Günstiger Wohnraum ist auf der Ostalb Mangelware
Trotz gestiegener Bauaktivitäten kann der Bedarf in Aalen und Ellwangen derzeit kaum gedeckt werden
- In deutschen Metropolen sind günstige Wohnungen seit Jahren knapp. Mittlerweile steigen die Mieten aber auch in mittleren und kleineren deutschen Städten teils in astronomische Höhen – trotz Mietpreisbremse. Die Folge: Die Mietwohnungssuche wird für immer mehr Menschen zu einer echten Herausforderung. Betroffen sind davon nicht nur Geringverdiener. In Städten wie Ellwangen und Aalen ist dieses Problem erkannt. Hier wird gegen den steigenden Bedarf angebaut. Bis diese Maßnahmen wirken können, wird es allerdings noch Jahre dauern, sagen die Verantwortlichen.
Wer in Aalen eine günstige Wohnung über die städtische Wohnungsbau GmbH anmieten möchte, braucht momentan einen langen Atem. Die Warteliste der Bewerber ist lang. Rund 500 Menschen haben sich vormerken lassen, davon rund 40 mit dringendem Wohnbedarf. Und auch in Ellwangen ist die Wohnungssuche hartes Brot. Hier ist die Baugenossenschaft (BG) Ellwangen wichtigster Anbieter für eine sozial verantwortbare Wohnungsversorgung. Wer auf der BG-Homepage nach günstigen Mietangeboten fahndet, schaut aktuell allerdings ebenfalls in die Röhre. „Leider stehen derzeit keine freien Mietimmobilien zur Verfügung“, ist auf der BG-Homepage nachzulesen.
Wer es auf dem freien Markt versucht, hat es zumindest in Ellwangen nicht leichter. Hier wird derzeit auf der bekanntesten Online-Immobilienplattform Immobilienscout24 exakt eine Mietwohnung angeboten. Zwei Zimmer für 650 Euro kalt. In Aalen ist das Online-Angebot an Mietwohnungen mit 65 Ausschreibungen zwar durchaus stattlich – die Preise sind es allerdings auch. Für eine neu gebaute 3,5-Zimmer-Wohnung mit rund 94 Quadratmetern werden kalt 1165 Euro aufgerufen. Das können sich viele Familien nicht mehr leisten.
Bei den Stadtverwaltungen weiß man um diese Situation. „Ja, natürlich haben wir einen gewissen Wohnungsmangel“, räumt Sascha Kurz, stellvertretender Pressesprecher der Stadt Aalen, im Gespräch mit unserer Zeitung ein. Kurz betont aber auch, dass die Stadt Aalen dieses Problem gemeinsam mit ihrer städtischen Wohnbau-Gesellschaft seit 2014 aktiv angehe. Die Wohnungsbau Aalen GmbH habe aktuell 1400 Mietwohnungen im Bestand, davon rund 280 sozial geförderte Wohnungen – sprich Wohnungen, deren Miete um ein Drittel unter der im Mietpreisspiegel aktuell erfassten ortsüblichen Vergleichsmiete liegt – abhängig von Lage und Ausstattung der Wohnung. Auch deshalb wirkt die Wohnungsbaugesellschaft mietpreisdämpfend. Ihre Mietpreise liegen durchschnittlich um 15 bis 20 Prozent unter dem ortsüblichen Marktpreis. Während Corona seien zudem keine Mieten erhöht worden.
Der Anteil von geförderten Wohnungen soll laut OB Thilo Rentschler,
gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender des städtischen Wohnbauunternehmens, in den kommenden Jahren deutlich ausgebaut werden – auf rund 500 geförderte Wohneinheiten. Dafür brauche es aber Zeit. „Geförderter Wohnungsbau ist nichts für einen kurzen Atem. Bis ein neues Wohnhaus geplant, gebaut und bezogen ist, vergehen vier bis fünf Jahre – manchmal länger“, erklärt Rentschler.
Um den vorhandenen Wohnungsbedarf in der Stadt möglichst schnell decken zu können, brauche es deshalb zwingend die Initiative von privaten Bauträgern. Wie etwa auf dem Blumen Ulrich-Areal, wo in den kommenden Monaten 44 neue Wohnungen entstehen – davon werden elf als günstige geförderte Wohnungen vermietet. Weiteres Beispiel ist das Areal in der Maiergasse in Wasseralfingen: Dort sind 125 Wohnungen geplant, knapp 50 davon als geförderter Wohnraum. Das entspricht einer Vorgabe des Aalener Gemeinderats. Wer in Aalen seit dem Jahr 2018 Geschosswohnungen errichtet, wird verpflichtet, 25 Prozent der Wohnungen beziehungsweise mindestens 20 Prozent der Wohnfläche für einen festgelegten Zeitraum von mindestens 15 Jahren als geförderten Wohnraum zu vermieten.
„Uns hilft in der momentanen Situation tatsächlich nur bauen, bauen, bauen. Allein um den steigenden Wohnraumbedarf und Ersatzbauten für entfallende Bauten zu decken, müssten in Aalen jedes Jahr rund 300 neue Wohnungen entstehen“, sagt Sascha Kurz. „Hinzu kommt, dass die Ostalb – und ganz besonders Aalen als Industriestandort- eine boomende Wirtschaftsregion ist“, ergänzt OB Rentschler. Und: Entgegen früherer Prognosen sei die Einwohnerzahl der Stadt Aalen in den letzten zehn Jahren nicht stagniert, sondern auf über 68 000 angewachsen. „Rechnet man die über 3000 Zweitwohnsitze hinzu, haben wir sogar längst die 70 000-Einwohner-Marke überschritten“, so Rentschler. Der OB verweist beispielhaft auf die Firma Zeiss, die aktuell mehrere hundert offene Stellen an ihren Standorten in Aalen und Oberkochen ausgeschrieben hat. „Mitarbeiter, die zu den Unternehmen hier in der Region kommen, brauchen natürlich Wohnraum.“Rentschler erinnert dabei an die stark angestiegene Zahl von Arbeitsplätzen in der Stadt seit 2010.
Sascha Kurz macht einen weiteren Grund für fehlenden, günstigen Wohnraum in der verfehlten Politik von Bund und Land aus. Die Rahmenbedingungen für den geförderten Wohnungsbau seien in den 1990er und den 2000er Jahren deutlich verschlechtert worden. Viele Kommunen – Aalen ausdrücklich nicht – hätten ihre Wohnungen in dieser Phase an große Immobilienkonzerne verkauft. „Kommunale Wohnbaugesellschaften und Baugenossenschaften müssen sich auch refinanzieren, um ihren Bestand an Wohnungen zu erhalten und neu bauen zu können. Wird Wohnungsbau
nicht entsprechend gefördert, kann am Ende auch weniger für Bedürftige gebaut werden.“
Das Ergebnis dieser veränderten Förderpolitik sehe man jetzt. „Uns fehlen zehn, 15 Jahre geförderter Wohnungsbau. Da ist eine enorme Lücke entstanden, die wir nun versuchen schnellstmöglich zu schließen. Dabei sind wir für die Bereitstellung von Fördermitteln für Bauträger wie die Wohnungsbau Aalen GmbH durch das Land dankbar“, pflichtet Aalens Stadtoberhaupt bei.
Wohnungsmangel sei aber keinesfalls ein neues Phänomen. Solche Phasen habe es in der Geschichte des Landes immer wieder gegeben, betont der stellvertretende Pressesprecher Sascha Kurz. Etwa nach dem Krieg, mit dem Zuzug der Gastarbeiter in den 1960er- und 1970er Jahren oder auch nach der Wiedervereinigung 1990 und dem Zuzug deutschstämmiger Aussiedler. „Da gab es auch mittelfristig einen erhöhten Wohnungsbedarf. Die Bundes- und Landespolitik muss für diese nationale Aufgabe positive Rahmenbedingungen schaffen“, unterstreicht Kurz.
Die Stadt Aalen leiste diesbezüglich auch einen eigenen Beitrag. In der Kocherstadt werden eigene Fördermittel für den Bau von geförderten Wohnungen bereitgestellt. 180 Euro pro Quadratmeter Wohnraum gibt es aus dem Aalener Stadtsäckel als einmaligen Zuschuss für den Bauträger beim Erfüllen der Förderkriterien – immerhin rund 15 000 Euro pro Dreizimmer-Wohnung.
Wie in Aalen wird auch in der Stadt Ellwangen gegen den steigenden Wohnungsbedarf angebaut. In der Karl-Stirner-Straße zieht die Kreisbau Aalen auf 2200 Quadratmetern aktuell vier Mehrfamilienhäuser hoch, die Fertigstellung ist 2023 geplant. Neben 24 Eigentumswohnungen werden auch acht Sozialwohnungen entstehen – die ersten in Ellwangen. Weitere sollen folgen, kündigt Pressesprecher Anselm Grupp an. Denn: Auch in Ellwangen sei die Lage auf dem Mietwohnungsmarkt mittlerweile „fast schon dramatisch“. Bezahlbarer Mietwohnraum werde dringend benötigt. Da Ellwangen – anders als die Nachbarstadt Aalen – aber über keine eigene städtische Wohnungsbaugesellschaft verfügt, sei man auf private Bauträger oder Akteure wie die Ellwanger Baugenossenschaft oder eben auch die Kreisbau Aalen angewiesen.
Wie Grupp in diesem Zuge anmerkt, habe sich die Lage erst in der jüngeren Vergangenheit so zugespitzt. Einen Bedarf an vergünstigten Sozialwohnungen habe es in Ellwangen lange Jahre faktisch überhaupt nicht gegeben, sagt Grupp. Mittlerweile fragten aber auch in Ellwangen Menschen Sozialwohnungen nach. Allerdings noch im überschaubaren Rahmen. 2020 wurden in Ellwangen sechs Wohnberechtigungsscheine erteilt, 2021 war es bisher nur einer. Wohnberechtigungsscheine werden benötigt, um eine geförderte und preisgebundene Sozialmietwohnung beziehen zu können.
Bei der Stadt Ellwangen rechnet aber man mit einem steigenden Bedarf. Deshalb geht man den sozialen Wohnungsbau jetzt ebenfalls aktiv an. Dazu wurde extra ein eigenes städtisches Wohnbauförderprogramm aufgelegt, um privaten Bauträgern einen Anreiz zur Schaffung von mietpreisgebundenen Wohnungen zu geben. Der Bau solcher mietpreisgebundenen Mietwohnungen werde durch die Vergabe von geeigneten Grundstücken nur unter diesen Voraussetzungen forciert, erklärt Grupp.