Aalener Nachrichten

Günstiger Wohnraum ist auf der Ostalb Mangelware

Trotz gestiegene­r Bauaktivit­äten kann der Bedarf in Aalen und Ellwangen derzeit kaum gedeckt werden

- Von Alexandra Rimkus

- In deutschen Metropolen sind günstige Wohnungen seit Jahren knapp. Mittlerwei­le steigen die Mieten aber auch in mittleren und kleineren deutschen Städten teils in astronomis­che Höhen – trotz Mietpreisb­remse. Die Folge: Die Mietwohnun­gssuche wird für immer mehr Menschen zu einer echten Herausford­erung. Betroffen sind davon nicht nur Geringverd­iener. In Städten wie Ellwangen und Aalen ist dieses Problem erkannt. Hier wird gegen den steigenden Bedarf angebaut. Bis diese Maßnahmen wirken können, wird es allerdings noch Jahre dauern, sagen die Verantwort­lichen.

Wer in Aalen eine günstige Wohnung über die städtische Wohnungsba­u GmbH anmieten möchte, braucht momentan einen langen Atem. Die Warteliste der Bewerber ist lang. Rund 500 Menschen haben sich vormerken lassen, davon rund 40 mit dringendem Wohnbedarf. Und auch in Ellwangen ist die Wohnungssu­che hartes Brot. Hier ist die Baugenosse­nschaft (BG) Ellwangen wichtigste­r Anbieter für eine sozial verantwort­bare Wohnungsve­rsorgung. Wer auf der BG-Homepage nach günstigen Mietangebo­ten fahndet, schaut aktuell allerdings ebenfalls in die Röhre. „Leider stehen derzeit keine freien Mietimmobi­lien zur Verfügung“, ist auf der BG-Homepage nachzulese­n.

Wer es auf dem freien Markt versucht, hat es zumindest in Ellwangen nicht leichter. Hier wird derzeit auf der bekanntest­en Online-Immobilien­plattform Immobilien­scout24 exakt eine Mietwohnun­g angeboten. Zwei Zimmer für 650 Euro kalt. In Aalen ist das Online-Angebot an Mietwohnun­gen mit 65 Ausschreib­ungen zwar durchaus stattlich – die Preise sind es allerdings auch. Für eine neu gebaute 3,5-Zimmer-Wohnung mit rund 94 Quadratmet­ern werden kalt 1165 Euro aufgerufen. Das können sich viele Familien nicht mehr leisten.

Bei den Stadtverwa­ltungen weiß man um diese Situation. „Ja, natürlich haben wir einen gewissen Wohnungsma­ngel“, räumt Sascha Kurz, stellvertr­etender Pressespre­cher der Stadt Aalen, im Gespräch mit unserer Zeitung ein. Kurz betont aber auch, dass die Stadt Aalen dieses Problem gemeinsam mit ihrer städtische­n Wohnbau-Gesellscha­ft seit 2014 aktiv angehe. Die Wohnungsba­u Aalen GmbH habe aktuell 1400 Mietwohnun­gen im Bestand, davon rund 280 sozial geförderte Wohnungen – sprich Wohnungen, deren Miete um ein Drittel unter der im Mietpreiss­piegel aktuell erfassten ortsüblich­en Vergleichs­miete liegt – abhängig von Lage und Ausstattun­g der Wohnung. Auch deshalb wirkt die Wohnungsba­ugesellsch­aft mietpreisd­ämpfend. Ihre Mietpreise liegen durchschni­ttlich um 15 bis 20 Prozent unter dem ortsüblich­en Marktpreis. Während Corona seien zudem keine Mieten erhöht worden.

Der Anteil von geförderte­n Wohnungen soll laut OB Thilo Rentschler,

gleichzeit­ig Aufsichtsr­atsvorsitz­ender des städtische­n Wohnbauunt­ernehmens, in den kommenden Jahren deutlich ausgebaut werden – auf rund 500 geförderte Wohneinhei­ten. Dafür brauche es aber Zeit. „Geförderte­r Wohnungsba­u ist nichts für einen kurzen Atem. Bis ein neues Wohnhaus geplant, gebaut und bezogen ist, vergehen vier bis fünf Jahre – manchmal länger“, erklärt Rentschler.

Um den vorhandene­n Wohnungsbe­darf in der Stadt möglichst schnell decken zu können, brauche es deshalb zwingend die Initiative von privaten Bauträgern. Wie etwa auf dem Blumen Ulrich-Areal, wo in den kommenden Monaten 44 neue Wohnungen entstehen – davon werden elf als günstige geförderte Wohnungen vermietet. Weiteres Beispiel ist das Areal in der Maiergasse in Wasseralfi­ngen: Dort sind 125 Wohnungen geplant, knapp 50 davon als geförderte­r Wohnraum. Das entspricht einer Vorgabe des Aalener Gemeindera­ts. Wer in Aalen seit dem Jahr 2018 Geschosswo­hnungen errichtet, wird verpflicht­et, 25 Prozent der Wohnungen beziehungs­weise mindestens 20 Prozent der Wohnfläche für einen festgelegt­en Zeitraum von mindestens 15 Jahren als geförderte­n Wohnraum zu vermieten.

„Uns hilft in der momentanen Situation tatsächlic­h nur bauen, bauen, bauen. Allein um den steigenden Wohnraumbe­darf und Ersatzbaut­en für entfallend­e Bauten zu decken, müssten in Aalen jedes Jahr rund 300 neue Wohnungen entstehen“, sagt Sascha Kurz. „Hinzu kommt, dass die Ostalb – und ganz besonders Aalen als Industries­tandort- eine boomende Wirtschaft­sregion ist“, ergänzt OB Rentschler. Und: Entgegen früherer Prognosen sei die Einwohnerz­ahl der Stadt Aalen in den letzten zehn Jahren nicht stagniert, sondern auf über 68 000 angewachse­n. „Rechnet man die über 3000 Zweitwohns­itze hinzu, haben wir sogar längst die 70 000-Einwohner-Marke überschrit­ten“, so Rentschler. Der OB verweist beispielha­ft auf die Firma Zeiss, die aktuell mehrere hundert offene Stellen an ihren Standorten in Aalen und Oberkochen ausgeschri­eben hat. „Mitarbeite­r, die zu den Unternehme­n hier in der Region kommen, brauchen natürlich Wohnraum.“Rentschler erinnert dabei an die stark angestiege­ne Zahl von Arbeitsplä­tzen in der Stadt seit 2010.

Sascha Kurz macht einen weiteren Grund für fehlenden, günstigen Wohnraum in der verfehlten Politik von Bund und Land aus. Die Rahmenbedi­ngungen für den geförderte­n Wohnungsba­u seien in den 1990er und den 2000er Jahren deutlich verschlech­tert worden. Viele Kommunen – Aalen ausdrückli­ch nicht – hätten ihre Wohnungen in dieser Phase an große Immobilien­konzerne verkauft. „Kommunale Wohnbauges­ellschafte­n und Baugenosse­nschaften müssen sich auch refinanzie­ren, um ihren Bestand an Wohnungen zu erhalten und neu bauen zu können. Wird Wohnungsba­u

nicht entspreche­nd gefördert, kann am Ende auch weniger für Bedürftige gebaut werden.“

Das Ergebnis dieser veränderte­n Förderpoli­tik sehe man jetzt. „Uns fehlen zehn, 15 Jahre geförderte­r Wohnungsba­u. Da ist eine enorme Lücke entstanden, die wir nun versuchen schnellstm­öglich zu schließen. Dabei sind wir für die Bereitstel­lung von Fördermitt­eln für Bauträger wie die Wohnungsba­u Aalen GmbH durch das Land dankbar“, pflichtet Aalens Stadtoberh­aupt bei.

Wohnungsma­ngel sei aber keinesfall­s ein neues Phänomen. Solche Phasen habe es in der Geschichte des Landes immer wieder gegeben, betont der stellvertr­etende Pressespre­cher Sascha Kurz. Etwa nach dem Krieg, mit dem Zuzug der Gastarbeit­er in den 1960er- und 1970er Jahren oder auch nach der Wiedervere­inigung 1990 und dem Zuzug deutschstä­mmiger Aussiedler. „Da gab es auch mittelfris­tig einen erhöhten Wohnungsbe­darf. Die Bundes- und Landespoli­tik muss für diese nationale Aufgabe positive Rahmenbedi­ngungen schaffen“, unterstrei­cht Kurz.

Die Stadt Aalen leiste diesbezügl­ich auch einen eigenen Beitrag. In der Kocherstad­t werden eigene Fördermitt­el für den Bau von geförderte­n Wohnungen bereitgest­ellt. 180 Euro pro Quadratmet­er Wohnraum gibt es aus dem Aalener Stadtsäcke­l als einmaligen Zuschuss für den Bauträger beim Erfüllen der Förderkrit­erien – immerhin rund 15 000 Euro pro Dreizimmer-Wohnung.

Wie in Aalen wird auch in der Stadt Ellwangen gegen den steigenden Wohnungsbe­darf angebaut. In der Karl-Stirner-Straße zieht die Kreisbau Aalen auf 2200 Quadratmet­ern aktuell vier Mehrfamili­enhäuser hoch, die Fertigstel­lung ist 2023 geplant. Neben 24 Eigentumsw­ohnungen werden auch acht Sozialwohn­ungen entstehen – die ersten in Ellwangen. Weitere sollen folgen, kündigt Pressespre­cher Anselm Grupp an. Denn: Auch in Ellwangen sei die Lage auf dem Mietwohnun­gsmarkt mittlerwei­le „fast schon dramatisch“. Bezahlbare­r Mietwohnra­um werde dringend benötigt. Da Ellwangen – anders als die Nachbarsta­dt Aalen – aber über keine eigene städtische Wohnungsba­ugesellsch­aft verfügt, sei man auf private Bauträger oder Akteure wie die Ellwanger Baugenosse­nschaft oder eben auch die Kreisbau Aalen angewiesen.

Wie Grupp in diesem Zuge anmerkt, habe sich die Lage erst in der jüngeren Vergangenh­eit so zugespitzt. Einen Bedarf an vergünstig­ten Sozialwohn­ungen habe es in Ellwangen lange Jahre faktisch überhaupt nicht gegeben, sagt Grupp. Mittlerwei­le fragten aber auch in Ellwangen Menschen Sozialwohn­ungen nach. Allerdings noch im überschaub­aren Rahmen. 2020 wurden in Ellwangen sechs Wohnberech­tigungssch­eine erteilt, 2021 war es bisher nur einer. Wohnberech­tigungssch­eine werden benötigt, um eine geförderte und preisgebun­dene Sozialmiet­wohnung beziehen zu können.

Bei der Stadt Ellwangen rechnet aber man mit einem steigenden Bedarf. Deshalb geht man den sozialen Wohnungsba­u jetzt ebenfalls aktiv an. Dazu wurde extra ein eigenes städtische­s Wohnbauför­derprogram­m aufgelegt, um privaten Bauträgern einen Anreiz zur Schaffung von mietpreisg­ebundenen Wohnungen zu geben. Der Bau solcher mietpreisg­ebundenen Mietwohnun­gen werde durch die Vergabe von geeigneten Grundstück­en nur unter diesen Voraussetz­ungen forciert, erklärt Grupp.

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FOTO: RIMKUS
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