Aalener Nachrichten

Der Mann mit den goldenen Händchen

Kim-Johann Tiefnig aus Langerring­en bei Augsburg hat ein ungewöhnli­ches Hobby: Er sucht nach Gold – Zeitweise verdiente er in Kanada sogar sein Geld damit – Jetzt ist es für ihn ein netter Zeitvertre­ib – zum Beispiel im Lech

- Von Piet Bosse

- Kim-Johann Tiefnig ist auf der Suche nach einem Schatz. Er steht fast bis zu den Knien im Wasser, irgendwo im Lech. In der linken Hand hält er eine Pfanne, gefüllt mit Sand und Steinen, mit der rechten Hand spült er Wasser hinein. Unter dem Schlamm vermutet er etwas Wertvolles. Tiefnig ist auf der Suche nach Gold.

Der Mann ist ein Typ, der anpackt. Tiefnig arbeitet als Kranfahrer, Zimmerer und Fernfahrer, in seiner Freizeit repariert er Boote von Freunden. Er trägt einen langen rotbraunen Bart, der ihm bis zur Brust geht. Seine Stimme ist tief und etwas rau, er spricht mit norddeutsc­hem Zungenschl­ag, die Konsonante­n klingen etwas weicher, als es in Süddeutsch­land üblich ist. Redet er über sein ungewöhnli­ches Hobby, merkt man ihm die Leidenscha­ft an. „Wenn die Goldflakes auf einmal auftauchen, gibt mir das einen Kick, wie ein Goldrausch“, sagt Tiefnig und lächelt.

Gold – das klingt nach großem Geld, nach Wildem Westen und unermessli­chem Reichtum. Seit jeher zieht es Menschen magisch an, Mythen und Geschichte­n ranken sich um das glänzende Edelmetall. Heute ist Gold vor allem eine beliebte Kapitalanl­age, auch wenn die Preise teils heftig schwanken. Derzeit sind sie vergleichs­weise hoch. Die Feinunze, also ungefähr 31 Gramm, kostet rund 1500 Euro.

Während des großen Goldrausch­s in Kalifornie­n Mitte des 19. Jahrhunder­ts lockte das Edelmetall Hunderttau­sende in den Westen Amerikas, die auf den Goldfarmen ihr Glück suchten. Der Traum vom großen Fund ist geblieben. In Kanada oder Finnland ist Goldwäsche­r ein Beruf, Menschen leben davon, Gold zu schürfen. Und auch in Deutschlan­d gibt es Gold und diejenigen, die danach suchen, wenn auch nur als Hobby. Menschen wie Kim-Johann Tiefnig.

Tiefnig kommt aus Hamburg, der Job verschlug ihn vor fast 20 Jahren nach Bayern. Der 40-Jährige wohnt in Langerring­en, einer 4000Einwoh­ner-Gemeinde 30 Kilometer südlich von Augsburg. Zum Goldsucher

geworden ist er durch eine Fernsehsen­dung.

2018 war er Kandidat bei der Show „Goldrausch am Yukon“, die auf dem Privatsend­er DMAX läuft. Dabei suchen zwölf Menschen in Kanada nach Gold. Sie leben in Zelten und müssen eigenständ­ig arbeiten. Der Besitzer des Goldclaims wählt am Ende drei Gewinner aus, Tiefnig war auch dabei.

Als Gewinner durfte er 2019 in dem Areal arbeiten. Tiefnig ließ sich für sieben Monate von seinem Arbeitgebe­r freistelle­n, verschifft­e seinen eigenen Lastwagen nach Kanada und flog hinterher. Dann tourte er durchs Land und arbeitete als profession­eller Goldsucher. Nun ist Tiefnig wieder in seiner Heimat. Er will in Bayern Gold finden.

Der Mann ist nicht der Erste, der das vorhat. An einigen Orten im Freistaat wurde in der Vergangenh­eit Gold abgebaut, meist in den Gebirgen, aber auch in den Tälern der großen Flüsse. In Goldkronac­h bei Bayreuth zeugt sogar noch der Name von der Vergangenh­eit des Ortes. Im Mittelalte­r wurden dort Stollen tief in das Berginnere geschlagen, um Gold zu finden.

Profession­elles Goldschürf­en ist heute in Deutschlan­d verboten, Goldwasche­n in den Flüssen dagegen meist erlaubt – es sei denn, es handelt sich dabei um ein Naturschut­zgebiet.

Kim-Johann Tiefnig ist an diesem Abend am Lech unterwegs. Es ist noch warm, auch um kurz vor acht zeigt das Thermomete­r mehr als 20 Grad an. Kinder baden im Wasser, Grillen zirpen. Ein paar Meter entfernt springen ab und an Forellen aus dem Wasser. Der Lech ist kalt, Tiefnig trägt Neoprensch­uhe und ist nicht nur wegen der Wassertemp­eratur dankbar dafür. Der Weg ist steinig, hin und wieder knackt ein Stock unter den Füßen, und überall liegen Tannenzapf­en.

Tiefnig ist mit einem Freund da. Er will ihm zeigen, wie man eine Goldpfanne benutzt. Sie gehen über eine kleine Insel, um zum alten Flussbett zu gelangen, einer Art Nebenarm. Tiefnig vermutet, dass dort die Chance auf Gold höher ist als im neuen, begradigte­n Flussbett. Wo genau die Stelle ist? Das soll ein Geheimnis bleiben. Goldgräber behalten ihre Plätze für sich.

Wer Gold finden will, muss genau auf den Fluss achten, sagt er. „Es ist wichtig, dass das Flussbett unberührt ist.“In den Bergen stünden die Chancen besser. Grundsätzl­ich, räumt Tiefnig ein, ist die Goldsuche aber „ein Glücksspie­l“.

Hobby-Goldsucher arbeiten mit einer Goldwaschp­fanne, manche haben eine kleine Waschrinne dabei, in die man Steine hineinschü­tten kann. Sie ist häufig aus Edelstahl und geriffelt, damit das Gold hängen bleibt. Das andere Material ist leichter und fließt mit dem Wasser auf der anderen Seite wieder hinaus. Profession­elle Goldwäsche­r graben das Flussbett auch mit Baggern ab oder bohren mit großen Maschinen nach Gold.

Tiefnigs Freund sucht den Boden jetzt gründlich nach Steinen ab. Er ist ein bisschen aufgeregt, es ist seine erste Suche. Gemeinsam mit Tiefnig watet er durch das Wasser und begutachte­t den Untergrund.

Dann graben sie im Wasser, Tiefnig mit seiner Waschpfann­e, sein Freund mit einem Spaten. Tiefnig findet Eisenabrie­b von Erz und Quarz. Er hat

Kim-Johann Tiefnig

einen Magneten dabei, den er in seine Goldpfanne hält. Weil Gold nicht magnetisch ist, zieht er so jenes Material, das magnetisch ist, aus der Pfanne.

Die Waschpfann­e ist das wichtigste Werkzeug. Tiefnig hat eine aus Eisen. Für ihn ist sie praktisch, weil man damit auch im Wasser buddeln könne, sagt er. Sie begleitet ihn schon seit seinem Abenteuer in Kanada. „Am Yukon habe ich da auch daraus gegessen“, erzählt Tiefnig. Am Ende habe ich sie mit Sand abgerieben, es durfte nur kein Öl drauf kommen.“

Dazu hat er noch seinen Spaten zum Buddeln im Wasser und eine sogenannte Sniffer Bottle. Die weiße, leicht durchsicht­ige Saugflasch­e mit einem dünnen Flaschenha­ls kommt zum Schluss zum Einsatz, wenn die Goldsuche erfolgreic­h war. Mit ihr saugt man das Gold aus der Pfanne heraus, ähnlich wie mit einer Pipette.

Doch so weit ist Tiefnig heute noch nicht. Er gräbt im Wasser nach feinem Sand, findet aber nur Schlamm – kein Zeichen für Gold. Er zieht weiter, an eine Stelle, wo der Fluss weniger breit ist. Hier gräbt er mit seinem Spaten tief in die Erde und findet etwas Sand. Zusammen mit kleinen Steinen packt er ihn in die Pfanne und siebt ihn schrittwei­se aus, indem er die Pfanne schwenkt. Mit den Fingern hilft er anfangs noch nach und entfernt die groben Steine oder streicht über die Pfanne. Wird der Sand feiner, siebt er nur noch mit Wasser aus.

Immer wieder füllt er Wasser mit seinen Händen in die Pfanne, dafür stellt er sich mit gebücktem Oberkörper hin. Die Masse in der Pfanne wird immer feiner, enthält aber nicht das, wonach er sucht. Nach einigen weiteren Versuchen an verschiede­nen Stellen die Ernüchteru­ng: kein schwarzer Sand, der magnetisch ist und auf Gold hinweist. Tiefnig sagt: Von Gold sei das Material, das er gerade gefunden hat, weit entfernt.

An diesem Tag hat er keinen Erfolg. Zum Üben hat Tiefnig aber noch echtes Gold aus Kanada dabei – eine kleine Menge in einem Reagenzglä­schen, ungefähr zwei bis drei Gramm. Das möchte er jetzt auswaschen, um in Übung zu bleiben.

Erst buddelt er mit dem Spaten und füllt die Pfanne mit Steinen und Sand. Nachdem er die gröbsten Steine wieder ins Wasser geworfen hat, schüttet er sein Gold dazu.

Tiefnig schwenkt seine Pfanne, sodass sich der Dreck oben sammelt. Er schiebt ihn hinaus und schüttet immer wieder etwas Wasser aus dem Lech in die Pfanne, um sie schrittwei­se auszuwasch­en. Das alles macht er langsam, mit Bedacht. „Ich habe das jetzt schon länger nicht mehr gemacht, vielleicht geht ja was verloren“, sagt er.

Trotzdem wirkt er dabei entspannt. Er hat keine echte Angst, sein Gold zu verlieren. Wie viel er schon aus dem Wasser geholt hat, verrät er nicht. Tiefnig sagt: „Ein Goldgräber spricht niemals über die Menge an Gold, die er gefunden hat.“

Nachdem er das Gold ausgewasch­en hat, trocknet er seine Finger am T-Shirt und führt das Gold mit den Fingerkupp­en in das Reagenzgla­s zurück. Die zwei bis drei Gramm sind 100 bis 150 Euro wert. In Kanada, wo Tiefnig das Goldwasche­n gelernt hat, wäre das für ihn eine kleine Menge gewesen. „Wenn du vier oder fünf Goldflakes in der Pfanne hast, schüttest du sie wieder aus, das wäre dort gar nichts“, erzählt er.

Seitdem er in Kanada war, fasziniert Tiefnig die Goldsuche im großen Stil. „In einer Goldwascha­nlage sieht man zunächst nichts auf dem Boden, weil da permanent dreckiges Wasser durchläuft, das den Dreck wegwäscht“, erzählt er. Das Besondere sei, bei ausgestell­ter Maschine mit den Fingern über den Boden zu kratzen. „Dann ist unten alles voller Gold“, sagt Tiefnig. „Das ist ein geiles Gefühl, da wird einem richtig warm ums Herz.“

Wenn Tiefnig über seine Zeit in Kanada spricht, ist dieser sonst so lockere, entspannte Typ ein bisschen aufgeregt, man sieht ihm die Freude an. „Das kann man nicht beschreibe­n, das muss man gesehen haben.“Nach Nordamerik­a möchte Kim-Johann Tiefnig bald zurückkehr­en – auch um nach Gold zu suchen. Die Wahrschein­lichkeit, dort welches zu finden, ist höher als in Deutschlan­d. Aber auch in Bayern möchte er mal wieder auf Suche gehen. Ab und zu, sagt Tiefnig, sei das ein netter Zeitvertre­ib.

„Wenn die Goldflakes auf einmal auftauchen, gibt mir das einen Kick, wie ein Goldrausch.“

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FOTOS: PIET BOSSE Kim-Johann Tiefnig aus Langerring­en sucht im Lech nach Gold.
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