereits drei Minimärkte ohne Verkaufspersonal hat die Handelskette Tegut im Großraum Fulda in Betrieb. Auch hier muss der Kunde zunächst eine App installieren, mit der er die Türe des Teo genannten Geschäfts öffnen kann. Im Laden kann er dann die Ware selber aus dem Regal nehmen und scannen. Eine Teo-Filiale könne auch dort Erfolg haben, wo klassische Vertriebskonzepte wie Supermärkte wirtschaftlich nicht sinnvoll seien, glaubt Tegut, etwa in Neubaugebieten, vor Kliniken und Universitäten, an Verkehrsknotenpunkten oder auf Firmengeländen.
Die Schwarz-Gruppe, mit ihren Ketten Lidl und Kaufland einer der größten Einzelhändler Europas, hat in Heilbronn ebenfalls erste Tests mit Hightech-Shops gestartet. Ein Rollout der Konzepte bei Kaufland oder Lidl sei aber nicht geplant, dämpft das Unternehmen die Erwartungen.
Für die Experimentierlust der Handelsriesen gibt es gute Gründe. Gut 60 Jahre nach dem Beginn des Siegeszuges des SelbstbedienungsSupermarktes in Deutschland scheint es höchste Zeit, dass sich der Einzelhandel noch einmal neu erfindet. Schließlich ist die Konkurrenz nur noch einen Mausklick entfernt. Der Onlinehandel mit Lebensmitteln hat in der Corona-Pandemie einen kräftigen Schub bekommen und seine Umsätze fast verdoppelt.
Die Vorteile der Online-Supermärkte sind offensichtlich: Sie haben 24 Stunden am Tag geöffnet. Wer dort einkauft, braucht nicht an der Kasse Schlange zu stehen. Hier haben die klassischen Läden Nachholbedarf, wie die aktuelle Studie „Zukunft des Check-out“des Kölner Handelsforschungsinstituts EHI und der Volksbank-Raiffeisenbank-Tochter VR Payment belegt.
Vor allem die Schlangen an den Kassen sind demnach den Kunden ein Dorn im Auge. „Die Kunden wollen einkaufen, nicht bezahlen. Das Anstehen an der Kasse empfinden sie vor allem als Zeitverschwendung und Belastung“, heißt es in der Untersuchung, gestützt auf eine repräsentative Befragung von 1000 Konsumenten. Rund die Hälfte der Kunden ist deshalb der Meinung, dass der Supermarkt der Zukunft keine Kassen mehr haben und rund um die Uhr geöffnet sein solle.