Klare Absage an die Impfpflicht
Merkel, Spahn und Söder gegen Zwang für Pfleger und Lehrer – Lucha ist anderer Ansicht
(AFP/dpa) Die Bundesregierung ist weiter gegen jegliche Impfpflicht und will die Kampagne zur Corona-Immunisierung durch Werbung voranbringen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lehnte am Dienstag klar den Weg Frankreichs ab, Mitarbeiter im Gesundheitswesen zum Impfen zu verpflichten. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte, es gebe keine Verpflichtung, aber ein „Impfgebot“. Nach Überzeugung von Innenminister Horst Seehofer (CSU) sollte die Impfbereitschaft „durch Kampagnen und Anreize“erhöht werden. Mehrere Politiker und ein Mitglied des Ethikrats hatten zuvor eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen, unter anderem Erzieher und Lehrer, gefordert.
Merkel sagte bei einem Besuch des Robert-Koch-Instituts am Dienstag in Berlin: „Wir haben nicht die Absicht, den Weg zu gehen, den Frankreich jetzt vorgeschlagen hat.“Nach Aussage von Fachleuten müssten in Deutschland Impfquoten von 85 Prozent unter den Zwölf- bis 59Jährigen erreicht werden. Bei den über 60-Jährigen müsse die Quote angesichts der Ausbreitung der Delta-Variante
bei 90 Prozent liegen. Davon sei Deutschland aber „noch weit entfernt“, sagte Merkel. Sie rief die Menschen eindringlich zu Impfungen auf. Eine Immunisierung schütze „immer auch jemanden, dem Sie nahestehen, der Ihnen wichtig ist, den Sie lieben“, sagte sie. „Je mehr geimpft sind, desto freier werden wir wieder sein.“Spahn nannte es ein „Gebot der Vernunft, sich impfen zu lassen“. Auch RKI-Präsident Lothar Wieler und die Chefin des Ethikrats, Alena Buyx, halten eine Impfpflicht für nicht erforderlich. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sprach sich explizit gegen eine Impfpflicht für Lehrer oder Schüler aus. Der CSU-Chef begründete seine Ablehnung damit, dass eine Pflicht ein „starker Grundrechtseingriff“sei.
Südwest-Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) schließt eine Pflicht für bestimmte Berufsgruppen hingegen nicht aus, sollte sich das Impftempo nicht beschleunigen. „Eine berufsspezifische Impfpflicht kann diskutiert werden“, sagte er am Dienstag in Stuttgart. Die Impfquote von Assistenzkräften und Angelernten in stationären Pflegeeinrichtungen sei relativ gering.
- Stoßlüften, Fenster kippen oder doch ein Luftreiniger? Die Frage, wie Schülerinnen und Schüler im Unterricht vor CoronaInfektionen geschützt werden können, stellt sich seit Monaten. Eine Untersuchung an zehn Stuttgarter Schulen bringt jetzt neue Erkenntnisse: Zwar sind fast alle Maßnahmen besser als gar keine Lüftung, doch Luftreinigungsgeräte sind nicht so effektiv wie regelmäßiges Öffnen der Fenster. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) drängt derweil auf die Ausrüstung aller Klassen- und Kitaräume mit den Geräten.
Experten des Instituts für Gebäudeenergetik und Thermotechnik der Universität Stuttgart untersuchten über ein halbes Jahr lang jeweils ein oder zwei Klassenräume an zehn exemplarisch ausgewählten Schulen der Stadt. Sie erforschten, wie effektiv unterschiedliche Lüftungsmethoden Infektionsrisiken verringern können. Das ernüchternde Ergebnis: Luftreinigungsgeräte sollten nur unterstützend eingesetzt werden. Zwar reduzieren sie die Wahrscheinlichkeit von Ansteckungen, allerdings in geringerem Maße als herkömmliches Stoßlüften.. „Basierend auf den Erkenntnissen
aus dem Pilotprojekt ist der flächendeckende Einsatz von Luftreinigungsgeräten nicht indiziert“, resümieren die Forscher.
Auch Schutzmaßnahmen wie die Einhaltung der AHA-Regelungen, Tests oder das Tragen einer Maske könnten durch die Geräte nicht ersetzt werden. Für Klassenräume mit zu kleinen oder zu wenigen Fenstern empfehlen die Experten dennoch die Verwendung von Luftreinigern oder den Einbau stationärer Lüftungsanlagen. Wie die Untersuchungen zeigen, verringern sämtliche Methoden zum
Luftaustausch im Klassenzimmer das Ansteckungsrisiko. Ob gekippte Fenster oder Filtergeräte: Immer noch besser als ein geschlossenes Fenster. Allerdings können die technischen Lösungen mit der Effektivität von zweieinhalb Minuten Stoßlüften im Zehnminutentakt nicht mithalten. Zwar verbessern die Geräte beim Betrieb laut der Untersuchung in den maximalen Einstellungen ihre Leistung, gleichzeitig steigt aber die Lärmbelastung über die Grenzwerte hinaus.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hatte vergangene Woche angekündigt, sämtliche Klassen- und Kitaräume bis zum Start des neuen Schuljahrs mit Luftreinigungsgeräten ausstatten zu wollen. Die Kosten sollen sich Kommunen und Kreise mit dem Freistaat teilen. Die Reaktionen aus Gemeinden und Schulen fielen gemischt aus, neben Unterstützung gab es Kritik an den Zeitplänen, der Finanzierung und dem Nutzen.
Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann kündigte am Montag ein Förderprogramm an, das die Kommunen zur Hälfte finanzieren sollen. Die mobilen Geräte kosten zwischen 3000 und 4000 Euro. Kretschmann sagte dazu, die Filter seien nur als Ergänzung gedacht und sollten vor allem in schlecht belüftbaren Räumen eingesetzt werden. Zudem sollen sie vornehmlich in den Klassen 1 bis 6 zum Einsatz kommen, weil kleinere Kinder bis auf Weiteres nicht geimpft werden können.
Karin Broszat, Realschulleiterin in Überlingen und Vorsitzende des Realschullehrerverbands in BadenWürttemberg, wünscht sich weiterhin eine flächendeckende Ausstattung mit den Geräten. „Dass Lüften die beste Methode ist, darin sind wir uns alle einig. Trotzdem brauchen wir die Luftreiniger als Ergänzung, besonders wenn es im Winter wieder kalt wird, was das Stoßlüften erschwert“, sagt sie. Sie wünscht sich auch in Baden-Württemberg ein Machtwort der Landesregierung.
Der Ludwigsburger Filterspezialist Mann+Hummel widersprach der Studie, bei der auch die Wirkung mobiler Geräte der Firma untersucht wurden, und verwies auf Analysen anderer Forschungseinrichtungen, etwa des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik. Dieses hatte in einem Forschungsprojekt im März ermittelt, dass Luftreinigungsgeräte nach zweistündigem Betrieb je nach Technologie die Viruslast um bis zu 99 Prozent verringern können.